Selbstsuche und Neuerfindung

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Der digitale Wandel hat Europa noch nicht so stark erfasst, um alle Begrifflichkeiten der Amerikaner zu übernehmen. Die sorgen sich um ihre Sunset Industries im Rust Belt und ergötzen sich an den Sunrise Industries aus dem Silicon Valley. Doch nach jedem Sonnenuntergang kommt ein -aufgang: Dieses hoffnungsvolle Bild zeichnen Branchen, die den Zenit überschritten und sich zwischen Umsatzrückgang und Gewinneinbuße, also Dämmerung und Umnachtung, neu erfinden müssen. Ein viel zitiertes Musterbeispiel ist die Tabakindustrie - denn die Medienbranche thematisiert sich ungern selbst.

Beim "European Newspaper Congress" in Wien hat sie soeben dennoch Selbstbeschäftigung geübt -vornehmlich für sich und höchstens die Fachöffentlichkeit. Zweckoptimismus ist ein konstituierendes Element solcher Veranstaltungen. Da geht es auch abseits der Preisverleihungen um Best Practice. Dabei verfestigt sich ein Eindruck seit vielen Jahren: Der rote Faden wird immer weniger erkennbar. Das ist folgerichtig für eine Branche, die ihre Zukunft sucht. Weniger logisch wirkt die reflexartige Kritik vieler Kongressteilnehmer gegen neue Technik und Geschäftsfelder, das hätte nichts mehr mit ihrer Aufgabe zu tun. Der Einwurf entsteht aus einer Verwechslung von Journalismus und Medien, die deren Inhaltsmacher oft lieber pflegen als abbauen. Die Vorstellung des sich selbst finanzierenden Leitartikels ist einfach schöner als das Eingeständnis der Alimentierung durch das Inserat nebenan. Über diesen Abtausch von neuen Einflüssen und sturer Beharrung kommt der wichtigste Aspekt für eine neue Morgenröte zu kurz: Journalismus muss den Unterschied zu all den anderen Schreibern, Knipsern, Filmern deutlicher machen. Dazu braucht es kompromisslose Qualitätsorientierung -und schonungslose Reflexion der eigenen Fehler. Beides ist noch zu wenig die Regel.

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