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An die Hörbereiten unter den Gebildeten

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„An die Gebildeten unter ihren Verächtern“ wandte sich vor eineinhalb Jahrhunderten der in seiner Zeit und Art große evangelische Christ Schleiermacher im Untertitel einer Schrift über die Religion. Man glaubte damals ohnedies schon alles über die Religion, insbesondere über die christlichen Bekenntnisse, zu wissen. Es hätte auch kaum als besonderes Zeichen von Bildung gegolten, über das Normalmaß hinausgehende Wiß- begierde zu verraten. Im schlechtesten Fall sahen die Generationen der Spät-

aufklärung, an die sich Schleiermachers, die religiöse Romantik einleitende Schrift wandte, in der Religion eine Sammlung unvernünftiger und aberwitziger Mythen, Märchen und Zeremonialgesetze, die man als ein „Ganzes“ abschätzen konnte, ohne sich bei Einzelheiten und Differenzen allzulang aufzuhalten. Im anderen, besseren Fall sahen die jungen Romantiker, darin von Novalis angeführt, das „Religiöse“ ehrfürchtig als ein nicht zu entschleierndes Mysterium, dem man sich nur vermöge des aufwallenden Gefühls nahen konnte, das sich aber der verstandesmäßigen Durchdringung, ja auch bloß der wissensmäßigen Aufnahme grundsätzlich entzog.

Ein Schleiermacher von heute müßte seiner Schrift den entgegengesetzten Titel geben. Sie müßte sich an die immer größer werdende Zahl jener wenden, die in sich die Sehnsucht nach jener Heilsbotschaft verspüren, die mehr ist als das bloße „religiöse Gefühl", mit dem sich noch die Generationen in der Nachfolge des „Faust“ zufrieden gaben, die Antwort und Gewißheit, wahrnehmbare und mitteilbare Kunde bedeutet, nicht nur Echo und Widerhall eigener Rufe. Wenn wir heute etwas nicht mehr haben, dann ist es die überlegene Religionsverachtung des spätaufklärerischen Bürgertums, vor der sich Schleiermacher fast schüchtern als gläubig zu legitimieren versuchte. Aber auch das bloße Schwelgen in frommem Gefühl genügt heute weder dem, der „drinnen“ zu stehen vermeint, noch gar dem, der die Vorhofgrenze nicht zu überschreiten wagt. Wir suchen nach der Gewißheit, nach dem Absoluten und Gültigen: aber alles in uns Kindern dieser Zeit sträubt sich zugleich dagegen, dieses Absolute in jener rationalistischselbstsicheren Form vordoziert zu bekommen, die eben einmal mit dem verbunden ist, was man landläufig Theologie nennt. Dieser Zwiespalt scheint unaufhebbar: Wir verachten —

durchaus mit Recht — jeden religiösen Feuilletonismus, alles Geschwätz vom „Lichtfest der Weihnacht“, von der „inneren Erneuerung und Lenzespracht des Ostermorgens“, wir wollen keine verschwimmende Allerseelenstimmung mit heidnischer Totentrauer und sentimentalem Blätterfall . . . aber wir sind Kinder des 19. und 18. Jahrhunderts genug, um „schockiert“ zu sein, wenn uns da oder dort außerhalb des reinen Kirchenraums schwarz auf weiß in der nüchternen Sprache der Dogmatik verkündet wird, daß zu Weihnachten die zweite göttliche Person

Mensch geworden sei und daß sich dies im Schoß einer auserwählten Jungfrau vollzogen habe . . . Wir schrecken zurück, wenn wir die „harte Rede“ des Absoluten vernehmen, und wir verlangen doch nach ihr, weil wir in den weichen Dämmerlandschaften des religiösen Liberalismus schon gar nicht mehr zu Hause sein wollen …

II

Auf diesen, mit der hier vorliegenden Seite „Christ in der Welt“ zum erstenmal aufgeschlagenen Blättern kann das hier nur aufgezeigte Mitteilungsproblem religiöser Inhalte außerhalb des kirchenamtlichen, kate- chetischen oder fachtheologischen Raums (und in keinen gehört die „Furche“ ihrer Natur und Aufgabe nach hinein) natürlich nicht gelöst werden. Dazu bedürfte es, wie eingangs gesagt, eines anderen Schleiermacher in unseren Tagen. Es kann mit dieser Seite lediglich ein Versuch unternommen werden. Er liegt darin, drei Elemente der Mitteilung in den Dienst religiösen Inhalts zu stellen, die regelmäßig (von besonderen Aus-

nahmssituationen abgesehen) wiederkehren sollen.

