Szenen einer turbulenten Ehe

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Ausgiebig gewürdigt werden Leben und Werk des Schriftstellers Victor Adelman (Nicolas Bedos) bei seiner Beerdigung, doch ein junger Autor möchte wissen, wie seine Witwe Sarah (Doria Tillier) den Verstorbenen sieht. Diese gibt ihm bereitwillig ein Interview und bietet in Rückblenden Einblick in die langjährige Beziehung.

Vorgegeben ist damit die Erzählperspektive. Leichthändig kann Sarah, die sich kein Blatt vor den Mund nimmt, mit ihrem Voiceover Ereignisse zusammenfassen oder Jahre überspringen. Schwung und Esprit gewinnt diese Dramödie schon durch diese unbekümmerte und freche Erzählweise. Chronologisch spannt die Witwe den Bogen vom ersten Kennenlernen 1971 bis zum Tod Victors im Jahre 2016. Großartiges haben hier einerseits die Maskenbildner geleistet, die die Schauspieler sukzessive altern lassen, andererseits aber auch Kostümbildner und Ausstatter, die in die Stimmung der Zeit eintauchen lassen. Gekonnt strukturiert der 38-jährige Nicolas Bedos zudem die Handlung durch Gliederung in Kapitel. Mit Inserts von Jahreszahlen, deren knallbunte Farben ebenso wie die sehr bewegliche Kamera die Leidenschaft und Energie der Jugend vermitteln, verankert Bedos sein Regiedebüt historisch ebenso wie mit Radioberichten zu Entwicklungen in der französischen Innenpolitik. Nicht weiter entwickelt wird dieser politische Hintergrund freilich, denn der Fokus liegt ganz auf der Paarbeziehung. Auf den Leib geschrieben hat der Theaterregisseur, Schriftsteller und Schauspieler sich und Doria Tillier, die auch im Leben seine Partnerin ist, die beiden Hauptrollen. Hinreißend harmonieren sie als Victor und Sarah, den Ton gibt freilich eindeutig sie an. Für die Literaturstudentin war Victor, als sie ihn in einem schummrigen Pariser Nachtclub erblickte, auf den ersten Blick die große Liebe. Der erfolglose Schriftsteller zeigte dagegen zunächst kein Interesse. Vor Einfallsreichtum und Witz sprühen nicht nur die Szenen, in denen Sarah versucht, Victors Eifersucht zu erregen und sein Herz zu erobern, sondern beispielsweise auch die Vorstellung der großbürgerlichen Familie Victors und die der jüdischen Sarahs.

Der schriftstellerische Erfolg stellt sich für Victor erst ein, als er in seinen Büchern die Geschichten beider Familien zu verarbeiten beginnt, doch auf die Beziehung wirkt sich der Wohlstand ebenso negativ aus wie die Geburt eines behinderten Kindes. Bei allem Drama bleibt der Grundton aber immer komödiantisch. Verstörend wirkt dies, wenn mit lockerer Hand erzählt wird, wie die privaten Enthüllungen in einem Buch Victors zu einem Selbstmord führen oder das behinderte Kind von den Eltern zunehmend abgelehnt wird. So schroff und brutal dieser Liebesfilm, der auch eine Reflexion über die Wurzeln von Kreativität ist, in diesen Szenen wirkt, so ehrlich ist er hier gleichzeitig. Das Herz jedenfalls wird man an dieses Paar spätestens verlieren, wenn Victor versucht, nachdem er Sarah an einen anderen Mann verloren hat, diese Liebe seines Lebens zurückzuerobern.

Die Poesie der Liebe (Monsieur &Madame Adelman) F 2017. Regie: Nicolas Bedos. Mit Doria Tillier, Nicolas Bedos. Polyfilm. 115 Min. Ab 21.12.

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