STAMS - Szene - © Foto: Stadtkino

„Stams“ – „Hast du einen Körper oder bist du dein Körper?“

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Otto Friedrich über den Film „Stams“ von Bernhard Braunstein, der Einblick in die Kaderschmiede des österreichischen Schisports gibt.

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Otto Friedrich über den Film „Stams“ von Bernhard Braunstein, der Einblick in die Kaderschmiede des österreichischen Schisports gibt.

Vor gut fünf Jahren beeindruckte der Dokumentarfilmer Bernhard Braunstein mit seiner filmischen Studie über das „Atelier de conversation“ in Paris. Nun kommt sein Film „Stams“ über die bekannteste Kaderschmiede für Schisportler(innen) ins Kino. Zwischen April 2019 und Juli 2021 hat Braunstein Training, und Treiben in Österreichs bekanntestem Sportinternat mit der Kamera beobachtet – ein Blick in einen Kosmos, in dem alles auf körperliche Leistung hin ausgerichtet ist. Nur wenige, die hier die fünf Gymnasialjahre absolvieren (wegen des zeitintensiven Trainings ist die Oberstufe um ein Jahr verlängert), kommen tatsächlich in der Weltklasse des alpinen und nordischen Schilaufs sowie des Snowboardens an. Aber alle kasteien sich und lassen sich Von Matthias Greuling E in durchwegs umstrittener Wettbewerb, der unter dem Jury-Vorsitz von Kristen Stewart am vergangenen Wochenende seinen Abschluss fand, ist Spiegelbild für den Zustand der Berlinale. Deren künstlerischer Leiter Carlo Chatrian ist ein großer Cineast, er liebt die hohe Kunst, und das kombiniert mit einem A-Festival wie der Berlinale ergibt: Eine Werkschau von Filmen aus dem Weltkino, die es nicht bis ganz nach oben geschafft haben, nicht nach Cannes, nicht nach Venedig. Dazu Arbeiten, die bereits in der Lagunenstadt gelaufen sind („Tàr“) oder in Sundance, woher einige Titel aus dem heurigen Programm stammten. Das heißt: Die Berlinale fällt als A-Festival mit Weltpremieren zunehmend zurück, muss anderen die Erstaufführung und damit die Relevanz überlassen. Auch, dass hier fünf deutsche Filme im Wettbewerb liefen, ist kein Qualitätsmerkmal des deutschen Films, sondern eher, dass durch die Motivationen und Unerbittlichkeiten der Coaches zu körperlichen Hochleistungen anspornen: „Wenn die einen jungen Wahnsinnigen sehen, der sich mit Startnummer 50 oder 60 in die Top 30 fährt, seid ihr zumindest in den Köpfen der Leute.“ Mit solchen Sätzen treiben die Trainer ihre Schützlinge an. Und auch: „Hast du einen Körper oder bist du dein Körper? Kannst du Körper und Geist trennen?“ Derartiger Spruch zeigt gleichfalls, dass es auch mental stimmen muss, will man ganz oben landen. Derartiges ist auch den Schigymnasiast(inn)en, die in „Stams“ zu Wort kommen, bewusst: „Es ist immer schwer abzuwägen. Ist es wichtiger, dass ich den Schwung besser fahre oder dass ich gesund bleibe“, so eine Schülerin. Und ein anderer bringt es so auf den Punkt: „Früher hat man den Spaß und die Leidenschaft an der Sache gehabt. Und jetzt steht man auf, um 6 Uhr 30, steigt in den Bus und rauf auf die Piste.“ Bernhard Braunstein war es wichtig, dass er von der Schulleitung freie Hand beim Filmen bekam. Das spürt man in „Stams“, dem Film, auch: „Kaderschmiede“ – das Wort hat durchaus etwas Gewalttätiges an sich. Der Film stellt sich derartiger Ambivalenz. Und die jungen Leute darin, die meist nicht im Spitzensport Fuß fassen konnten, äußern sich überraschend reflektiert zu den Höhen und Tiefen der Institution. Beeindruckend.

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