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"Bomben, Hamstern, Überleben": Wie die Österreicher das Kriegsende erlebten.

Erst kamen die Bomben, dann die Besatzer: wir wissen um die Ereignisse des Kriegsendes. Wozu also noch ein Buch über das Jahr 1945? Gudula Walterskirchen, die vergangenes Jahr mit der Dollfuß-Biografie "Arbeitermörder oder Heldenkanzler" erfolgreich war, greift in ihrem neuesten Sachbuch "Bomben, Hamstern, Überleben. Österreich 1945" das Thema Kriegsende auf. Hat sich die Autorin damit ganz einfach dem Trend "Zeitgeschichte" verschrieben, oder kann sie mit einer Besonderheit aufwarten, die nicht schon in den Dutzenden bereits vorhandenen Abhandlungen zur selben Thematik dargestellt wurde?

Wahrscheinlich beides. Natürlich bedient sich die junge Historikerin und Journalistin im Gedenkjahr 2005 eines aktuellen Anlasses. Das Spezielle an ihrer Darstellung des Jahres 1945 ist jedoch, dass sie aus Sicht der Bevölkerung erzählt. Anhand vieler kleiner Erlebnisse und Anekdoten aus allen Teilen des Landes erfährt der Leser, dass das Kriegsende von den Österreichern sehr unterschiedlich erlebt wurde. Besonders spürbar wird das etwa im Kapitel "Die Frauen und die Sieger", wo vom ungleichen Umgang der alliierten Soldaten mit den Frauen zu lesen ist. In Ostösterreich wurden russische Soldaten zu Vergewaltigern, und jede Frau, ob jung oder alt, musste auf der Hut sein. "Mädchen und Frauen wurden sogar eingemauert, in einem abgelegenen Zimmer oder in einem Hohlraum. Manche, die sich wochen- oder monatelang versteckt halten mußten, behielten ein lebenslanges Trauma. {...} Rundherum haums d'Weiba überfoin', erzählt die Bäuerin Merl aus Freistadt im Mühlviertel. {...} De woarn eben bsoffn. De hot Bißwundn g'hobt, wia wauns a Hund bißn hätt. Oba tua wos, wauns angsoffn san.'" Im Westen hingegen waren die charmanten gis und die französischen Soldaten begehrte Objekte junger Frauen.

Die Freude über das Ende des Bombenhagels, der Hunger; die Euphorie, mit der die Menschen die Besatzungsmächte empfingen, aber auch die Plünderungen allerorten: die vielen Gesichter des Jahres 1945 kommen zum Vorschein. Die zahlreichen Abbildungen im Buch verstärken diesen Eindruck noch. Es wird ein bisschen begreiflicher, dass bei weitem nicht alle die Besatzungszeit als echte Befreiung empfunden haben. Diese Zeit birgt viele Einzelschicksale, die hier zur Sprache kommen. Die Zitate von Unbekannten, welche die Autorin aus verschiedenen Quellen zusammengetragen hat, machen das Besondere an diesem Buch aus - sind es doch diese Zitate, die übrig bleiben, wenn es einmal keine Zeitzeugen mehr gibt. Deren Berichte können nicht oft genug archiviert werden.

Und doch wird "Bomben, Hamstern, Überleben" stellenweise wieder zu einer politischen Chronik dieser Zeit, die der Leser überblättert, weil er so etwas auch anderswo findet. Am besten wäre es gewesen, hätte sich das Buch auf seinen selbst gestellten, schlichten Anspruch beschränkt, die Menschen erzählen zu lassen, "wie es damals, in jenem ereignisreichen Jahr 1945, für sie war".

BOMBEN, HAMSTERN, ÜBERLEBEN Österreich 1945

Von Gudula Walterskirchen

Molden Verlag, Wien 2005

259 Seiten, mit Abb., geb., e 20,40

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