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Allein im All

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Die Landung ist geglückt: die beiden Astronauten White und McDi-vitt haben ihren Raumflug erfolgreich absolviert, wurden von einem Flugzeugträger aus dem Meer gefischt, haben mit ihrem Präsidenten telephoniert und sich dann endlich rasiert.

Wiederum wartete die Welt gespannt auf Nachrichten und Kommentare aus dem All. Und es waren spannungsreiche 98 Stunden, in denen die Erde 62mal umkreist wurde. Doch die Weltöffentlichkeit war dabei. Sie erfuhr alle Einzelheiten, alle Mißerfolge ebenso wie die manchmal scbuljungenhaft derben Witze der beiden Raumfahrer.

War der amerikanische Raumflug nur ein Erfolg? Bringt er der Weltraumforschung neue Ergebnisse? Die Auswertung aller gesammelten Messungen und Erfahrungen wird wahrscheinlich noch lange dauern und

einen großen Arbeitsstab In Anspruch nehmen. Und doch war- der geglückte Flug der „Gemini-4“-Kap-sel mehr als ein Routine-Experiment. Gewiß, einigermaßen spekulationsbegabte Autoren haben die Schilderung ähnlicher Experimente der Wirklichkeit schon längst vorweggenommen. Auch über die Rückstoßpistole, mit deren Hilfe sich der Astronaut im Weltraum fortbewegte, wissen Schulbuben, die statt Karl May heute „science fiction stories“ lesen, genug Bescheid. Die 62fache Erdumkreisung war vor allem natürlich dazu angetan, das geknickte amerikanische Selbstbewußtsein einigermaßen wieder aufzurichten. Und wer Zeuge der dramatischen Sendungen des Fernsehens war, wer das mühsam Freude und Stolz verbergende Telephongespräch Präsident Johnsons mit den Astronauten hören

konnte, der merkte sehr wohl, daß das ganze Land — vom kleinen Mann bis zum Präsidenten — um das Schicksal der beiden Luftwaffenoffiziere in der winzigen und engen Kapsei bangte.

Und gerade deshalb eben war dieser Flug mehr als ein Routine-Experiment: die Einzelheiten, die von den Leuten der amerikanischen Welt-raumbehörde bekanntgegeben wurden, waren zu dramatisch. Der seelenlose Automat — der Computer etwa, der die Landung hätte bewerkstelligen sollen — war ausgefallen, die Luke, durch die einer der beiden Astronauten die Kapsel für einige Zeit verlassen hatte, klemmte. Und so waren die Männer im Weltall vor allem aufeinander angewiesen. Sie waren allein. Die Strapazen und die Belastungen — körperliche wie seelische — waren nicht gering. Hier zeigen sich die Kommentare aus Kap Kennedy zurückhaltend, knapp, fast kühl. Die Tatsache etwa, daß der sich frei im Weltraum bewegende Astronaut nur durch einen äußerst scharfen Befehl zum Hineinklettern in die Kapsel gebracht werden konnte, stimmte einige medizinische Beobachter des Versuches nachdenklich. Und hier eben wird die Frage gestellt,- zu deren Klärung nicht zuletzt auch dieser Weltraumflug unternommen worden war: ist der Mensch überhaupt geeignet, die ungeheuren Belastungen eines solchen Experimentes zu ertragen? Die ansonsten erfreuliche Offenheit, mit der die Amerikaner ihre Versuche kommentieren, weicht hier einem Schweigen, das durch dürftige ärztliche Bulletins notdürftig aufgeputzt wird.. Auch aus der Sowjetunion ist darüber nichts zu erfahren. Doch erinnern wir uns der seltsamen Unfälle, Stürze, Gehirnerschütterungen, die den Astrenauten — westlichen wie östlichen — nach ihrer Rückkehr viel zu schaffen machten ...

..Tut das nicht, sonst kriegen wir hier unten einen Herzanfall“, reagierte die Bodenstation heftig auf ein plötzliches, ungewohntes Geräusch aus der Kapsel. Die Männer auf Kap Kennedy drückten das — zugegebenermaßen recht drastisch — aus, was die USA, mit ihnen die ganze Welt, in jenen Stunden fühlte.

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