Vexierspiel nach Vorlage von Jörg Kalt

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Ein Paar aus Wien

Philipp Hochmair und Birgit Minichmayr (li.o.) verwirren einander und die Zuschauer mehr und mehr.

Schon vor elf Jahren schrieb der Österreicher Jörg Kalt das Drehbuch zu "Tiere". Nach "Richtung Zukunft durch die Nacht" und "Crash Test Dummies" sollte dies sein dritter Film werden, doch im Juli 2007 beging der in Paris geborene Filmemacher im Alter von 40 Jahren Selbstmord.

Der in der Schweiz lebende Pole Greg Zglinski hatte schon damals als Mitglied der Filmkommission der Zürcher Filmstiftung das Drehbuch gelesen und war so begeistert, dass er Jahre später beschloss, es zu überarbeiten und zu verfilmen.

Im Mittelpunkt steht das Wiener Paar Nick (Philipp Hochmair) und Anna (Birgit Minichmayr). Während er als Koch in einem Nobelrestaurant arbeitet, schrieb sie bislang Kinderbücher und will jetzt einen Roman für Erwachsene schreiben, in dem eine Frau ihren Mann umbringt. Dissonanzen in der Beziehung kann schon die Exposition andeuten, in der der Schnitt das Paar konsequent trennt, Nick bei der Arbeit und Anna in der Badewanne zeigt.

Verunsicherung des Zuschauers

Völlig losgelöst von diesem Auftakt stürzt in der nächsten Einstellung eine Frau in rotem Kleid aus einem Fenster. Doch auf der Straße darunter, sieht man danach keine Leiche. - War dieser Sturz oder Selbstmord nur ein Traum oder eine Imagination -und wenn ja, von wem?

Von Anfang an verunsichert Zglinski in seinem ersten auf Deutsch gedrehten Film so den Zuschauer. Auf der einen Seite erzählt er zwar linear und klar, wie Nick und Anna eine Auszeit nehmen und sich für ein halbes Jahr auf eine Berghütte in der Westschweiz zurückziehen, verschränkt diesen Aufenthalt aber mit Ereignissen in der Wiener Wohnung, in der sich rätselhafte Dinge abspielen und in der es ebenso wie in der Berghütte eine verschlossene Tür gibt.

Die titelgebenden Tiere kommen erstmals ins Spiel, als Nick und Anna bei ihrer Fahrt in die Schweiz ein Schaf überfahren und Anna aufgrund des Unfalls - scheinbar nur kurz -ins Krankenhaus eingeliefert wird. Wenig später verirrt sich auch ein Vogel in die Hütte und fliegt dort in scheinbar selbstmörderischerer Absicht gegen die Küchenwand.

Auch eine schwarze Katze, die sprechen kann, wird auftauchen und Annas Verdacht bezüglich Nicks Untreue bestätigen. Denn dieser scheint nicht nur in Wien eine Affäre mit seiner Nachbarin (Mona Petri) gehabt zu haben, sondern auch nun in der Schweiz sich heimlich mit einer jungen Frau zu treffen, die genau gleich aussieht wie die Wiener Geliebte.

Während Nick als Koch in einem Nobelrestaurant arbeitet, schrieb Anna bislang Kinderbücher und will jetzt einen Roman für Erwachsene schreiben, in dem eine Frau ihren Mann umbringt.

Raffinierte Konstruktion

Sukzessive steigert Zglinski die Irritationen, verstrickt den Zuschauer immer mehr in Rätsel und zieht ihm den Boden unter den Füßen weg. Wie David Lynch in "Lost Highway" oder "Mulholland Drive" spielt er mit Verdoppelungen und Zeitschleifen, wenn spätere Ereignisse vorweggenommen werden, wechselt immer wieder die Perspektive und wirft so Fragen nach der Zuverlässigkeit der Wahrnehmung, nach Realität und Imagination auf.

Gleichzeitig kann man "Tiere" aber auch als Film über die nicht funktionierende Kommunikation zwischen Mann und Frau lesen: Denn Nick und Anna reden hier im wahrsten Sinne des Wortes immer wieder aneinander vorbei und verstehen sich nicht.

So sehr dieser vertrackte Mix aus Beziehungsdrama und Psychothriller, der teilweise auch wie eine Fingerübung und ein Versuch in filmischem Erzählen wirkt, den Zuschauer verärgern kann, so kann man sich andererseits, wenn man sich auf dieses Vexierspiel einlässt, doch auch über 90 Minuten gut unterhalten. Denn durch die raffinierte Konstruktion und dank des starken Spiels von Birgit Minichmayr und Philipp Hochmair hält Zglinski die Spannung hoch, bietet am Schluss auch eine mögliche Erklärung, lässt aber auch Verunsicherung und Rätsel zurück.

Tiere CH/A/PL 2017. Regie: Greg Zglinski. Mit Birgit Minichmayr, Philipp Hochmair, Mona Petri. Polyfilm. 94 Min.

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