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ALPHA UND OMEGA

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Im Ablauf der Weihe, der Konsekration einer Kirche wird auch aus Asche oder Sand in zwei Streifen das Andreaskreuz auf den Boden gezeichnet, in das dann der Bischof mit seinem Stab das griechische und das lateinische Alphabet schreibt. — Manche Erklärer dieser geheimnisvollen Zeremonie denken hier an den Einfluß von Gepflogenheiten römischer Geometer in vorchristlicher Zeit, andere an Gebräuche der Götterpriester beim Bau eines neuen Heiligtums. Aber da der Ritus uns erst verhältnismäßig spät, im 9. Jahrhundert, in Gallien erstmals begegnet, wird der Zusammenhang mit der heidnischen Antike kaum mehr bewußt gewesen und seine Einführung vornehmlich von christlichen Überlegungen her .geschehen sein: Das Kreuz als Zeichen Christi und die Anspielung auf die Stelle der Geheimen Offenbarung: Ich bin das A und O, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende. — Jedenfalls sagen alle Erklärer, daß damit das neue Haus Gott zugeschrieben und zugeeignet werden soll.

Gott und Christus zu benennen und zu bekennen, Sein Wesen auszusagen, werden in der Heiligen Schrift und in der Liturgie zwei Wege angedeutet: In den Psalmen, Hymnen und Gebeten wird in immer neuem Ansatz und in immer neuer Benennung versucht, das Wesen Gottes, Seine Größe, Erhabenheit und Macht auszudrücken: Wir loben Dich, wir preisen Dich... Herr und Gott, König des Himmels, Gott, allmächtiger Vater. Herr Jesus Christus, eingeborener Sohn, Herr und Gott, Lamm Gottes, Sohn des Vaters... — Bei dieser Zeremonie aber, wo der Mensch sich anschickt, den Namen Gottes als des Eigentümers in den Boden einzuzeichnen, geschieht so etwas wie eine Kapitulation. Kein von Menschen erdachter und von ihm erfaßter Name und keine noch so lange Reihe und Litanei solcher Benennungen vermag Gott ebenbürtig und wesensgemäß, allumfassend und allseits begreifend zu bezeichnen und auszusagen. Aber der Hymnus, reichte er auch bis in die Ewigkeit, müßte aus Menschenworten bestehen, die immer wieder die Zahl der Laute unserer Sprache, die Buchstaben unseres Alphabetes in der Schrift verwenden und formend zusammenstellen würde. Deshalb kommt die Kirche dazu, hier einfach die Urelemente nebeneinander zu stellen. Aber in dieser Reduktion, in diesem Bekenntnis der Hilflosigkeit und Ohnmacht leuchtet vielleicht deutlicher und ergreifender als in vielen Worten und Sätzen die Kleinheit des stammelnden Menschen und die Größe und Majestät Gottes ohne alles Maß und ohne jede Grenze auf.

Auch dem gläubig forschenden Denken über Gott, der Theologie, sind ähnlich — lex orandi, lex credendi — die beiden Wege gewiesen: Der Weg der Bejahung und Steigerung, auf dem alles Sein, alles Gute und alles Schöna in übertragener Weise Stufe wird hin auf das Sein, das Gute und das Schöne in unendlicher Fülle, in dem es als Funke erkannt wird von einer unendlichen Sonne her. Aber auch der Weg der Verneinung, der hinter den Endlichkeiten, Vergänglichkeiten und Eitelkeiten dieser Welt den ganz anderen, Undenkbaren und Unfaßbaren ahnen läßt. Gott ist ja in Seinem eigentlichen Wesen so über die Welt erhaben, so grundverschieden von der Kreatur und von allem Sichtbaren, daß Er durch keinen unserer Begriffe erreicht werden kann. Darum spricht Ihm die negative Theologie wieder alle Namen ab, die Ihm die positive in Analogie zu den Sinnendingen beigelegt hat. Gott ist weder Ordnung noch Größe, weder Wissen noch Wahrheit, weder Licht noch Finsternis. Er ist nichts von dem, was ist, noch von dem, was nicht ist. Er ist die überwesentliche,übererhabene Übergottheit. Er hat darum keinen Namen und es gibt über Ihn keine allgemeinen Behauptungen und Begriffe. Er wohnt im Unzugänglichen. Er wird daher besser durch Schweigen und Nichtwissen erkannt als durch Behaupten und Diskutieren. Die Sprache dieser Theologie wird immer schwächer und einsilbiger und verstummt schließlich gänzlich, wenn sie ganz bei Gott ist und das Dunkel uns umfängt. (Pseudo-Dionysius Areopagita.)

