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An Österreichs Ostrand

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Eine der interessantesten und wertvollsten Erscheinungen imstaatspolitischen Leben Österreichs stellt die Volksgruppe der burgenländischen Kroaten dar. In Österreich bekennen sich rund 50.000 Menschen zu diesem Volkstum. Sie wohnen zum größten Teil im Burgenland; sonst finden wir sie nur noch in Wien in größerer Anzahl vor, wo sie etwa die Zahl von 8000 bis 10.000 erreichen dürften.

Die burgenländischen Kroaten sind im 16. Jahrhundert aus dem Süden eingewandert und siedeln heute verstreut über

MILAN BEGOVIC

Das Öll

ampchen

Der Abend hüllt das greise Paar in Schweigen, bringt Schlaf den Augen, müden Händen Ruhe. Es pocht der Totenwurm im Holz der Truhe, und Stille lauscht dem scheuen Windesreigen.

Und wie ein Schrei aus Nacht und Urweltbangen, brennt ölgetränkt ein Docht vor der Ikone. Es flattern Schatten über Spind und Krone, da bebt die Tür, wer ist durchs Haus gegangen?

Die Alte schreckt empor und schaut im Dunkeln

des Flackerlichtes seltsames Erblühen:

so loht ein Herz, entfacht von Gram und Sehnen.

Und seines Blutes Klang und rotes Funkeln

schrei'n: Mutter, MutterT, flammend Im Verglühen. —

Auf sorgenfahlen Wangen glitzern Tränen.

Aus dem Kroatischen von Alfred Buttlar Moscon

zu verweilen. Nach dem zweiten Weltkrieg, im Verbrüderungsrausch des Westens mit dem Osten, wurde es zum beliebten publizistischen und politischen Leitmotiv, den „Niedergang der Reaktionäre“ Mitteleuropas zu feiern. Diese „Reaktionäre“, die teils als Flüchtlinge, teils daheim als Konzentrationslagerkandidaten lebten, sollen für alle wahren oder erdachten Übel verantwortlich ge-

das ganze Gebiet des Bundeslandes. Ihre Siedlungen lassen sich in vier Gruppen zusammenfassen, die durch mehr oder weniger ausgedehnte deutsche Siedlungen voneinander getrennt sind. Vom Norden her treffen wir die erste Gruppe in der Gegend von Parndorf, die zweite siedelt nördlich von ödenburg in der Gegend um E i s e n s t a d t, die dritte umfaßt die Kroaten zwischen ödenburg und G ü n s, und südlich davon lebt die vierte Gruppe, die südburgen-ländischen Kroaten. Der Zusammenhang

innerhalb dieser Gruppen selbst ist vielfach durch deutsche Dörfer unterbrochen. Es gibt auch ganz wenige gemischtsprachige Gemeinden, in denen ein Teil der Bevölkerung deutsch, der andere kroatisch ist, wie zum Beispiel in S i g-1 e ß bei Mattersburg und in A n t a u zwischen Mattersburg und Eisenstadt.

Der Großteil der Leute lebt vom Ackerbau. Da der Grundbesitz sehr zersplittert ist, sind wirklich reiche Bauern unter den burgenländischen Kroaten selten. Die Industrie Niederösterreichs und Wiens zieht viele nordburgenländische Kroaten an sich, während im Süden des Landes die Leute mangels anderen Einkommens gezwungen sind, sich als Saisonarbeiter zu verdingen, um die notwendigen Mittel zum Lebensunterhalt über den Winter sicherzustellen. Nach dem ersten Weltkrieg sind viele nach Ubersee ausgewandert und haben es hier vielfach zu großem Wohlstand gebracht.

