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Erich Populorum kennt 3000 Leute, die entgegen aller Wahrscheinlichkeit mit Glücksspiel reich wurden.

Wenn Erich Populorum beruflich an Türen klingelt, wohnt dahinter jemand, der viel Glück gehabt hat. Denn Populorum ist der Großgewinnbetreuer der Österreichischen Lotterien. Ab einem Gewinn von 80.000 Euro besucht er die Gewinner und hilft ihnen über den ersten Schreck hinweg. "Glücksschock" nennt er diesen Zustand, in dem er schon viele Menschen erlebt hat. Denn Appetit- und Schlaflosigkeit seien häufige Reaktionen der Gewinner. "Diese Unruhe dauert aber meist nur solange, bis man sich entschieden hat, wie es nun weitergehen soll", erzählt Populorum. Wenn erst einmal klar sei, was mit dem Geld passiert, beruhige sich alles wieder.

Nein, kein Glücksbote

Bei der Klärung dieser Frage zu helfen, ist daher Sache des - ja, was eigentlich? Kann man ihn denn als Glücksboten bezeichnen? Nein, sagt er, als solchen sehe er sich nicht. Zwar betitelten ihn die Medien gerne so, weil es nett klinge und "ihnen bisher nichts Besseres eingefallen ist". Aber seine Aufgabe sei es ja nicht, die freudige Nachricht zu überbringen. "Da anonym gespielt wird, müssen sich die Leute ja zuerst bei uns melden, sie müssen also schon selbst zumindest vermuten, dass sie gewonnen haben."

Früher, vor 1992, hätte die Bezeichnung besser gepasst. Bis dahin wurde nämlich auf dem Gewinnschein noch Name und Adresse angegeben. Damals kam Populorum mitunter auch zu Leuten, die von ihrem großen Glück noch nichts wussten und bekam so auch die allererste Reaktion auf den Geldsegen unmittelbar mit. "Einmal kam ich unangemeldet zu einer Dame, da sie kein Telefon hatte", erzählt er. Sie hatte eine Million Schilling gewonnen. Ihre Reaktion auf die Nachricht: "Sie rief völlig erschrocken: Nein, das Geld will ich nicht haben!'" Sie sei wohl noch vom alten Schlag, gewesen, meint er, und habe zwar einerseits vom großen Geld geträumt, es aber andererseits unmoralisch gefunden, so einfach ohne Arbeit dazu zu kommen. Populorum lacht. "Ich konnte sie dann aber doch davon überzeugen, das Geld anzunehmen."

Heute meldet sich also der Gewinner bei ihm und nicht umgekehrt. Sobald der Anruf kommt und sich bestätigt, dass es sich tatsächlich um einen Großgewinner handelt, macht sich derBerater aber auf den Weg. Die erste Aufgabe ist es dann, den Gewinnschein in das Haus der Österreichischen Lotterien im dritten Wiener Gemeindebezirk zu bringen. "Wir raten ab, den Schein mit der Post zu schicken, denn da könnte er verloren gehen." Dann geht es natürlich auch darum zu klären, wie der Gewinner zu seinem Geld kommt. "In kleinen Gemeinden, ist es nicht sinnvoll, den gesamten Betrag zur örtlichen Sparkasse überweisen zu lassen. Die Überweisung könnte sich herumsprechen", sagt der Berater. Besser sei es, bei einer Bank in der nächsten größeren Stadt ein Konto zu eröffnen und dort auch Anlageberatung in Anspruch zu nehmen. Das macht Populorum nämlich nicht.