Auch die Kunst hat seit jeher immer wieder auf beiden Wegen versucht, Gott, Christus und andere Wirklichkeiten des Glaubens darzustellen. Wie oft wurde nur angesetzt, den Herrn, Sein Antlitz zu malen! Auch neben den Bildern, von denen die Rede ging, daß sie nicht von Menschenhand stammten, entstanden dennoch immer neue Typen, denn welches Bild könnte schon alles Gottmenschliche ganz zum Ausdruck bringen. Die Maler und Malerschulen konnten sich bei ihrem immer ncn Bemühen fast ein wenig auf Gott selber berufen, auf das Geheimnis der Inkarnation. Hier wurde der Unsichtbare in Seinem Wesen sichtbar in unserem, der Unfaßbare wollte erfaßt werden, der vor aller Zeit Seiende nahm in der Zeit Seinen Anfang, der Herr des Weltalls verhüllte Seine Majestät und nahm Knechtsgestalt an, der des Leidens unfähige Gott verschmähte es nicht, ein leidensfähiger Mensch zu sein, und der Unsterbliche beugte sich vor den Gesetzen des Todes (Leo d. Gr.). — Immer wieder aber gab es auch Zeiten und Gegenden, wo man vor solchem Wagnis zurückschreckte und sich mit einfachsten Zeichen und Symbolen, mit Chiffren begnügte.

hnlich haben es schon viele unternommen, das himm-tische Jerusalem, die neue Stadt, darzustellen in der Nachfolge des Sehers auf Patmos. Er schildert in der großartigen Schlußvision der Geheimen Offenbarung in immer neuen, einander ergänzenden und überbietenden Büdern dieses neue Jerusalem, die Heilige Stadt, den Ort des sichtbaren Wohnens Gottes mit Seiner vollendeten Gemeinde. In der Kirchweihmesse ist ein Stück von dieser farbprächtigen und trostreichen Vision als Epistel verwendet, denn jedes neugeweihte Gotteshaus will ein Vorspiel und ein Hinweis auf diese Vollendung sein, wo die Schleier fallen und wir statt im Glauben sichtbar und offenbar der Nähe Gottes inne werden. Der Künstler hier aber hat in seinem großen Mosaik gleichsam den anderen Weg eingeschlagen und vor solcher Aufgabe kapituliert. Statt dessen hat er nur die Elemente und Farben, aus denen und mit denen Johannes und die anderen nach ihm ihre Bilder gestaltet haben, in einer schöpferischen Komposition zusammengefügt, ähnlich dem in den Sand geschriebenen Alphabet an Stelle des Gottesnamens. Durch diese reduzierte, abstrakte Weise wird aber deutlicher als sonst jede primitive Auffassung der christlichen Zukunft und Vollendung abgewehrt und zugleich ihre ganz andere, unfaßbare Herrlichkeit angedeutet.

Diese farbenprächtige, feierliche Altarwand wird nicht so leicht für die immer wieder versammelte Gemeinde abgegriffen und gewöhnlich werden, sondern wird alle stets an das Vorläufige unserer Existenz in Freude und Leid gemahnen. Sie wird verkünden, daß wir jetzt nur im Spiegel und Gleichnis erkennen, rätselhaft und stückweise. Zugleich aber wird sie ihre Herzen erheben zur Hoffnung auf das, was kein Auge gesehen, kein Ohr gehört und was in keines Menschen Herz gedrungen ist, was aber Gott denen bereitet hat, die Ihn lieben.

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