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Altmodisches Theater

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Henry James, dessen hintergründiger Realismus und feinnervige Erzählkunst im Stil der Jahrhundertwende ihn mit Recht berühmt gemacht haben, schrieb eine Novelle „The Aspern Papers“, in der er eine Byron-Anekdote zum thematischen Vorwurf nahm. Ein passionierter amerikanischer Literaturforscher geht den Lebensfährten eines Dichters nach und spürt als letzte Spur in einem halbverfallenen venezianischen Palazzo ein Bündel Liebesbriefe im Besitz einer alten Dame, der ehemaligen Muse und verehrten Göttin des Dichters, auf, die, von ihrer Nichte betreut, in einem gespenstischen Dasein voller Erinnerungen dahindämmert. Der Amerikaner mietet sich in dem Palazzo ein und treibt nun ein übles Spiel mit der Nichte, einem vernachlässigten alternden Mädchen, nur um den kostbaren Briefschatz an sich zu bringen. Die sonst so verschlossene Jungfer faßt eine Neigung zu dem lebhaften, für alles Schöne eingenommenen Fremdling und merkt zu spät, daß sie nur als Mittel zum Zweck dienen sollte. — Der bekannte englische Schauspieler Michael Redgrave hat, verführt von „einem halben Dutzend großartiger Szenen, die alle für eine Bühnenfassung vollständig übernommen wer-

Die „Hundertjährige“ im Rollstuhl Zeichnung von Winnie Jacob den'i qÄ die

dem Titel „Die beiden Damen Borderau“ dramatisiert. Wohl entstahden drei ergiebige Rollen, doch gingen dabei die subtilen impressionistischen Farben und die psychologisch meisterhafte Verzahnung der Gemütsmomente der Erzählung verloren. Allzu oft klappert nun die Melodramatik der Effekte, worüber dann nur noch die Kunst der Schauspieler hinwegzutäuschen vermag. Im Theater in der Josefstadt spielten unter der eher konventionellen Regie von Hans Thimig Helene Thimig die egoistisch geldgierige und fast dämonisch wirkende alte Dame, Vilma Degischer die etwas sentimentale, vom Leben so stiefmütterlich behandelte Nichte, Ro-

wenig skrupellosen Mann, der in das einsame Leben der beiden Frauen einbricht. Recht gut Augusta Ripper als grantige, venezianische Dienstmagd. Das Bühnenbild stammte von Herta Hareiter. Das Publikum, vom Thema kaum berührt, hielt sich an die Leistungen der Schauspieler und feierte besonders Frau Thimig und Frau Degischer.

„Der Florentiner Strohhut“, der Pariser Vaudeville (1851) von Eugene Labiche entzückte ehedem als ein geistreicher Film von Rene Clair und als lustige Verwechslungskomödie auf der Bühne, vor einigen Jahren im Theater in der Josefstadt mit Leopold Rudolf. Bei dem Stelldichein eines Paares frißt ein dort zufällig angebundenes Reitpferd den Strohhut der Dame auf. Der ganz unschuldige Besitzer des Pferdes muß nun einem Ersatzexemplar dieses Hutes nachjagen, um einen Skandal zu vermeiden und seine bevorstehende Hochzeit nicht zu gefährden .— Der 52jährige Nino Rota, von dem die Filmmusik zu einigen berümten Filmen von Fellini und Visconti herrührt, hat nun das reizende Lustspiel von Labiche vertont. Die Volksoper brachte im Aus weichquartier des akustisch ganz unmöglichen Redoutensaales die musikalische Farce zur Aufführung, ein in seiner routinierten Oberflächlichkeit durchaus zu entbehrendes Werkchen. Aus der Komik des Originals wurde eine zähflüssige, langweilige Aufführung, was zum Teil auf die wenig einfallsreiche Regie von Walter Eichner zurückgehen mag. Die manchmal geradezu unverfroren anmutenden Anleihen bei bekannten Komponisten von Donizetti, Rossini, Puccini, Verdi über Johann Strauß usw. bis zu Weill scheinen aber vom Komponisten durchweg parodistisch gemeint zu sein, und dementsprechend hätte auch die Inszenierung ausfallen sollen. Am nächsten kamen dem Stil noch die Bühnenbilder von Peter Heyduck. Hilde Konetzni brillierte stimmlich und darstellerisch als Baronin von Champigny, Renate Holm war in ihren spärlichen Szenen eine liebreizende Braut. Unter den Herren fiel Ottokar Schäfer mit seinem mächtigen Baß als Bauer auf, während Peter Minich dem sich auf Hutjagd befindlichen wohlhabenden jungen Mann Fadinard seine nicht sehr ergiebige Stimme lieh. Mäßiger Erfolg.

Für die Kammerspiele und ihr Publikum muß es wahrsaheinlich Stücke wie „Minister gesucht“ von Fritz Eckhardt geben. Einem ganz unglaubwürdig beschränkten Generaldirektor (Fritz Eckhardt) redet ein gewerbsmäßiger Schnor- IFalMrunrt) ein, er könne ihn Kraft sdiner Beziehungen :zum 'Minister machen, was sich natürlich als barer Schwindel herausstellt. Zum Trost für den- düpierten Herrn Papa löst sich am Ende so nebenbei das vertrackte Generationsproblem mit Sohn und Tochter. Von einem Lustspiel findet mit naheliegender politischer Satire, ironischen Nuancen und dergleichen findet sich hier keine Spur. Es handelt sich lediglich um eine mittelmäßige dramaturgische Maßarbeit für ein beliebtes Schauspielerpaar, wobei der weibliche Teil, Elfriede Ott als Dienstmädchen Elli, zur Freude des Publikums den ungleich ergiebigeren Part bekommen hat.

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