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Alma vervielfacht

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Joshua Sobol schrieb eine Art Stück über Alma Mahler-Werfel: „Alma - A Show Biz ans Ende". Eigentlich eher ein Feature: Szenen aus dem Leben der Frau, die mit Gustav Mahler, Walter Gropius und Franz Werfel verheiratet und mit Oskar Kokoschka liiert war, die literarische Aufbereitung und/oder Ausbeutung des Lebens einer nach Prominenten Süchtigen. Und Paulus Manker ging mit dem ganzen gewaltigen Arsenal zeitgenössischer Begie-technik an den Text heran. Das Resultat wäre trotzdem eher bescheiden, gäbe es nicht den Dritten im Bunde, nämlich das grandiose Ambiente des Purkersdorfer Sanatoriums. Das prächtige Äußere wurde bereits wieder hergestellt, im Inneren haust noch der Verfall. Josef Hoffmanns Bau ist der Hauptdarsteller.

Georg Besetschnig stopfte Bäume mit Möbeln, Lampen, Büchern und reizvollem Plunder der Jahrhundertwende voll, stattete andere mit Tho-netsesseln, Badewannen und anderen Objekten sparsam aus, beleuchtete alles überaus geschickt, und das Publikum folgt dem Geschehen von Raum zu Raum und auch in den Park. Dabei teilt es sich manchmal dem Zufallsprinzip folgend, so daß die einen einer Eifersuchtsszene und andere einem Begräbniszug folgen (es stehen ja

nicht nur Ehemänner und nur teilweise verhinderte Liebhaber, sondern auch vier Almas zur Verfügung), findet wieder zusammen, wird gratis gestärkt, stürzt einem Lärm folgend ins Freie, um auf Gropius' durch die Nacht gellenden Schrei „Hure!" alsbald wieder ins Haus zu eilen, irrt zwischen Gräbern umher ...

Ein sträflich vernachlässigtes Juwel österreichischer Jahrhundertwende-Architektur, ein wunderschönes Dornröschenschloß, gewinnt gespenstisches Leben. Die Szenen, in denen die Darsteller Schemen gleichen, die durch eine halbwirkliche Kulissenwelt geistern, sind die schönsten. Die Momente, in denen man denken kann: Beden die das heute? Haben das Menschen an dieser Stelle vor 90 Jahren geredet? Diesem Effekt verdankt die Festwochenproduktion ihren Beiz. Und wenn Alma mit Werfel über die Emigration redet und er Bahnhof versteht, wehen jüngere, schrecklichere Schemen herein. Erst gegen Ende verdrängt handfestes Be-gietheater die Gespenster - das ausgehende zwanzigste Jahrhundert hat uns wieder. Das wirkt fast wie eine kalte Dusche.

Unter den vielen Mitwirkenden beeindruckten mich Susi Nicoletti (als alte Alma), die jungen Almas (Johanna Wokalek, Pamela Knaack, Nicole Ansari), Peter Kern (Werfel) und Helmut Berger (Mahler) am meisten.

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