Unter den kulturellen Belangen der Volksgruppe interessiert vor allem die Schule. Im mittleren Burgenland erfreuen sich die Kroaten eigensprachiger Schulen, während dies in den übrigen Siedlungsinseln zu wünschen übrigläßt. Die zuständigen Stellen sind jedoch bemüht, berechtigte Wünsche weitgehend zu erfüllen. Vor kurzem erst gelang es, einige moderne kroatische Lesebücher herauszugeben. Schwierigkeiten bestehen noch in der Schaffung eines allgemein gültigen, modernen Lehrplans, doch läßt das große Verständnis der verantwortlichen Stellen hoffen, daß auch diese Schwierigkeiten in absehbarer Zeit behoben werden. Bei der endgültigen Regelung der burgenländischen Schulverhältnisse wird beachtet werden müssen, daß die Kroaten so gut wie ohne Ausnahme katholisch sind.

Was lesen die burgenländischen Kroaten? Zwei Zeitungen stehen ihnen zur Verfügung: „Crikveni Glasnik Gradis 5a“ (Der Kirchenbote des Burgenlandes), das offizielle Organ der Kirchenbehörde für die burgenländischen Kroaten, und „Nas Tajednik“ (Unser Wochenblatt), das sich als unabhängiges Organ bezeichnet. Da Zeitschriften fehlen, bringen die genannten Zeitungen in bescheidenem Ausmaß auch schöngeistiges Material. Darüber hinaus bringt hie und da ein Büchlein in burgenländisch-kroatischer Sprache Erzählungen für das Volk. Ein Kalender, redigiert vom erfolgreichsten burgen-ländisch-kroatischen Schriftsteller der Gegenwart, Pfafrer Ignaz H o r v a t h, erscheint regelmäßig jedes Jahr. An

Schaffensversuchen junger Intellektueller fehlt es nicht. Wenn vom literarischen Schaffen die Rede ist, darf der Mann nicht vergessen werden, der für die burgenländischen Kroaten besondere Bedeutung erlangt hat, der Pfarrer und Dichter Mate Mersich (1850 bis 1928), mit seinem Dichternamen M i 1 o r a d i 6 genannt. Er war volkstümlicher Lyriker, Philosoph und Essayist.

Das Vereins- und Genossenschaftswesen der burgenländischen Kroaten unterscheidet sich nicht von dem ihrer deutschen Mitbürger, überall in den Dörfern finden sich Gesangvereine, Sportvereine, Raiffeisen- und Sparkassen, Milchgenossenschaften usw. In den beiden erstgenannten Vereinsgruppen wird auch der Pflege des eigenen Volkstums (zum Beispiel: Nationaltracht von S t i n a t z) Aufmerksamkeit geschenkt. Theateraufführungen, Pflege des Volksliedes, der nationalen Sitten und Gebräuche beleben die Tätigkeit dieser Vereine. In jüngster Zeit erfreut sich auch das nationale Musikinstrument der Kroaten, die Tamburiza, großer Beliebtheit. Hieher gehört noch der „Kroatische Kulturverein im Burgenland“ und der „Kroatische Akademikerklub“. Die „Kroatische Verlagsgesellschaft“, die erst in aller-jüngster Zeit entstanden ist, hat sich zur Aufgabe gesetzt, die schöngeistigen Werke burgenländischer Kroaten zu veröffentlichen. Der Gesellschaft gehört unter anderen auch der jetzige Landeshauptmann des Burgenlandes, Dr. Lorenz Karall, an, in dem die burgenländischen Kroaten schon seit dem ersten Weltkrieg ihre hervorragendste Persönlichkeit sehen.

Was die burgenländischen Kroaten zur Förderung und Hebung ihrer Kultur leisten, ersteht einzig und allein aus ihren eigenen bescheidenen Mitteln. Wenn sie an ihrem Volkstum schon seit über 400 Jahren festhalten, so tun sie dies nicht wie andere nationale Minderheiten, indem sie fremdes Volkstum hassen oder zumindest ablehnen, sondern ihre Losung heißt: Hüte das eigene und achte das fremde Volkstum! Sie handeln danach, indem sie sich der Pflege der deutschen Sprache und Kultur in Liebe widmen. So zählen sie wirklich zu den treuesten Söhnen Österreichs.

