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„Albert Herring“ und Ungarisches Orchester

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Die „Deutsche G a s t s p i e 1 o p e r“, ein junges Unternehmen junger Sänger und Musiker, führte in der Volksoper „Albert Herring“ von Benjamin Britten auf, eine Kammeroper, die 1947 für das Wandertheater der „English-Opera-Group“ geschrieben, den Gegebenheiten eines reisenden Ensembles Rechnung trägt und sich dabei als ein frisches, unbeschwertes und wirklich lustiges Singspiel von apartem Reiz präsentiert. Ein Dutzend Solisten im Orchester, ein Dutzend Sänger auf der Bühne (genau gezählt sind es oben und unten 13) machen eine Musik, die allen Extremen aus dem Weg geht, aber (und vielleich grad deshalb) voller Einfälle und Können ist, so daß sie auch mit ihrer verhältnismäßig dünnen Substanz auskommt. Kanon, Fuge, Ostinato und andere komplizierte Formen bieten sich in so spielerisch leichter Natürlichkeit an, daß man unwillkürlich nachdenkt, wie lange man so was nicht gehört hat, noch dazu in so unverkennbar nobler persönlicher Handschrift. Das große Publikum vermißt vielleicht den großen Schlager, das derbere Zupacken, den gröberen Humor; Dinge, die das Operchen zur Operette machen würden und deren Vermeidung zu Brittens Haltung und Geschmack gehört. Immerhin bewies der große Erfolg die Fähigkeit der Zuhörer, auch Feineres, Verhalteneres voll zu würdigen. Der Inhalt (an Stelle einer Maienkönigin wird ein Junge, der für tugendhafter als die Mädchen gilt, zum Maienkönig gewählt; aber durch einen kräftigen Schluck Rum erwacht er zum Mann und verliert den Tugendkranz, der auf einer Bahre hereingetragen wird) ist eine Satire auf das engstirnige Spießbürgertum, da immer noch (nicht nur in England) die Tugend und Moral gepachtet zu haben glaubt. Die Darstellung war, von einigen Steifheiten abgesehen, ausgezeichnet, die Stimmen vertrügen allesamt ergänzende Schulung, jedoch die Gesamtleistung bot erfreuliche Aspekte in Fülle und läßt den Wunsch nach Wiederbegegnung mit der „Deutschen Gastspielopet“ ebenso offen wie die Frage, warum etwa ein so volkstümliches Werk sich nicht längst im Repertoire unserer Volksoper befindet.

Das Ungarische Staatlich Symphonie o r ch e s t e r, der älteren Generation unter dem Namen „Budapester Philharmoniker“ noch in lebhafter Erinnerung, spielte unter seinem Dirigenten Janos Ferencsik das Divertimento für Streicher von Bela Bartök bei aller Exaktheit der Rhythmen von so blühendem Leben erfüllt und in so wechselnden Lichtern, daß einem warm wurde und man die linearen Probleme dieser Musik als ihrem Ausdruckswillen untergeordnet empfand. Eben weil jede Exzentrik vermieden und alles aus dem inneren Maß gestaltet wurde, wuchs das Werk über seine bescheidene Form hinaus. Ähnlich war die Wirkung der Symphonie classique, op. 25, von Serge Prokofi e f f, die eine überkommene Form mit spielerisch heiterem Inhalt füllte, aber voller persönlicher Einfälle von jugendlicher Frische zum Erlebnis unbekümmerten Musizierens eines Könners wurde. Eine ebenso exakte wie beschwingte Wiedergabe der VII. Symphonie von Beethoven schloß das Programm, dem als Draufgabe der Rakocsy-Marsch folgte, der die Zuhörer in Begeisterung versetzte als Symbol der Verbundenheit der Völker.

Zu Ehren des 60. Geburtstages von Johann Nepo-muk David veranstaltete die Wiener Konzerthausgesellschaft ein Festkonzert, dessen Programm die sechs Evangelienmotetten (Wiener Kammerchor unter Gillesberger), das Violinkonzert Nr. 2, op. 50 (Solist Lukas David, Volksopernorchester unter Thomas Christian David), und die symphonische Phantasie „Magische Quadrate“ umfaßte. Kompositorisch gesehen, schien uns das letztgenannte Werk den Höhepunkt zu bedeuten, in der Ausführung standen die Evangelienmotetten höher. David ist, ohne seine (etwas herbe und nie gefällige, aber stets ehrliche und ungebeugte) Eigenart aufzugeben, zu einem Universalstil durchgedrungen, der mit Ausnahme der Bühne so ziemlich alle Gebiete der Musik umfaßt. Unter den Komponisten der Gegenwart ist J; N. David eine der sympathischesten und aufrechtesten Erscheinungen.

In einem A-cappella-Konzert zeigte die Universitätssängerschaft „W a 11 h a r i a“ ihr erfreuliches Können. Neben altklassischen Motetten und Kanons gab es modern gesetzte Studentenlieder und Chöre zu fröhlichen Texten (Bauernfeind, Burkhart, Kubi-zek, Heiller, Doppelbauer), unter denen Anton Heillers „Nörgeln“, wohl das schwierigste der Chorlieder, am besten wiedergegeben wurde Abschließend holte sich die Sängerschaft — deren Stimmen noch kein vollendetes Ganzes, aber den richtigen Weg dahin zeigen — mit den „Catulli Carmina“ von Carl O r f f den stärksten Erfolg. Dem klugen und begabten jungen Dirigenten Roman Z e i 1 i n-g e r gebührt ein besonderes Lobeswort.

Das gebührt auch dem jungen Pianisten Hans P e t e r m a n d 1, der den Mut, das Können und die Demut hat, moderne Klaviermusik zu spielen. Hindemiths „Reihe kleiner Stücke“ und „Zweite Sonate“, Bartöks „Mikrokosmos“ (VI. Band) und Frank Martins „Acht Preludes“, letztere mit der stärksten inneren Erfülltheit, sicherten der unkomplizierten, mätzchenlosen und bescheidenen Art Petermandls einen verdienten Erfolg.

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