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Altmodisch und neumodisch

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ALTMODISCHE GEDICHTE EINES DUTZENDMENSCHEN. Nest-Verlag, Frankfurt am Main. 175 Seiten. Preis 9.80 DM. - BLÜTENLESE IN GÄRTEN. Herausgegeben von Eugen Skasa-Weiß. Obst- und Gartenbauverlag, München. 220 Seiten. Preis 17.60 DM. - BAUERNJAHR. Von Paula Grogger. Styria-Verlag, Graz. 67 Seiten. Preis 54 S. - WAR DENN ALLES UMSONST? Von Gabriel d'E s 4 u i 1 i n o. Verlag Felizian Rauch, Innsbruck. 102 Seiten. Preis 34.50 S. — STRASSE NACH KOHLHASENBRÜCK. Von Rolf Haufs. Hermann-Luchterhand-Verlag, Neuwied-Berlin. 56 Seiten. Preis 7.50 DM. - TAGGEFÄLLE. Von Manfred Peter Hein. Carl-Hanser-Verlag, München. 52 Seiten. Preis 6.60 DM. - TRIEST UND EINE FRAU. Von Umberto Saba. Insel-Verlag, Frankfurt am Main. 72 Seiten. Preis 9.80 DM. NIGREDO. Von Max Hölzer. Insel-Verlag, Frankfurt am Main. 55 Seiten. Preis 9.80 DM. - 112 FEINE LIMERICKS. Von Ernst Fabian. Buchheim-Verlag, Feldafing. 64 Seiten. Preis 6.80 DM. - DAS SCHÖNSTE VOM SCHÖNEN. Buchheim-Verlag, Feldafing. 112 Seiten. Preis 12.80 DM.

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ALTMODISCHE GEDICHTE EINES DUTZENDMENSCHEN. Nest-Verlag, Frankfurt am Main. 175 Seiten. Preis 9.80 DM. - BLÜTENLESE IN GÄRTEN. Herausgegeben von Eugen Skasa-Weiß. Obst- und Gartenbauverlag, München. 220 Seiten. Preis 17.60 DM. - BAUERNJAHR. Von Paula Grogger. Styria-Verlag, Graz. 67 Seiten. Preis 54 S. - WAR DENN ALLES UMSONST? Von Gabriel d'E s 4 u i 1 i n o. Verlag Felizian Rauch, Innsbruck. 102 Seiten. Preis 34.50 S. — STRASSE NACH KOHLHASENBRÜCK. Von Rolf Haufs. Hermann-Luchterhand-Verlag, Neuwied-Berlin. 56 Seiten. Preis 7.50 DM. - TAGGEFÄLLE. Von Manfred Peter Hein. Carl-Hanser-Verlag, München. 52 Seiten. Preis 6.60 DM. - TRIEST UND EINE FRAU. Von Umberto Saba. Insel-Verlag, Frankfurt am Main. 72 Seiten. Preis 9.80 DM. NIGREDO. Von Max Hölzer. Insel-Verlag, Frankfurt am Main. 55 Seiten. Preis 9.80 DM. - 112 FEINE LIMERICKS. Von Ernst Fabian. Buchheim-Verlag, Feldafing. 64 Seiten. Preis 6.80 DM. - DAS SCHÖNSTE VOM SCHÖNEN. Buchheim-Verlag, Feldafing. 112 Seiten. Preis 12.80 DM.

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Die Lyrik ist eine schöne Kunst. Heutzutage wird sie mehr gemacht als gelesen. Was zur Folge hat, daß Gedichtbände zu einer Art Fachliteratur geworden sind. Man kann mit ihr, wie Buchhändler und Verleger versichern, jedes Geschäft ruinieren.

Aber man kann die Lyrik nicht unterdrücken. Denn sie ist eine der ursprünglichsten Äußerungen des Geistes und der Sprache, sie ist der Anfang und das Ende jeder Literatur.

