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Antiqua bis Avantgarde

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Im Mozartsaal des Konzerthauses spielte das Philharmonische Oktett Berlin.

Ein kurzes Konzert, ein schönes Konzert —, und ein interessantes dazu. Vier zeitgenössische Werke, von denen zwei speziell für dieses seit 30 Jahren bestehende Ensemble geschrieben wurden, standen auf dem Programm. Das Oktett von Boris Blacher, 1956 komponiert, bezeugt den Meister durchsichtiger, linearer Schreibweise, der jederlei Füllsel und Ornament zu meiden weiß. Wenn ein so geistvoller Künstler lyrisch wird, so entsteht etwas besonders Feines und Apartes, eben ein kleines Meisterwerk.

Victor Bruns, 1904 toi Finnland geboren und In Leningrad ausgebildet, erhielt seinen letzten Schliff bei Boris Blacher in Berlin. Mit die$e$i teilt er die Vorliebe für eine gestische, rhythmisch konzise Musik, die aber symphonischer, fülliger und gefälliger klingt, als die seines Lehrers. Bruns erinnert zuweilen an Prokofieff, der österreichische Hörer mag an Alfred Uhl denken.Aus ganz anderem, feinerem Stoff, sind Hons Werner Hernes Vier Fan-tasten aus der zwölfsätzigen „Kammermusik“ von 1958 gebildet, denen das Hölderlin-Fragment „In lieblicher Bläue“ zugrunde liegt. In diesen Instrumentalsätzen ist etwas von der lyrisch-meditativen, romantischmediterranen Stimmung der Vorlage eingefangen und mit subtiler Klangphantasie wiedergegeben. Jedes der drei besprochenen Werke dauerte genau 15 Minuten. Gehalt und Form können als „deckungsgleich“ bezeichnet werden, was fast immer Kennzeichen eines gelungenen Kunstwerks ist. Hindemith braucht für sein fünfsätzlges Oktett zwar die doppelte Zeit. Aber man ist auch hier gut unterhalten: durch das Altmeisterllche der Schreibweise, die Konzlsion der Form, das Musikanttsch-Spielerische der; raschen Sätze und den Ausdrucks-gehalt des mittleren (langsamen) Satzes, schließlich durch die Virtuosität der Fuge und den Witz des aus Walzer, Polka und Galopp bestehenden Finales. Die acht Berliner Philharmoniker — fünf Streicher und drei Bläser — sind Musiker allerersten Ranges. Daß sie uns bei ihrem ersten Gastspiel in Wien gleich vier neue Werke mitgebracht haben, muß ihnen hoch angerechnet werden.

Es war eine recht durchschnittliche Aufführung von Bruckners f-Moll-Messe, die Kurt Wöss mit dem Bruckner-Orchester Linz und der Wiener Singakademie im Konzerthaus bescherte. Routine und zuwenig Einfühlung prägten die im ganzen einförmige Wiedergabe. Der Chor (Einstudierung: Hermann Furthmoser) sang zu laut und massiv, vor allem etwas zu undifferenziert. Das Orchester musizierte farbintensiv, wenngleich nicht sehr homogen. Enttäuschend war auch das Solistenquartett: Laurence Dutoit, Margarete Palm und Heid Bunger entledigten sich ihrer Aufgaben temperamentlos, ohne allzu großen Emotionsaufwand und persönliches Engagement. Lediglich Peter Baülies schöner, wohlklingender Tenor gefiel.

Das Festkonzert der Wiener Musico Antiqua im Brahms-Saal stellte erstmals John Blows Minioper „Venus und Adonis“ vor, eine bittersüße Liebesgeschichte aus mythologischen Bezirken, 1682 erdacht als Amüsement für Karl II. von England. Blow, ein Schüler Purcells, war gewiß kein Genie, aber ein perfekter Musikhandwerker, einer, der kokettes szenisches Getändel, feinen Humor und große Aufzüge musikalisch virtuos zu illustrieren verstand. Die Aufführung unter Theodor Guschlbauer geriet straff, elastisch, voll instrumentalem Glanz. Die Solisten Han-neke van Bork (Venus), Kurt Ru-zicka (Adonis) und Jane Gärtner (Cupido) und das Vokalensemble pointierten die sentimental-romantischen Texte mit Anmut und Geschmack. Die Übersiedlung des Werkes auf eine Bühne wäre ein Erlebnis. Um aufführungstechnisch ungemein schwierige Fantasie- und Suitenkompositionen von Holborne, Bull und Purcell bemühte sich das Bläserensemble der Musica Antiqua.

Im Zyklus „Die fünfte Symphonie“ interpretierte Anton Heiller mit den Symphonikern die beiden Fünften von Schubert und Bruckner. Zwei Werke, deren Gemeinsames nicht an der Oberfläche liegt, sondern liebend gefunden werden muß. Hier wurde es deutlich, fast triumphierend aufgezeigt. Heiller, als Komponist auf einsamer Höhe, Schubert so hingebungsvoll wienerisch musizieren zu sehen (und zu hören), konnte für sich schon als festliches Erlebnis gelten. Es wiederholte sich auf anderer Ebene (und im Grunde dennoch auf der gleichen) bei Bruckner. Der komplizierte Aufbau der gigantischen Symphonie erfuhr eine klare und saubere Gliederung in ihren Gegensätzen und Verbundenheiten. Und blieb es auch beim ehrfurchtsvollen „Sie“ gegen das brüderliche „Du“ zu Schubert, so ahnte man doch die größere innere Nähe des Dirigenten zum Florianer Meister. Es war ein österreichisches Musikfest im Kleinen: ein österreichischer Komponist, der nicht zu den Kleinen gehört, dirigierte die Werke zweier ganz Großer. — Die Einführungen in den Programmheften von Professor Rudolf Klein ergeben bereits einen Wiener Konzertführer bester Qualität, dessen historische und analytische Ausführungen immer verständlich und immer apart sind.

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