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Amphiparnab

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Rom, im Jänner In Rom hatten sich einige Begeisterte der Kunst eine Aufgabe gestellt, welche wegen ihres hohen Zieles den größten Erfolg verdient hätte: Komponisten, Dichter, Dirigenten, Regisseure und Bühnenbildner fanden sich in der Gesellschaft „Amphiparnaß“ zusammen, um gemeinsam mit dem italienischen Rundfunk im Teatro Eliseo Opern aufzuführen: ganz alte, vergessene Werke großer Meister und ganz neue Bühnenstücke, die eigens für diesen Zweck geschaffen worden waren. Der Gedanke, das moderne, von der Hast des Alltags getriebene Publikum durch knappe, lebendige Kurzopern zu unterhalten, entsprang ohne Zweifel einer durchaus richtigen, zeitgemäßen Erkenntnis: denn will die Musikbühne, selbst im opernbegeisterten Italien, gegenüber dem Film und all den anderen Dingen, mit denen das Volk heute seine Zeit vertreibt, ihre Stellung behaupten, so wird sie es nicht ausschließlich mit vielstündigen Aufführungen alten Stils tun können. Daher bemühte man sich hier, das Publikum durch eine Reihe von künstlerisch untadeligen Kurzaufführungen zu fesseln.

So wurde das Wiedererscheinen des aus dem Ende des 16. Jahrhunderts stammenden Madrigalmelodrams „Amphiparnaß“ des großen Musikreformators Orazio Vecchi, welches der Vereinigung den Namen gegeben hatte, nicht weniger beifallsfreudig begrüßt als das in Vergessenheit geratene heitere Singspiel „Der Türke in Italien“ von Rossini, das durch seinen geistvollen Textaufbau allein den Wiederbelebungsversuch rechtfertigt.

Diesen beiden Schöpfungen kostbarster alter Musik standen vier Uraufführungen zeitgenössischer Komponisten gegenüber: Luigi Dallapiccoia, der dezidierte Vertreter der Zwölftonrichtung In Italien, hatte für diesen Zweck eine „Hiob“-Oper komponiert, welche das äußerste Extrem der Aufführungen des Amphiparnaß-Zyklus bezeichnete. Das Werk war in seiner musikalischen Gestaltung nicht einheitlich. Sehr eindrucksvolle Szenen von starker musikalischer Ausdruckskraft wechselten mit Stellen ab, welche recht blaß erschienen und offensichtlich enttäuschten. Wo Dallapiccoia pastorale Töne anschlägt, wirkt er am ursprünglichsten und unmittelbarsten. Insbesondere die Solopartie des Hiob zeigte, daß der Komponist in seiner Eigenart immer wieder Außergewöhnliches und Gewichtiges zu sagen hat.

Die einaktige Tragödie „Morte •deH'Aria* von Toti S c i a 1 o j a, deren Titel sinngerecht am besten mit „Tod in den Lüften“ wiederzugeben ist, hat Gofredo P e t r a s s i zu einem kurzen, spannenden Musikdrama gewandelt. Seine musikalische Sprache ist herb, knapp und zwingend, doch nicht ohne lyrischen Empfindungsgehalt. Das Experiment, das den Gegenstand der Handlung bildet, der psychologische Zwiespalt, der ihm die innere Spannung verleiht, fanden in der Musik Petrassis die entsprechende Formulierung. Daß der Textdichter gleichzeitig als Schöpfer des Bühnenbildes und der Kostüme auftrat, gab der Aufführung eine besondere Note und trug nicht unwesentlich zu der Geschlossenheit des Ganzen bei.

Als Posse benannte der kürzlich mit einem großen italienischen Literaturpreis ausgezeichnete Schriftsteller Vitaliano B r a n c a 1 i seinen Einakter „Der geschlagene Tenor“,zu dem Vincenzo T o m m a s i n i eine ebenso leichtflüssige wie unterhaltsame Musik komponiert hat. Das farbenfrohe, heitere Spiel, das in munterer Bewegtheit über die Bühne rollte,besAwor den Geist der guten alten opera buffa herauf, ohne diese einfach nachahmen zu wollen. Handlung und Musik flössen zu einer innigen Einheit zusammen: ein Werk, das auf großen und kleinen Bühnen erfolgreich seinen Weg machen kann, weil bei aller Modernität der Ausdruckssprache und Form ihm seine Musikalität überall offenes Verständnis und stärksten Erfolg sichern wird.

Dagegen wurde das Übermaß des Grotesken, der Parodie und der Karikatur dem einaktigen „Witwer Orpheus“, dessen Text und Musik von Alberto S a v i n i o stammt, zum Verhängnis. Das Ironisieren und Lächerlich-machen alles Vergangenen und Gegenwärtigen mußte zwangsweise dazu führen, daß man das ganze Stüde nicht ernst nehmen konnte, womit sich auch die Musik selbst verurteilte, um so mehr, als ihr ein eigenes Profil nicht verliehen war, so daß das Experiment versagte. Nicht unerwähnt soll bleiben, daß der „Dichterkomponist“ auch noch als Bühnenbildner und Kostümschöpfer seines eigenen Werkes auftrat.

Abgesehen von dem letztgenannten Werk wurde bei allen Aufführungen außerordentlich lebhafter Beifall gespendet. Fernando Previtali, der verdienstvolle Dirigent des italienischen Rundfunks, war allen Opern, mit Ausnahme der von Ginandrea Gavazzeni sorgsam geleiteten Rossinischen Buffooper, ein umsichtiger Interpret. Gesungen und gespielt wurde ausnahmslos untadelig und mit großer Begeisterung. Die Chöre leisteten das Beste, und auch das Ballett stand auf bedeutender Höhe. Leider entsprach das finanzielle Ergebnis des gutgemeinten Experiments in keiner Weise dem künstlerischen Erfolg. Damit diese Arbeitsgemeinschaft zeitgenössischer Musiker und Künstler zu einer dauer* haften Einrichtung wird, die, von Rom ausgehend, ihr interessantes Programm über ganz Italien ausbreiten und für das Musikleben des Landes eine bahnbrechende Bedeutung erlangen könnte, wird man Mäzene finden müssen, die der Kunst der Oper Mittel zur Verfügung stellen, damit sie wirklich lebendig erhalten bleibe.

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