Dem Büchermarkt bleiben zwei Wege. Ein sehr mühsamer: Die Tradition achtend, aber nicht überwertend, den Fachinteressenkreis erhalten und erweitern. Ein leichterer: Lyrik durch allerlei Kniffe, von der humorigen Illustration bis zur Anthologie nach Hobbythemen, für weitere Kreise schmackhaft machen. In der uns vorliegenden Lese erkennt man beim Insel-Verlag und beim Carl-Hanser-Verlag den schwierigeren, bei den übrigen Verlegern den leichteren Weg.

Es gibt da allerlei Tricks. Vor einigen Jahren ließ es sich ein biederer Kanzleirat einfallen, zu seiner Lyrik eine Biographie zu dichten. Man erinnert sich an den Fall Georges Forestier. Das Publikum fiel prompt herein und empfand samt den Rezensenten alle Schauder des erfundenen deutsch-französischen Fremdenlegionärs. Zuletzt gab es einen wirksamen Skandal, und die biographischen Notizen in den Lyrikbänden wurden suspekt. Ein Gegenstück zu dieser Eskapade ist jetzt die Tiefstapelei deS anonymen Autors, der sich Dutzendmensch und seine Gedichte altmodisch nennt. Die Gelegenheit ist günstig für ein langes Vorwort mit Ausfällen gegen die Moderne. Die Lehren sind heilsam für Exzentriker. Aber daß Dichten nur ein besseres Handwerk sei, widerlegen erfreulicherweise die Proben des Bandes. Gegen den Vorwurf der Anempfindung hat sich der Dichter klug gefeit. Was bleibt, ist entschärftes Pathos.

Gartenfreude als Hobby im Zeitalter der Technik birgt in sich den Keim der Poesie.Es schadet nicht, den Managern, die sich zur Erhaltung ihrer Gesundheit der Radieschenkultur widmen, einmal vorzutragen, welches geistige Erbe sie nun anzutreten haben. Was über 150 Lyriker und Prosaisten an Gartenfreuden erlebt und besungen haben, hat Eugen Skasa-Weiß in milden Dosen gesammelt und vereinigt. Ein freundliches Brevier mit anmutigen Illustrationen ist entstanden.

Altmodisch im guten Sinn des Wortes sind auch die Gedichte der Paula Grogger. Die Sprache ist eine gemäßigte steirische Mundart, die man auch geschrieben noch gut versteht. Der Inhalt entstammt der gesicherten Welt des bäuerlichen Lebens und Glaubens. Als Wirklichkeit im heimatlichen Heute sind die Gedanken allerdings schwer nachzuvollziehen. Sie wirken ein wenig sammlerselig, so wie die bunten Bauernkasten, die man heute gerne gegen die Teakgarnituren stellt.

Wie hart der Gegensatz innerhalb des Christlichen sein kann, spürt man überdeutlich, wenn man die Verse d'Esquilinos in der Folge liest. Hier ist Anklage und Aufschrei eines zutiefst Verletzten. Leider artet die Form oft in einen ganz unglaubwürdigen Wortreichtum und in journalistische Gemeinplätze aus. Die knappen Prosaerläuterungen zu den Gedichten lesen sich viel besser. Unangenehm ist die fast barocke Freude an der Geißelung des Sinnlichen. Das Schlimmste aber ist, daß diese Gedichte eine pastorale Tendenz haben, die geradezu reaktionär ist.

Um wieviel überzeugender schreibt da Rolf Haufs seine lyrischen Zeilen:

Einladung Gestatte ich mir, Sie einzuladen. Genügt dunkler Anzug, wachsames Auge, Langmut, gute Kinderstube und ein paar

Blumen.

Der Henker ist pünktlich bestellt.

Ein Tusch wurde einstudiert, ein Schreiber

Wird alles notieren.