Das erste und wichtigste Element ist das des Glaubensinhalts selbst. Für dieses Kalenderjahr haben wir den Text des großen und allgemeinen Gebets gewählt, das die katholische Kirche des Erdkreises am jeweiligen Sonntag als Zusammenfassung ihres gemeinsamen Anliegens gesprochen wünscht. (Im besonderen Fall kann es natürlich auch das eines anfallenden Hochfestes sein.) Wir sind der Überzeugung, daß das, was in diesem Gebet, dessen deutsche Übersetzung wir vorlegen, ausgedrückt ist, auch durch einen Christen nichtkatholischen Bekenntnisses in den Grundzügen nachvollzogen werden kann, ohne daß wir deswegen einer Verwässerung oder Verwischung des katholischen Charakters Vorschub leisten wollen. Die wenigen kommentierenden Zeilen aus der Feder eines Laien erheben natürlich nicht den Anspruch, Homilie oder Exegese zu sein, sie stehen lediglich im Dolmetschdienst am heiligen Text selbst.

Das zweite Element dieser Seite ist das der (zuweilen vom Bild unterstützten) um absolute Sachlichkeit bemühten Information über das christliche Weltgeschehen in seinen wöchentlich aktuellen Brennpunkten. Hier soll keine Vereinschronik geschrieben und schon gar nicht der offizielle Teil des „Osservatore Romano" nachgeahmt werden. Was hier steht, ist weder erbauliche Propaganda und selbstgefällige Erfolgsstatistik noch anekdotische Kuriositätensammlung. Es ist bewußt für die geschrieben, die weder „drin“ noch „vom Bau“ sind, sondern für jene vielen Tausende, die handfeste Tatsachen, gesicherte Zeugnisse lieben, die die „Hand in die Wundmale“ legen wollen. Man möge nicht ver gessen, daß schon Gregor der Große in seiner Homilie zum Fest des Apostels diesen Zweifel des Thomas als segensreich für unseren eigenen Glauben gepriesen hat. ..

Das dritte Element ist dann das der Problemdarstellung, der abwägenden kritischen Analyse oder des ausführlicheren wissenschaftlichen Berichtes. Wenn wir auch keinen Zweifel daran lassen wollen, daß diese Seite von klar überzeugten katholischen Christen gestaltet wird und sich auch in erster Linie an katholische Leser wendet, so sind wir doch der ebenso klaren Überzeugung, daß hier, wie auch im Bereich des Informativen, der Platz für unsere christlichen Brüder evangelischen oder orthodoxen Bekenntnisses kein verlegen „zugestandener“, sondern ein durchaus legitimer ist. Die „Furche" ist kein Organ, das ex cathedra in theologischen Kontroversfragen zu entscheiden hat. Sie hat daher nicht nur das Recht, sondern auch die ausdrückliche Pflicht, ihren Lesern, die hier ja nicht die an anderem, legitimem Ort zu holende Unterweisung suchen und finden sollen, das Zeugnis aller jener vor Augen zu stel-

len, die als Kinder unserer Zeit den Lebensfragen der gesamten Christenheit nachsinnen und sich weniger um die Interpretation ihrer jeweils eigenen Meinung, sondern vielmehr um das Vernehmen der Botschaft und des Willens Dessen bemühen, der der Eine und Einzige Herr der von Ihm als Einheit gewollten Kirche für alle Zeiten bleibt.

Daß es in diesem Rahmen auch möglich sein wird, unser brüderliches Verhältnis zu jenen gläubigen Menschen, die wie wir Bekenner und Zeugen des einen Gottes sind, also den Juden und Mohammedanern, von Zeit zu Zeit zu bedenken, ist eine unserer großen und auf die Zukunft hin gespannten Hoffnungen.

III

Wir haben es eingangs gesagt: Die Menschen unserer Zeit bleiben nicht selbstgefällig in der Pose des Fragenden stecken, sie begnügen sich nicht mit der müden Skepsis oder der Flucht ins unverbindliche Gefühl. Sie verlangen auch im Religiösen die Antworten, die eine und einzige Antwort. Wir glauben, daß es diese Antwort an einer einzigen Stelle der Welt und der Zeit gegeben hat und gibt. Aber es ist nicht die Aufgabe einer Zeitung, diese Antwort in angemaßter Würde zu wiederholen. Wohl aber, den fragenden Menschen eine schlichte Kreuzungsauskunft, einen sachlichen Kartenhinweis, im höchsten und gnadenreichsten Fall sogar eine an Sonne und Sternen orientierte Information über die Himmelsrichtung des zielführenden Weges zu erteilen. Das und nicht mehr, aber auch nicht weniger, wollen wir mit dieser neuen Seite der sich gleich und treu bleibenden „Furche“.

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