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Architektur macht Schule — stimmt das?

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Licht, Luft, Sonne, Lufträume, Galerien und jede Menge Stahl und Glas. Die neuen Schulen stellen wirklich was dar. Vorbei sind die Zeiten der Monarchie, als alle Schulen mehr oder weniger gründerzeitlich gleich waren. Abgetretene Stufen, und der Geruch nach Schweiß, Turnschuhen, vergessenen Pausenbroten und Wachsmalkreiden. Gerüche wie diese haben in den neuen Schulen keinen Platz, die viel zu gestylt und perfekt sind, um bewohnt und gebraucht zu wirken.

Hat denn gebraucht vielleicht auch etwas mit brauchbar zu tun? Oder braucht man Schulen ja ohnehin nicht. „Architektur macht Schule” heißt eine beachtliche Präsentation im Künstlerhaus, die dem Auge von Modellen über Pläne und Filme viel zu sehen gibt.

Die Ausstellung selbst ist schon ein Stück Schule der Architekturvermittelung. Das Wortspiel im Titel läßt auf Humor hoffen, doch der findet sich in der todernsten schulmeisterlichen Werkschau nicht.

Die gezeigten Beispiele sprechen allerdings für sich, sie sind großteils wirklich schön. Über Schule weiß man deswegen nicht mehr als zuvor. Die neuen Räume voller Farben und Formen sind keine gründerzeitlichen genormten Rechtecke mehr. Metallene Stiegenhäuser stinken nicht, in den neuen Schulen riecht es wahrscheinlich mehr nach Linoleum und Plastik statt nach dem Schweiß der vom Turnsaal heraufströmenden Kinderhorden. Mief ist out, in der neuen Schule, und Staub auch. Der kann sich kaum ansetzen auf Nirosta, Stahl und Glas. Schule neu, auf ins Jahr 2000. Voll Elan, Energie und frischem Mut stürzten sich Österreichs Architekten seit den achtziger Jahren darauf, „Schüleruniversum und Stadtpartikel” zu schaffen.

Neue Materialien, Farben Formen und Konzepte sind schulweit angesagt. Keine mehr wie die andere, jede geprägt von einer bestimmten Architektenhandschrift, vom planerischen Willen mit oder ohne Hof, ein- oder mehrgeschossig, riegeiförmig, zwei-hüftig, geschwungen oder erst recht anders. Meist stehen sie am Stadtrand, von weitem sichtbar und oft das einzig interessante, was es dort zu sehen gibt. Immerhin wächst dort Gras, und die grüne Wiese ist nicht weit. Zum Erholen, wenn der Lehrplan das zuläßt. Modellklassen, integrierte Gesamtschulen, Schulversuche: eine eigene Architektursprache soll dem Neuen, das für die Schule konzipiert wird, Ausdruck geben. Doch was auf den Pulten geschrieben und gedacht wird, ist keine Frage des Winkels, in dem sie geneigt sind. Ob Tische nun brav aufgereiht hintereinander stehen oder im demokratischen Rund aufeinander bezogen angeordnet sind, macht Lehrer auch nicht anders.

Und wenn in Helmut Richters Schule am Kinkplatz Hunderte Doc Martens Schuhe über die eleganten Metallstiegen durch die hohe Halle donnern, kann man nur noch an einen Faradayschen Käfig denken. Wo blei ben da Schüler, Eltern und Lehrer mit ihren Trommelfellen und Nerven? Schule besteht eben immer noch vor allem aus der Fülle statt aus der Hülle. Wenn sie dann m ehr und mehr von Architekturtouristen gefüllt werden, daun ist vielleicht irgend etwas ein wenig falsch gelaufen.

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