Herbert Lackners Flucht-Trilogie: Unwillkommene Heimkehr
Der Politikwissenschafter und Journalist Herbert Lackner stellt im letzten Band seiner Flucht-Trilogie dem „Geist von 1945“ kein gutes Zeugnis aus. Ein Beitrag zur politischen Hygiene Österreichs.
Der Politikwissenschafter und Journalist Herbert Lackner stellt im letzten Band seiner Flucht-Trilogie dem „Geist von 1945“ kein gutes Zeugnis aus. Ein Beitrag zur politischen Hygiene Österreichs.
„Wir sind die Partei der Breitner- und Tandler-Politik im Roten Wien: Wir wollen ihre Grundsätze auf Österreich übertragen“, schrieb die Arbeiter-Zeitung stolz am 14. Oktober 1945 im Vorfeld der ersten Nationalratswahlen nach dem Zweiten Weltkrieg vom 25. November. Hugo Breitner hatte als Finanzstadtrat mit der Wiener Wohnbausteuer die Voraussetzungen für die Errichtung der Wiener Gemeindebauten geschaffen. Doch Österreichs Sozialdemokraten verehrten ihn lieber aus der Ferne. Er ist nur einer der vielen, deren Schicksale Herbert Lackner in seinem Buch „Rückkehr in die fremde Heimat – Die vertriebenen Dichter und Denker und die ernüchternde Nachkriegs-Wirklichkeit“ nachzeichnet.
Das Buch ist der dritte und letzte Band seiner Flucht-Trilogie und politisch der brisanteste. Denn vertrieben – und wenn sie nicht gingen, ermordet – wurden die Juden zwar von den Nazis, doch dafür, dass sich die Heimat den Rückkehrern noch viel fremder zeigte, als nach der jahrelangen Abwesenheit unvermeidbar war, sorgten nicht die Nazis, sondern die befreiten, angeblich jeglichem Nazigeist immer schon abholden Österreicher, die nicht nur keine Antisemiten mehr, sondern auch nie welche gewesen sein wollten.
Im Dienste des Sozialismus
Hugo Breitner, der höchstrangige der noch lebenden emigrierten SPÖ-Politiker neben Julius Deutsch, hatte bereits kurz nach der Befreiung, noch im Mai 1945, an die Parteiführung geschrieben, „er wolle keinen Titel und keinen Posten. Als ,Berater für Fachfragen wirtschaftlicher und finanzieller Natur‘ könne er aber gute Dienste leisten: ,Ich will einfach den Rest meines Lebens im Dienste des Sozialismus verbrauchen.‘“ Doch Staatskanzler Karl Renner hatte ihm so hinhaltend geantwortet, dass Breitner nur resigniert feststellen konnte: „Wie aus Renners Brief hervorgeht, besteht nicht die Absicht, meine Rückreise durch irgendeine Einwirkung zu ermöglichen.“
Am 3. März 1946 erinnerte die Arbeiter-Zeitung wieder einmal an die „Seitz und Breitner ... Tandler und Glöckel“. Der von den Nazis inhaftierte Karl Seitz war längst wieder in Wien, Julius Tandler und Otto Glöckel waren tot, zwei Tage nach der letzten Erwähnung seines Namens in der Arbeiter-Zeitung, am 5. März, starb, 73 Jahre alt, auch Breitner in Claremont, USA – fern der Heimat, die stolz auf ihn war, deren Mächtige aber nichts für seine Heimkehr hatten tun wollen.
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