Fromme Sprüche sind herzlich willkommen. Geläut während des Aktes etwa gegen Aufgang des Lichtes, Südsüdost, Sturmstärke sieben. Groß wird der Mond über der Kiefer stehen.

Ein Gebet lang für den armen Hund. So habet Mitleid eine Weile mit euch selbst.

Die Holzschnitte von Günther Bruno Fuchs sind der Aussage durchaus adäquat.

Manfred Peter Hein rückt in seinem „T a g g e f ä 11 e“ vom Menschlichen noch ein Stück weiter ab und gerät an die Manier. Die Worte sind nicht nur abgezirkelt, sondern berechnet. Ein getreuer Schüler Ezra Pounds.

Ein nichtiger Vorgang. —

Ich rede davon, übe mich im Sprechen.

Licht widerruft Licht.

Ameisen sind unterwegs an der Mauer.

Schwarzes Ameisenlicht.

Umberto Saba geht von einer ähnlichen existentiellen Situation aus. Ihm aber hilft Musik über das Spröde hinweg. Auch ein symbalträchtiger Eros schwebt befreiend über der lyrischen Landschaft. Den deutschen Nachdichtungen von Paul Wolfgang Wührl steht seitengleich das italienische Original gegenüber.

Marktplatz (Piazza) Einer sucht ein Abenteuer, ein anderer

Zerstreuung, ein dritter einsam die Erinnerung. Abends,

die Soldaten haben Ausgang,

gibt's in Buden gar nicht Hände genug, die halbgare

Maroni zu verkaufen. Über dem uralten

Platz thront noch immer der Ruhm.

Ein Held zu Pferd langweilt sich

in Marmor, der ihm plump schmeichelt.

Das ist nicht nur lied-, sondern auch sinnenhaft. Die Assoziationen sind real.

Max Hölzers lyrisches Reich ist hingegen ein surrealistischer Spiegelgarten. Es ist kein Zufall, daß der Titel, „Nigredo“, aus der Alchimie kommt und dort die Schwärzung, die Verdunkelung einer Substanz bedeutet. Diese Verdunkelung des Sinns ist bei Hölzer vor allem auch — und das erschüttert — eine Verdunkelung des Ichs vor jeder geistigen Kommunikation.

Der tote Vater zerknüllte in meinem Traum die schöne Photographie, die ich vom Sumpf gemacht. Sie war an dich adressiert.

Danke! Zurück an den Absender! möchte man sagen.

Trotzdem ist zu betonen, daß das nicht etwa ein Alibi bedeutet. Die Gesellschaft hat kein Recht, die Spiegel zu verhängen oder zu zerschlagen. Ob sie sich freilich in solchen Spiegelgärten noch erkennt, ist fraglich.

Der Bürger zieht da lyrische Sorten vor, die seiner Mentalität vertraut klingen, wenngleich sie manchmal doppelbödig sind. Limericks heißen solche Gebilde. Sie sind eigentlich Kartenkunststücke mit Worten. Daß sie zu Druck- und Verlagsehren kommen, ist viel. Denn es sind auch in der Sammlung Ernst Fabians handfeste Gemeinplätze darunter, die man nur der paradoxen Illustrationen Walters Blaus wegen hinnimmt.

Wer aber nach all dem den Stab über die Gegenwart brechen will und mit dem heuchlerischen Ach der Enttäuschten zu jener ewigen Schönheit flieht, die er in der Vergangenheit zu finden glaubt, dem, ja gerade dem ist „Das Schönste vom Schönen“ gewidmet. So viel Kitsch auf so wenigen Seiten so treffend zu konzentrieren, ist hochlobenswert. Den einleitenden Satz: „Ein leichtfaßlicher Leitfaden zur Erbauung und Erhebung für das gesamte deutsche Volk“, sollte man mit einer Fußnote versehen. Die Anmerkung hätte zu lauten: Als Vereinslektüre in Österreich amtlich empfohlen, und für Erwachsene mit ernsten Reserven zugelassen.

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