Alles in die Brüche - Chimamanda Ngozi Adichie: "Blauer Hibiskus

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Die junge Nigerianerin Chimamanda Ngozi Adichie schrieb mit ihrem ersten Roman "Blauer Hibiskus" eine Familiengeschichte voll Gewalt.

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Die junge Nigerianerin Chimamanda Ngozi Adichie schrieb mit ihrem ersten Roman "Blauer Hibiskus" eine Familiengeschichte voll Gewalt.

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Ein afrikanischer Roman, aus einer amerikanischen Schreibwerkstatt hervorgegangen; nigerianische Themen aus der Feder einer Autorin, die in den usa Kommunikationswissenschaften studiert hat: das Ergebnis ist der erste Roman der 1977 geborenen Nigerianerin Chimamanda Ngozi Adichie, "Blauer Hibiskus", der nun auf Deutsch erschienen ist.

Die Thematik erinnert an das teils heftige Abrechnen mit katholischer Erziehung und das autobiografische Abarbeiten katholischer Kindheiten, das die Literatur der 70er, auch noch 80er hierzulande zuhauf hervorgebracht hat. Auch an so manche Pubertätsgeschichten und - in den letzten Jahren vermehrt auftauchende - Misshandlungstragödien. Aber dieser Roman spielt nicht in Kärnten, das Ambiente ist daher dann doch ganz anders, dadurch auch exotischer, wenngleich die politische Situation Nigerias eher wie ein fernes Donnergrollen durch den Roman dröhnt. Als Kulisse dient also ein Land, in dem Drohungen, Verhaftungen und Morde an der Tagesordnung stehen. Genauso wie die ewige Benzinknappheit und verfallende Universitätsgebäude.

Der politische Sound ist aber auf Hintergrundgeräusche reduziert. Die Autorin rückt etwas anderes in den Vordergrund ihres Romans: Gewalt in der Familie und die Auseinandersetzung mit Traditionen und überlieferten Glaubensformen, die zugunsten des übergestülpten christlichen Glaubens aus dem Leben verdrängt werden. Wie der "heidnische" Großvater der Ich-Erzählerin Kambili, mit dem der streng katholische Vater nichts zu tun haben will. Ein gewalttätiger Vater, der seine Frau ebenso misshandelt wie seine Kinder, um der Zucht, vor allem aber um Gottes willen. Ein strenger Tagesablauf regelt minutiös das Leben seiner Familie, wer nicht pariert, wird grausamst körperlich und seelisch bestraft. Ein Tyrann, der andererseits aber mutig eine regierungskritische Zeitung herausgibt und sich die Pressefreiheit nicht nehmen lassen will. Kambili jedenfalls verehrt ihren Vater wie einen Gott, trotz allem.

Zum Glück gibt es Tante Ifeoma, die sich um den vom Sohn verstoßenen Vater ebenso kümmert wie um Nichte und Neffen. Bei ihr erleben sich die beiden als ernstgenommene Personen, in den wenigen Tagen ihres Besuches bei der Tante reifen sie zu Erwachsenen. Dass sich die 15-jährige Kambili dann sogar in Pater Amadi, den aufgeschlossenen Priester, verliebt, erscheint durchaus glaubwürdig, gibt er ihr doch das Gefühl etwas wert zu sein. Leider sind die Tage bei Tante Ifeoma gezählt, aufgrund ihrer politischen Einstellung muss sie die Universität verlassen und nach Amerika auswandern. Für Kambilis Familie führt der Roman zu einem, schon zu Beginn angedeuteten schaurigen Finale, das doppelt tragisch endet. Wenn man will, kann man den Aufstand gegen den Vater, den Tyrannen, auch politisch lesen, direkt auf diesen Vergleich hingeschrieben ist der Roman allerdings nicht.

Die Autorin lebt seit 1998 in den usa und ihrer Erzählweise merkt man diesen Einfluss auch an. Vom ersten Satz an - "Bei uns zu Hause begann alles in die Brüche zu gehen, als mein Bruder Jaja nicht bei der Kommunion war und mein Vater sein schweres Meßbuch durch das Zimmer schleuderte und die Keramikfiguren auf der Etagere zerbrach." - bis zum letzten spannt ein kunstvoll-künstlicher Erzählbogen die Handlung, die manchmal etwas dick aufträgt und auch Klischees nicht auslässt. Dennoch ein interessantes Stück Literatur, Zeugnis aus einer Welt zwischen den Welten.

Blauer Hibiskus
Roman von Chimamanda Ngozi Adichie
Aus d. Amerikan. v. Judith Schwaab
Luchterhand Literaturverlag, München 2005
317 Seiten, geb., € 22,60

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