Whos afraid of Alice Miller - Filmszene - © Filmdelights

„Who’s afraid of Alice Miller?“ – Berühmte Rabenmutter?

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Alice Miller gilt als Vorkämpferin gegen die „Schwarze Pädagogik“. Sie selber konnte über ihre eigenen Traumatisierungen durch die Schoa aber nicht sprechen.

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Alice Miller gilt als Vorkämpferin gegen die „Schwarze Pädagogik“. Sie selber konnte über ihre eigenen Traumatisierungen durch die Schoa aber nicht sprechen.

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Die Psychoanalytikerin und Kindheitsforscherin Alice Miller hat sich zeitlebens für das „missachtete Kind“ eingesetzt, das sie aus „seiner Isolierung, Einsamkeit und Sprachlosigkeit“ befreien wollte.

Nach ihrem Tod machte ihr Sohn Martin, selbst Psychotherapeut, auf die Diskrepanz von Leben und Werk aufmerksam. In seinem Erlebnisbericht „Das wahre ‚Drama des begabten Kindes‘“ (2013) beschrieb er Alice als Rabenmutter, bewahrte aber zugleich ihren Ruf, indem er ihre Unzulänglichkeiten auf die unverarbeitete Vergangenheit zurückführte.

Familiengeschichte erforscht

Daniel Howalds Dokumentarfilm „Who’s afraid of Alice Miller?“ stellt zentrale Momente von Martins Durcharbeiten seines Konfliktes und seiner Erforschung der eigenen Familiengeschichte nach. Zur Seite steht ihm die in die USA emigrierte Cousine der Mutter, die Psychotherapeutin Irenka Taurek. Sie repräsentiert die von Alice Miller ausgesparte Welt ihrer jüdischen Herkunft.

Als 16-Jährige floh Alice aus dem Warschauer Getto und überlebte im Untergrund. Sohn und Cousine reisen gemeinsam nach Polen, besuchen Orte der Kindheit und Jugend, Archive und „wissende Zeugen“, wie Alice Menschen nannte, die mit dem misshandelten Kind die „entscheidenden Schritte zur Wahrheit gehen“.

Obschon der Film Martins ‚Wahrheitssuche‘ überzeugend rekonstruiert, wirken sein Deutungsmonismus und das gezeigte ‚Leiden‘ des 1950 geborenen Therapeuten an seiner Mutter zuweilen befremdlich. Der Zuschauende fragt sich zudem, ob das Veröffentlichen der Fakten und der Gestus der Interpretationshoheit nicht ebenso Grenzverletzungen des Sohnes darstellen – das Eindringen in den persönlichen Raum ist für Traumatisierung kennzeichnend.

Schwerwiegende Fehlstelle

Die Mutter wollte auf diese Erlebnisse nicht angesprochen werden. Das wird aber von dem Film hinsichtlich seines Vorgehens nicht problematisiert. In ihren Studien konzentrierte sich Alice auf die frühkindliche Traumatisierung und die „Schwarze Pädagogik“, deren Folgen sie in „Abbruch der Schweigemauer“ bei sich selbst konstatierte.

Hätte der Respekt vor der Selbstbestimmung nicht erfordert, dass der Film Alice Millers eigene Rekonstruktion ihrer Traumatisierung einbezieht in seine Argumentation von extremer Erschütterung durch Holocaust und Krieg?

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