Das religiöse Leben der burgenländischen Kroaten ist intensiv. Wohl wirkt sich die Nähe der Großstadt vor. allem im Norden des Landes ungünstig aus, so daß auch in manche kroatische Gemeinde eine gewisse Entfremdung eingedrungen ist; im ganzen aber ist das . Volk zutiefst religiös. Diese Tatsache läßt sich nicht zuletzt auch geschichtlich erklären und gründet darauf, daß die katholische Kirche zu allen Zeiten den Bedürfnissen der kroatischen Volksgruppen vollstes Verständnis entgegengebracht hat. Bis 1938 standen den kroatischen Gläubigen auch Gebetbücher und eine reichhaltige Kirchenpresse in ihrer Muttersprache zu Gebote. In der schweren Zeit zwischen 1938 und 1945, da alle Quellen versiegten, aus denen nationales Leben hätte fließen können, da sich das burgenländische Kroatentum in höchster Gefahr befand, stand die katholische Kirche felsenfest zu den bedrängten Söhnen. In den Kirchen wurde auch weiterhin kroatisch gebetet und gesungen, die Seelsorgetätigkeit erfolgte auch weiterhin in kroatischer Sprache. Ja, kroatische Priester wagten es, auch literarisch tätig zu sein: Dechant Martin Mersich gab das Diözesangebetbuch „Krüh Nebeski“ („Himmelsbrot“) heraus, Pfarrer Stephan Horvath brachte im Jahre 1941 die „Poboznosti naroda“ („Volksandachten“) und „Pjesmarica“ (Liederbuch) zustande; der Kantorlehrer in R., Vukovich, gab das Kirchengesangbuch mit Partituren, „Napevka“, im Jahre 1941 heraus.

Die Apostolische Administratur Burgenland ließ zwischen 1938 und 1945 alle. Seelsorgebehelfe, wie Erbauungsstunden,. Weisungen, Hirtenbriefe usw., auch in kroatischer Sprache herstellen. Ebenso waren die für den Religionsunterricht erforderlichen Bücher in kroatischer Sprache immer genügend vorhanden. In diesem Zusammenhang darf hervorgehoben werden, daß derzeit eine Neuausgabe der „Biblischen Geschichte“ und die Herausgabe der ersten kroatischen Heiligen Schrift geplant ict.

Das Verhältnis zwischen der Kirche und der burgenländischen kroatischen Volksgruppe ist getragen vom Grund-

satz: Treue um Treue, zu dem auch Kardinal Innitzer stand, der als Apostolischer Administrator des Burgenlandes drei kroatische Pfarren errichtete, eine davon in der schwersten Notzeit 1939. So ist es nur natürlich, daß auch dem neuen kirchlichen Oberen des Burgenlandes, Bischof Schoiswohl, von den Kroaten unbegrenztes Vertrauen entgegengebracht wird.

Seit über 400 Jahren steht die burgen-ländisdie Volksgruppe isoliert von der Urheimat wie ein winzig kleines Atoll inmitten der zeitweise stark andrängenden Nachbarkulturen. Sie steht auch heute noch und lebt ihr nationales Eigenleben. Weder Propaganda noch Presse noch Radio oder Bücher waren notwendig, um dem Volke die Kraft zur nationalen Existenz zu erhalten.

Die kleinen burgenländischen Volksgruppen mit ihrem nationalen Eigenleben haben aber gerade unserer Zeit und der Welt noch mehr zu sagen. Hier wird der Beweis erbracht, daß die verschiedenen Nationen durchaus friedlich nebeneinander leben, ja daß sie sich sogar gegenseitig bereichern können. Ist es nicht bezeichnend für die völkerverbindende Stellung und geschichtliche Aufgabe Österreichs, daß gerade am Ostrand dieses kleinen Landes ein solches Beispiel praktischer Friedensarbeit gegeben wird? Wenn es im kleinen geht, dann müßte es bei gutem Willen auch im großen möglich sein, die Schranken des Hasses niederzureißen und mit vereinten Kräften am gemeinsamen Wohle der Menschheit zu arbeiten.

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