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„Arabella“, „Figaro“ und „Fidelio“

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„Aber der Richtige, der wird einmal dastehn“ — singt Arabella und kennt noch nicht Mandryka, den ersehnten Idealgatten, das Idol eines nicht immer kühlen Mädchenherzens. Der Richtige für diesen Edelmann aus der Walachei, für eine der sympathischsten Gestalten, die Hofmannsthal erfunden hat, „stand da“ — wie ein Fels und wie ein Mensch im Sarastroischen Sinne. Dietrich Fischer-Dieskau hatte einen der größten Abende seines bisherigen Sängerlebens. Wie dieser Prachtbariton die Spanne der drei Oktaven ausfüllt, wie dieser Schauspieler die Gestalt mit echtestem Leben erfüllt, keineswegs in nur naturalistischer Manier (wozu dieser Mandryka leicht verführen kann und auch andere verführt hat!), das muß man gehört und gesehen haben, um völlig fasziniert gewesen zu sein. Eine ideale Leistung, eine früh errungene Meisterschaft, der die künstlerische Demut Pate steht! Vier Frauen um ihn: Lisa Deila Casa ist eine bezaubernde Arabella; ihr Schöngesang erfüllt die weiten Bögen der ihr zugedachten Phrasen, ihr Spiel ist reif und warm geworden. Aus der könnerischen Sängerin wurde im Laufe der letzten Jahre eine Künstlerin allerhöchsten Anspruches. Anneliese Rothenberger war ebenfalls mit der ihr anvertrauten Rolle des Zdenko völlig zu identifizieren. Ihre Stimme ist völlig ausgeglichen, der dramatische Zugriff der Partitur spannt ihre Kräfte nicht an, sondern löst sie. Ihre bewegliche Intelligenz steht der Entfaltung des Charmes nicht im Wege. Die dritte, schöne Frau des Abends heißt Ira M a 1 a n i u k. Diese hübsche „Mutter“ der beiden genannten „Töchter“ gestaltet mit Persönlichkeit, setzt ihren strömenden Alt wortklar und feinsinnig, auf Klangwirkung bedacht, ein. Vierte im Bunde ist die Salzburger Debütantin Eta Kö.hrer, eine Oesterreicherin aus Düsseldorf, die sich gewandt der Gefahrenkette der Fiakermilli ergab und diese „Wasserprobe“ gebührlich bestand. — Otto Edelmann feierte als Graf Waldner, spielverschuldeter Vater der standesgemäß zu verheiratenden Töchter, fröhliche Urständ. Ihm zuliebe müßte der „Rosenkavalier“ wieder auf den Salzburger Festspielplan kommen. Kurt Rueschke als Matteo sorgte für den Schatten, der zum Licht gehört. Kerstin Meyer dagegen machte die Exposition als Kartenaufschlägerin persönlichkeitsgeladen und gewichtig. Die drei Freier waren mit Helmut Mel-chert, Georg Stern und Karl Weber besetzt. Der Richtige wirkte auch am Dirigentenpult: loseph

K e i 1 b e r t h, der vor den prachtvoll spielenden Philharmonikern,- vor dem Staatsopernchor, der sich in Hotel- und Ballgäste, Fiaker und Kellner zu verkleiden hatte, und vor diesen genannten Solisten eine ungemein nuancenreiche musikalische Wiedergabe präsentierte. Rudolf Hartmanns Vertrautheit mit Strauss' Werk erwies sich in vielen Einzelheiten der sorgsamen Regie. Stephan H1 a w a, der Bühnenbildner, stand vor keinen allzu schweren Problemen. Erni K n i e p e r t s Kostümgeschmack erhöhte das Fluidum des Augeneindrucks. Alles in allem: ein harmonischer Abend, erfüllt von Prachtleistungen, zusammengeschlossen im Ensemble. Fast alle waren „richtig“, die „dastanden“, deren Aktionen unsere konzentrierte Anteilnahme entzündete.

Das Team der künstlerischen Leiter, Karl B ö h m-Günther Rennert-Ita Maximowna, hatte ein „F i g a r o-Ensemble der Stars“ geschaffen, das die Leistungen im Vorjahr, bei der Wiener Jännerpremiere und auch bei der Brüsseler Weltausstellung noch übertreffen konnte. Die aus konkretem Theatersinn abgeleitete Personenführung Rennerts erwies sich an den Szenen Susanne-Marzelline beispielhaft: die Schwedin Kerstin Meyer wurde hier zum ebenbürtigen Widerpart der Seefried. Das Bühnenbild brauchte keine Korrektur; bei den farbenfrohen Kostümen erwies sich der erlesene Geschmack der Maximowna. Böhms • Dirigentenleistung sorgte für starke Kontraste. Dietrich Fischer-Dieskau ist der leidenschaftlichste Graf, den wir kennen. Die Gräfin der Schwarzkopf fand im Allegroteil der zweiten Arie zur stimmlichen Hochform. Ein idealer Cherubin: Christa Ludwig. Erich Kunz in der Titelrolle großartig im Ausgleich von buffo-nesken und seriösen Zügen. Auch die Besetzung der Nebenrollen durch Georg Stern (Bartolo), Anny Felbermayer (Barbarina), Alois Pernerstorfer (Antonio), Murray Dickie (Basilio) und Erich Majkut (Curzio) traf ins Schwarze.

Noch stärker als im „Figaro“ empfand man die künstlerische Kapazität der Wiener Philharmoniker als das Festspielorchester im „Fi d e I i o“ unter K a r a j a n. Seine Beethoven-Interpretation hat an Tiefe gewonnen. Die Leonoren-III-Ouvertüre klang klassisch ausgewogen und zugleich romantisch leidenschaftlich auf. Dem Rahmen der Felsenreitschule entsprechend, mußte auch der Dirigent Karajan modifizieren: alles Singspielhafte des Stirnaktes wurde symphonisch beladen. Der Regisseur Karajan hatte es innerhalb der Bühnengestaltung Helmut Jürgens' noch schwerer: die geringe Tiefe der Bühne und ihre überproportionierte Breite widerstreben dem

Bewegungsmäßigen, das jedem Werk für das Theater ziemt, und fördern statuarische Symbolaktionen. Trotzdem wurde manches im Vorjahr heftig Kritisierte verbessert: etwa der nunmehr durchaus logische Auftritt Pizarros, der Uebergang von der Einschubouvertüre ■ zum Schlußbild. Bis auf die beiden italienischen Sänger als Florestan und Minister (Giuseppe Zampieri und Nicola Zaccaria), die von der Aussprache bis zum Andeutungsspiel weiterhin als Fremdkörper wirken, war eine Idealbesetzung am Werke: Christi Goltz in der Titelrolle (wir haben sie schon lange nicht so „hundertprozentig“ erlebt!), Paul Schöffler in Bestform als Pizarro, Otto Edelmann mit seiner Prachtstimme als Rocco, Sena I u r i n a c als blühend singende Marcelline, Rudolf Christ (neu) als sympathischer Jaquino, Majkut und Pernerstorfer an der Spitze des Staatsopernchors. — Großer Publikumserfolg beider Premieren.

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