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10. Oktober für alle

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Es war wie ein erster Lichtstrahl in einer dunklen Nacht, dieser 10. Oktober 1920 ... Nun erst, zwei Jahre, nachdem der große Krieg zu Ende gegangen und das alte Reich zusammengebrochen war, begann man das Ausmaß dessen zu ahnen, was der verlorene Krieg für das zerrissene Vaterland, für den Rest, der Österreich hieß, an Elend und Not, an Leid und Trauer bringen würde. — Was einst ein Organismus war voll von pulsierendem Leben, lag nun zerstückelt da, Blutbahnen der Wirtschaft waren zerschnitten, die Währung stürzte ins Bodenlose. Die böhmischen Randgebiete, die sich 1918 zu dem neuen Staat Deutsch-Österreich bekannt hatten, waren der Tschechoslowakei einverleibt worden, die ganze Untersteiermark war verlorengegangen und Tirol südlich des Brenners mußte an Italien abgetreten werden. Und in Südkärnten standen Truppen des neuen SHS-Staates. Kann es uns heute wundern, daß dieses Volk an sich und seiner Zukunft verzweifelte und in einer „Selbstentleibung“ in der Aufgabe seiner staatlichen Existenz, in einem „Anschluß“ den einzigen Ausweg sah? Und in dieser Nacht gab es nun auf einmal ein Licht. In einet Abstimmung unter internationaler Kontrolle hatte sich Südkärnten für den Verbleib bei Österreich entschieden.

Daß es überhaupt zu dieser Abstimmung kommen konnte, war dem Mut weniger tausend l Kärntner zu verdanken, Arbeitern, Bauern, Bürgern, die sich den über die Karawanken gekommenen südslawischen Truppen entgegenstellten. Der Abwehrkampf der Kärntner machte die Welt erst aufmerksam, daß hier ein Volk gewillt war, sich seine Heimat nicht zerstückeln zu lassen, dieser Abwehrkampf erst bot der österreichischen Regierung die Möglichkeit, auf einer Volksabstimmung zu bestehen. Die Bewohner Südkärntens, die sich mit dem Stimmzettel zu Österreich bekannten, waren zu einem, nicht geringen Teil Kärntner Slowenen. Es war für sie keine nationale Abstimmung, sie haben sich nicht zum Deutschtum und gegen das Slawentum bekannt, auch nicht für die Republik und gegen das Königtum der Südslawen — es waren Kärntner, die ihre Heimat nicht willkürlich zerrissen sehen wollten und die darauf vertrauten, daß auch das kleine Österreich seinen Mitbürgern slawischer Zunge ein Vaterland sein werde, wie es das große Österreich durch Jahrhunderte war. Hat man das Bekenntnis der Kärntner Slowenen zu Österreich immer gewürdigt? An den Feiern des 10. Oktober werden sich viele ihre Hände wärmen. Man braucht nur die Liste jener Organisationen durchzugehen, die sich in Kärnten an diesem Feiertag des Landes geschäftig tummeln, um mit Trauer und Befremden zu erkennen, wofür alles dieser österreichische Gedenktag herhalten muß.

Wo stehen die Kärntner Slowenen an diesem Tag, der auch ein Tag der Dankbarkeit fjir ihre Treue sein soll? Verbittert, verdrängt, abseits?, „Kärnten ist eins“, heißt es in einem der schönsten Kärntner Lieder, es ist das Kärnten aller Kärntner, jener großen Mehrheit, die deutsch spricht und die sich vor 40 Jahren mit der Waffe die Freiheit der Heimat erhalten hat, aber auch jener nur noch wenigen Tausend, die slowenisch sprechen, und auch jener, dje in beiden Sprachen reden und die in beiden Sprachen nur eines bleiben wollen: Kärntner. Der 10. Oktober sollte für alle ein Festtag sein und ein Tag der freudigen Gewißheit, daß ihre Väter richtig gehandelt haben, als sie sich vor 40 Jahren für Österreich entschieden.

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