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Konrad P. Liessmanns "Theorie der Unbildung" und die Irrtümer der Wissensgesellschaft.

Theorie der Unbildung. Die Irrtümer der Wissensgesellschaft nennt der bekannte Philosoph und Kulturpublizist Konrad P. Liessmann sein allerneuestes Buch, welches eben bei Zsolnay erschienen ist. Vorweg darf gesagt werden, dass dem Buch zu wünschen ist, dass es ein Bestseller wird. Vermutlich wird es das auch werden.

Ob es von allen Käufern auch mit Genuss gelesen wird, bleibt allerdings dahingestellt. Voraussetzung für eine verstehende und gerade darin auch vergnügliche Lektüre des knapp 180 Seiten umfassenden Bandes bleibt nämlich, dass der Leser zumindest ansatzweise noch an dem partizipiert, was man üblicherweise klassische Bildung nennt. Diese nämlich liefert die Perspektive, aus der heraus der Autor in neun Kapiteln seine fulminante Abrechnung mit der Bildungspolitik und dem herrschenden bildungspolitischen Diskurs betreibt. Es versteht sich von selbst, dass es dabei weder um Namen noch um politische Lager geht. Denn die Irrtümer der Wissensgesellschaft finden sich allerorten.

Die Zeitgenossen, die mit diesem Buch keine Freude haben werden, seien gleichwohl kurz charakterisiert: Da sind z.B. die Apologeten der Wissensgesellschaft, welche vermutlich vor allem eines nicht wissen, nämlich was Wissen ist. "Angesichts der unendlichen Datenströme der Informationsmedien trösten wir uns gerne mit dem Satz, dass es nicht darauf ankomme, etwas zu wissen, sondern darauf, zu wissen, wo wir das Wissen finden. Wissen in der Wissensgesellschaft ist ausgelagertes Wissen. Aber: Wissen lässt sich nicht auslagern ... Das Wissen ist, solange es keine anderen intelligiblen Akteure auf dieser Welt als Menschen gibt, bei diesen."

Reine, leere Lernbewegung

Da sind aber auch die Lehrer und Lehrerinnen, die gerade in diversen Fortbildungsveranstaltungen "lernen, wie man lernt zu lehren, lebenslang zu lernen. Solche Ideologie der reinen, leeren Lernbewegung ist auch Ausdruck einer fundamentalen Unfähigkeit, überhaupt noch angeben zu können, was denn nun eigentlich gelernt werden soll ... An manchen Schulen ist ,Motivation' schon zum Unterrichtsgegenstand geworden ... Erschreckend an solchen Konzeptionen ist, dass dieser praktisch pädagogische Nihilismus niemanden mehr erschreckt."

Indigniert von der Lektüre des Buches dürften auch die Angehörigen einer seit einigen Jahren boomenden Branche der Wissensindustrie reagieren, nämlich die so genannten Qualitätsmanager, Evaluationsexperten, Akkreditierungsprofis und andere Bildungsbilanzbuchhalter. Liessmann erläutert hier auch en passant, warum sich kaum jemand gegen deren illustres Treiben stellt, warum hier alle - die meisten wohl zähneknirschend, andere wiederum durchaus freudig - mitmachen. Ob Evaluation, Qualitätssicherung, Effizienz oder Wettbewerb, "alle diese Begriffe gehorchen dem Prinzip der performativen Selbstimmunisierung. Wer Evaluation, Qualitätssicherung oder Internationalisierung sagt, hat immer schon gewonnen, da diese Begriffe ihre Negation nur um den Preis der Selbstbeschädigung zulassen. Denn natürlich will niemand in den Verdacht geraten, Leistungen nicht messen zu wollen, der Qualität kein Auge zu schenken, sich dem Wettbewerb nicht zu stellen ..."

Anbeten der Ranglisten

Apropos Wettbewerb: Selbstverständlich gibt es in diesem Buch auch ein Kapitel zu PISA und den wahrscheinlichen Folgen dieses von der OECD inaugurierten internationalen Schulleistungsspektakels. Lange Jahre wusste in diesem Lande, welches sich natürlich als Teil der globalisierten Wissensgesellschaft versteht, offensichtlich niemand, worum es in Bildungsinstitutionen eigentlich geht und gehen sollte. Nun "wissen" es alle wieder. Die OECD hat es ihnen gesagt. Was konservative Pädagogen nur mehr hinter vorgehaltener Hand zu äußern wagten, ist nun nach ein, zwei Tests wieder in, z.B. die Fähigkeit, einen komplexeren Text verstehend zu lesen. Was bildungsphilosophische Argumente nicht schafften, schafft der Test, schafft die Rangliste, schaffen Ehrgeiz und wohl auch die Angst. "Erschütternder als die Ergebnisse von PISA ist" - so Liessmann - "die Gläubigkeit, mit der Rankings angebetet werden ... Der Schock über die vermeintliche Bildungskatastrophe speist sich aus dem Ungeist der Sportberichterstattung und bestätigt so das, was er beklagt".

Kurzum: Was Liessmann mit seiner Theorie der Unbildung liefert, ist kein einfacher Rundumschlag im Bildungsgewerbe, sondern eine sorgfältig geführte Bilanz bezüglich der Bildung unserer Bildungsmacher. Dass er im Kapitel über "Bildung, Halbbildung und Unbildung" auch die Kriterien seiner Kritik offen legt, ist nicht bloß wissenschaftlich redlich. Man erfährt hier, wieso auch 200 Jahre nach Humboldt und 50 Jahre nach Adorno auf den klassischen Bildungsbegriff nicht zu verzichten ist.

Theorie der Unbildung

Die Irrtümer der Wissensgesellschaft

Von Konrad P. Liessmann

Zsolnay Verlag, Wien 2006

174 Seiten, geb., e 18,40

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