France - Filmszene - © Foto: Filmladen

Selbstdarstellung

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Psychogramm eines Medienstars: Léa Seydoux brilliert in Bruno Dumonts bissiger Mediensatire „France“.

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Psychogramm eines Medienstars: Léa Seydoux brilliert in Bruno Dumonts bissiger Mediensatire „France“.

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Filme wie Adam McKays „Don’t Look Up“ haben jüngst ein Dilemma der heutigen politischen Satire offengelegt: Wenn auch die Realität zur Farce geworden ist, was kann man ihr mit satirischen Mitteln noch hinzufügen, ohne die Authentizität seiner Figuren dabei preiszugeben?

Mit „France“ zeigt der Franzose Bruno Dumont einen Ausweg, indem er vorführt, wie sich die Kunst der Übertreibung sehr wohl mit plausibler Figurenpsychologie vereinbaren lässt. Im Mittelpunkt der bissigen Mediensatire steht die Fernsehjournalistin France de Meurs (Léa Seydoux in ihrer bis heute vielleicht besten Rolle), die eher an gelungener Selbstdarstellung als an fundierter Berichterstattung interessiert ist. So bleibt in einer ihrer Reportagen über Anti-Dschihadisten in der Sahelzone der Konflikt völlig im Unklaren, stattdessen werden minutenlang Takes geprobt, wie sich France möglichst wirkungsvoll vor den Soldaten in Szene setzen kann.

Frances Welt droht schließlich auseinanderzubrechen, als sie bei einem Autounfall einen am Existenzminimum lebenden marokkanischen Motorradfahrer verletzt. Am Beispiel von Frances sich in der Folge abzeichnenden psychischem Zusammenbruch denunziert Dumont, wie der unbedingte mediale Inszenierungswille jede Form von Mitgefühl zwangsweise in Heuchelei verwandelt. Der Titel „France“ ist doppeldeutig, symbolisiert die Psychose Frances zugleich die Krankheit einer Nation, ja einer ganzen Gesellschaft. Dennoch beschränkt sich Dumont nicht darauf, eine bloße Karikatur aus ihr zu machen. Man verurteilt Frances Verhalten, kann sich aber bis zum Schluss mit ihr identifizieren. Zu verdanken ist das in erster Linie Seydoux‘ nuanciertem Spiel, das gekonnt zwischen tränenreichen Gefühlsausbrüchen und lethargischen Blicken in die Kamera changiert.

Eine glaubhafte Figur

Der durch bittere Sozialdramen bekannt gewordene, absurdem Humor aber nie abgeneigte Dumont zeigt mit „France“, was Satire kann: Anstatt es sich mit einem rein polemischen Blick auf moderne Medien allzu leicht zu machen, überrascht der Film mit einer glaubhaften Figur, deren emotionale Krisen niemanden kalt lassen werden. Untermalt wird das Ganze von den experimentellen Klängen des kürzlich verstorbenen Chansonniers Christophe, der sich schon für die Musik zu Dumonts exzellentem zweiteiligen Jeanne d’Arc Musical verantwortlich zeichnete. Auch wenn „France“ einen Hauch zu lang geraten ist, verbindet der Film souverän eine treffende Gegenwartsdiagnose mit ehrlicher Anteilnahme.

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