Nicht auf die Bank im Dorf

Dafür hilft er aber weiter, wenn es darum geht, Freunden und Bekannten den Gewinn zu verheimlichen oder offenzulegen. "In der Regel rate ich, nur von einem Teil der Summe zu erzählen." Verschweige man den Gewinn völlig, könne man sich nichts Besonderes leisten, ohne die Gerüchteküche zum Brodeln zu bringen. Und die Gefahr, sich irgendwann doch zu verplappern, sei groß. Erzähle man hingegen von der gesamten Gewinnhöhe, würden Neid und Betteleien nicht ausbleiben und es werde sehr schwierig, echte von falschen Freunden zu unterscheiden. Am besten sei es daher in der Regel, sich genau zu überlegen, welchen Teil des Geldes man ausgeben wolle und nur von dieser Summe zu erzählen. "Ich denke, in diesem Fall ist eine kleine Notlüge vertretbar", meint Populorum schmunzelnd.

Damit diese Entscheidung - offenlegen oder geheimhalten - aber wirklich jedem persönlich überlassen bleibt, trifft auch der Großgewinnbetreuer selbst Vorkehrungen. Es gibt keine veröffentlichten Fotos oder Filmaufnahmen von ihm. Sonst würden ihn möglicherweise die Nachbarn der besuchten Glückspilze erkennen. Sogar seine Visitenkarte zeugt von Diskretion. "Recht" ist alles, was sie über seinen Zuständigkeitsbereich verrät.

Anonym wie ein Agent

Die Wahrscheinlichkeit, auf einem Gewinnfeld die sechs Richtigen anzukreuzen, liegt übrigens bei eins zu 8.145.060. Trotzdem spielt auch Erich Populorum Lotto. Es nicht zu tun, fände er "verwegen", sagt er. "Schließlich weiß ich aufgrund meines Berufes am besten, dass man gewinnen kann." Rund 3.000 Leute hat er bisher kennen gelernt, die zu den Großgewinnern zählen. Zehn davon haben sogar schon zweimal gewonnen. Fünf Millionen Tipps werden in einer Normalrunde abgegeben, bei Einfach- oder Mehrfachjackpots deutlich mehr. Dabei verlässt sich die Mehrzahl der Teilnehmer auf ihre eigene Intuition: Nur rund 35 Prozent der Lottospieler ordern in der Trafik oder beim Online-Spiel einen "Quicktipp", lassen sich also ihren Gewinnschein per computergesteuertem Zufallsgenerator ausfüllen. "Und natürlich folgt die Gewinnverteilung der Wahrscheinlichkeitsrechnung: Etwa ein Drittel der Gewinne fällt auf Quick-Tipps", sagt Populorum. Der größte Gewinn, der bisher an einen einzelnen Spieler ging, betrug 7,2 Millionen Euro - steuerfrei, wie alle Lottogewinne. Auch heuer durfte sich schon ein einzelner Gewinner über eine enorme Summe freuen: Fünf Millionen Euro wanderten nach seinen sechs Richtigen Ende April auf das Konto eines Innviertlers.

Zahlen-Träumereien

Wie das Leben nach einem großen Gewinn weitergeht, lässt sich natürlich nicht allgemein beantworten. Eine Gemeinsamkeit haben aber die meisten Gewinner: Es ändert sich weniger als gedacht. "Viele sagen ja, sie würden bei einem großen Gewinn sofort ihren Job aufgeben", sagt er Berater. "Aber sehr wenigsten tun es wirklich, die meisten leben einfach in ein bisschen mehr Luxus, gönnen sich mehr und haben mehr finanzielle Sicherheit als vorher."

Ab und zu erzählen die Gewinnern Populorum, wie sie zu den Zahlen gekommen sind, die schließlich zum großen Geld geführt haben. Manchmal sind es auch recht mystische Geschichten. Ein Manager berichtete ihm, er habe von einem Muster auf einem Lottoschein geträumt. Er hatte noch nie Lotto gespielt - wegen der geringen Gewinnwahrscheinlichkeit. Aber seine Frau überredete ihn, es zu versuchen. Da er sich nur an das Muster und nicht an die genauen Zahlen erinnern konnte, spielte er fünf Tipps. Er hatte damit einen Sechser, einen Fünfer und drei Vierer. Seine Reaktion: "Ich spiele nie wieder, das ist mir unheimlich."

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