7098549-1995_03_19.jpg
Digital In Arbeit

An der Gewürzstrqße der Nabataeer

19451960198020002020

Israel hat viele aufregende Orte. Doch der Grenzort Nizana ist wohl einer der interessantesten im heutigen Israel.

19451960198020002020

Israel hat viele aufregende Orte. Doch der Grenzort Nizana ist wohl einer der interessantesten im heutigen Israel.

Werbung
Werbung
Werbung

Drei Komponenten sind es, die aus einem kleinen, erst seit sieben Jahren existierenden und vom Landeszentrum weit entfernten Ort etwas Einzigartiges machen.

Zunächst die geographische Lage: Nizana liegt fast unmittelbar an einem der drei Grenzübergänge mit Ägypten. Hier wird sozusagen der Frieden tagtäglich praktiziert. Hier findet ein reger Warenaustausch statt. Lastwagen vor allem mit Baumaterial, landwirtschaftlichen Erzeugnissen und ähnlichem kommen bis an die Grenze: die Lasten müssen heute allerdings noch von einem ägyptischen Laster auf einen israelischen (und vice versa) überführt werden, was zwar zeitraubend ist, aber an sich eingespielt vor sich geht. Die israelische und die ägyptische Fahne flattern in friedlichem Wettbewerb unweit voneinander, die Zollbeamten kennen einander gut, trinken zusammen Kaffee, erzählen sich über ihre Familien, Zores inbegriffen. Alle glauben, daß über diesen Grenzübergang bald Hunderte, ja vielleicht Tausende Lastwagen von Ägypten nach Jordanien und umgekehrt rollen werden. Das Friedensabkommen mit Jordanien muß sozusagen praktisch an Nizana „vor-

beikommen”, denn von hier bis zum nächsten jordanischen Grenzübergang beträgt die Entfernung nur 90 Kilometer Luftlinie.

Zweck und Aufgabe der vor nur acht Jahren gegründeten Ortschaft ist ein großes Jugend- und Erziehungszentrum, hauptsächlich für Jugendliche aus der Diaspora, besonders den GUS-Ländern. Zwar ist der Gründer „Ljova” Eliav bereits in Pension und hier nur noch selten anzutreffen, aber sein Traum, jüdische Jugend gerade hier, inmitten der Wüstensteppe mit dem wenig bekannten Israel bekannt zu machen, wird voll und ganz verwirklicht. 1993 besuchten 5.000 Jugendliche Nizana zu einem pädagogischen Kurzaufenthalt zwischen maximal drei Monaten und minimal einer Woche, 1994 waren es bereits 6.000, und für 1995 rechnet man mit 7.500 Jugendlichen. Überall beherrscht die Jugend das Ortsbild, die Atmosphäre ist gelockert, fröhlich und unbeschwert. Im für 500 Gäste gebauten Speisesaal wird kräftige Hausmannskost serviert.

Das Schulprogramm ist eine gut verdauliche Kost. Ein halber Tag ist Klassen-Unterricht, der um zwei Hauptfächer kreist: Hebräisch sowie Geschichte und Geographie Israels, mit Betonung auf die bis vor kurzem

vernachlässigte Nizana-Begion. Natürlich kommen auch Fächer wie Umweltschutz, Fauna und Flora und ähnliches zu Wort. Der zweite Teil des Tages besteht in praktischem, oft manuellem Anschauungsunterricht. Die Gegend ist reich an archäologischen Schätzen, die langsam freigelegt werden, nicht zuletzt mit Hilfe der Nizana-Schüler. Füchse- und Schlangen-Beobachtung in der Natur sind beliebt.

Die dritte wichtige Komponente sind die Nabataeer. Die waren ein Volk, das in Teilen des heutigen Jordaniens und Israel ein Reich gründete, dessen Blütezeit im ersten Jahrhundert vor Christi lag. Ihre Hauptstadt war Petra, von wo aus weitere vier Städte, wie Perlen an einer Kette, in Abstanden von je 30 Kilometer aneinander gereiht, entlang einer Karawanen-Handelsstraße Ägypten mit Arabien verbanden. Diese Handelsstraße wurde „Gewürzstraße” bezeichnet. Sie führte über die heutige Aravah-Senke und ermöglichte einen prosperierenden Handel. Die Nabataeer entwickelten erfolgreiche Techniken in rigiden Zonen, so daß sie im Laufe einiger Jahrhunderte sowohl vom Handel als auch der Landwirtschaft großen Nutzen zogen.

Übrigens hat Israel heute viele der Nabataeertechniken nachgeahmt

oder übernommen und dies auch freimütig zugegeben. Diese Techniken werden nun auch in Nizana angewandt. Vor Augen der Jugendlichen, die noch nie vorher von diesem Volk gehört hatten, werden noch einmal sowohl die Erfolgsstory der Nabataeer, als auch ihre nachahmungswürdige Landwirtschaft von neuem ins Leben gerufen. Den Endpunkt der Karawanenstraße war Kadesh Barnea, heute ein Kibbuz mit 100 Einwohnern, nur wenige Kilometer von Nizana entfernt. Heute wird fast die gleiche Straße zwischen Nizana und Petra beziehungsweise Amman geplant, nur daß sie diesmal für den Tourismus sowohl auf Kamelen als auch im PKW gedacht ist.

Nizana, das sich als Erziehungsort besonders für das Jugendalijah-Alter (15-17) bewährt hat, steht heute vor großer Expansion. Man spricht von mindestens 1.500 Jugendlichen mit Lehrer- und Dienstleistungspersonal in den nächsten Jahren. Akut geht es um die Erweiterung der Schulklassen und vor allem der Studentenheime.

Zum Schluß noch eine persönliche Empfehlung: wer abseits von Hotels, von Souvenirläden, den obligatorischen Staus und vom üblichen Touristen-Trott einmal etwas Unbekanntes, aber Faszinierendes kennenlernen will, sei nach Nizana eingeladen!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung