Wenn der Vater mit dem Sohne

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Nun kommt auch der zweite jugendliche Charakterdarsteller Hollywoods, Timothée Chalamet, mit einem Kampf-gegen-Drogensucht-Film in die Kinos. Nach "Ben is Back", wo Lucas Hedges grandios einen Süchtigen auf dem Weg gen Leben mimt (vgl. FURCHE 2/2019), versucht sich dessen Konkurrent um Oscar-Nomierungen in "Beautiful Boy" an Nämlichem. Auch die Plots der beiden Filme ähneln einander - durfte in dem einen Julia Roberts als verzweifelte Mutter um den Sohn kämpfen, kann nun Steve Carell zeigen, was er als Filmvater drauf hat.

"Beautiful Boy" ist die Adaption der Autobiografien von Starjournalist David Sheff und Nic Sheff, in den Vater und Sohn jeweils aus ihrer Perspektive den Kampf wider die Drogensucht von Nic erzählen: Der belgische Regisseur Felix van Groeningen ("The Broken Circle", 2012) setzt das Ganze in seinem ersten Hollywoodfilm in Szene - es ist ein eindrucksvolles Opus geworden. Das liegt vor allem an den beiden Protagonisten, die von Carrell (Vater) und Chalamet (Sohn) dargestellt werden. Was "Beautiful Boy" gegenüber "Ben is Back" ein wenig ins Hintertreffen geraten lässt, ist aber seine völlige Auslieferung an die Ansiedlung im weißen Vorstadtmilieu, der er auch die Darstellung der Crystal-Meth-Sucht, um die es hier geht, für ein bildungsbürgerliches Kinopublikum unterordnet.

Andererseits muss man van Groeningen schon zugute halten, dass er keinen Zweifel an der Ausweglosigkeit lässt, in der Leute wie Nic Sheff, aber auch Vater David geraten, wenn sie mit der Sucht und ihren Folgen fertig werden wollen. Schon allein die Tatsache, dass die Realität solcher Konfliktlage in "Beautiful Boy" derart plastisch wird, macht dieses Biopic zu einem Filmerlebnis. Groeningen verkneift sich also eine allzu drastische Darstellung der Sucht, die körperliche Hinfälligkeit, die zerstochenen Arme usw. werden gerade so plastisch dargestellt, dass es nicht gar zu grauslich wirkt.

Umso mehr sind Steve Carell und natürlich Timothée Chalamet gefordert, dem zu schönen Realismus durch ihre Darstellung jene Brutalität zu verleihen, die in diesem Setting nötig ist: Immer wieder gibt es in Süchtigen-Biografien einen Schimmer Hoffnung, die immer wieder brutal enttäuscht wird. Gerade Jung-Star Chalamet beweist hier einmal mehr, dass er imstande ist, die abgründigsten Abgründe seiner Figur erlebbar zu machen und gleichzeitig jene verzweifelte Leidenschaft auf die Kinoleinwand zu zaubern, die am Anfang der unwahrscheinlichen Rückkehr ins Leben steht. Und diese wird gelingen: Das ergibt sich schon aus der Tatsache, dass "Beautiful Boy" eben auf den biografischen Erzählungen der Sheffs beruht. Sohn Nic war zu Filmende acht Jahre clean - das ist der Hoffnungsschimmer, zu dem sich der außergewöhnliche Plot weitet.

Nachdem Timothée Chalamet vor Jahresfrist als Toyboy eines US-Studenten auf Sommerfrische in der Toskana ("Call Me By Your Name") eine ob seiner Jugend erstaunliche Oscar-Nominierung einheimsen konnte, überraschte es nicht, dass er dies bei "Beautiful Boy" nun bei den Golden Globes (diesmal für den Nebendarsteller-Preis 2019) wiederholen konnte. Eine außerordentlich reife Leistung des 23-Jährigen, der eben nicht nur als erotischer unbedarfter Gespiele, sondern auch als vom Leben völlig zerstörter Junkie reüssieren kann.

Beautiful Boy USA 2018. Regie: Felix van Groeningen. Mit Timothée Chalamet, Steve Carell, Amy Ryan, Maura Tierney. Filmladen. 121 Min.

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