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Auch Komödien sind politisch

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Emmy Werner leitet das Volkstheater in Wien, dessen Spielplan immer wieder sehr engagiert für die Schwachen eintritt.

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Emmy Werner leitet das Volkstheater in Wien, dessen Spielplan immer wieder sehr engagiert für die Schwachen eintritt.

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DIEFURCHE: Der Spielplan Ihres Theaters ist politisch orientiert - Ist Theater politisch?

Emmy werner: Ich hasse nichts mehr als allzu aufdringliche politische Stellungnahmen. Das hängt mit meiner Riografie zusammen, in meiner Familie waren immer sehr unterschiedliche politische Meinungen vertreten. Aber natürlich, dort wo man sich weh -ren muß, wo's ans Eingemachte geht, wo Demokratie in Gefahr ist, dort muß man hinhauen. Ich meine, es gibt kein unpolitisches Theater, auch eine gute Komödie ist politisch wie etwa „Charlie's Tante”. Da ist Kritik an Lüge und Doppelmoral, an verzopftem Denken drin. Aber Agitprop hätte ich nicht so gerne in meinem Haus. Daher bin ich beispielsweise mit der jüngsten Aufführung von Nestroys „Freiheit in Krähwinkel” nicht ganz so glücklich wie erhofft. (Der die meisten Rezensenten zu vordergründige Aktualisierung vorwarfen, Anm. d. R.) Der Volkstheater-Spielplan ist doch auch sehr gefällig, sehr publikumsfreundlich. Wenn schon ein Lustspiel, dann „Der brave Soldat Schwejk” im heurigen Gedenkjahr. In dem Stück geht es ja auch um das Rittere des Krieges und trotzdem ist es sehr unterhaltend. Und „Der Florentinerhut” von Labiche ist eine der bösesten gesellschaftskritischen Komödien über die Geldgier. Hin und wieder leiste ich mir dann große „Ausreißer”, wie es zum Reispiel „Anna Galactia” war, wo es um Macht und Korrumpierbarkeit des Künstlers geht. Das mußten wir statt der geplanten achtmal 22 mal spielen! Es ist der Kulturauftrag des Theaters, neue österreichische Autoren vorzustellen, diesen Auftrag habe ich mir selbst gegeben, er wurde mit meiner Restel-lung akzeptiert. Ich kann nicht ein subventioniertes Theater nur auf der Unterhaltungsschiene führen!

DIEFURCHE: Der Spielplan 95/96 berücksichtigt ja in besonderer Weise -des Millenniums wegen - österreichische Autoren.

WERNER: Wenn wir beispielsweise „Maß für Maß” von Shakespeare spielen, weil der Schauplatz Wien ist, dann wähle ich die Übesetzung von Erich Fried, beim „Florentinerhut” ist es die Übersetzung von H. C. Artmann.

DIEFURCHE: Gibt es zu wenig gute österreichische Autoren? Werner: Zu wenig, die für die große Ruhne schreiben können. Ich würde mir Autoren mit publikumsträchtigen Stücken für die große Ruhne wünschen. Das Stück muß entweder aufregend sein und verstören oder es muß publikumswirksam sein, meist liegt es aber in der Mitte und ist langweilig.

DIEFURCHE: Ist die heutige politische Situationfiir Sie beunruhigend? werner: Ja, aber das Angstgeschrei geht mir ein bisserl auf die Nerven, ich würde lieber kämpfen und aggressiver sein und nicht nur jammern. Jenen, von denen die Demokratie bedroht wird, müßte man mit gleichen Mitteln antworten und nicht so seriös. Die Seriosität und die Diskretion versteht die Mehrheit der Revölkerung nicht mehr, die verstehen nur mehr Mickymaus-Argumente. Es macht mich ein bißchen traurig, daß eine immer kleinere Rereitschaft besteht, selbständig zu denken. Wenn man mir beispielsweise etwas Unwahres vorwirft, dann würde ich mit Vorwürfen zurückschlagen. Ein Plakat wie dieses Künstler-Diffamierungsplakat der Freiheitlichen ist wirklich arg. Ein gescheiter Künstler unseres Hauses hat dazu gesagt: „Wie komme ich dazu, die auf dem Plakat Genannten jetzt in Schutz nehmen zu müssen?”

DIEFURCHE: Kann das Theater da etwas bewirken?

WERNER: Wenig, wenig. Eine Aufführung wie die von „Freiheit in Krähwinkel” beispielsweise hat zu 90 Prozent Zustimmung, aber es haben auch schon einige Resucher wütend das Theater verlassen.

DIEFURCHE: Das ist doch schon eine sehr konkrete Ebene im Theater! Eine ganz andere Frage: Was kann sich aus notwendigen Sparmaßnahmen im Kulturbereich fiir Ihr Theater ergeben' werner: Ich finde Sparen nicht schlecht - aber dann sollen alle sparen müssen! Sollte die Auflage kommen, daß ich mehr einnehmen muß, dann muß ich mir überlegen, wie ich das mit meinem Programm vereinbaren kann. Es hieße vermutlich, auf bestimmte Produktionen zu verzichten.

DIEFURCHE: Müßten Sie mehr publikumswirksame Stücke spielen? werner: Es ginge sicher zu Lasten des „Frontal”-Spielplanes.

DIEFURCHE: Wäre das tragisch? Werner: Ich bin noch ein Kriegskind, ich bin gewohnt mich einzuschränken. Ich wüßte auch ein paar Strukturmaßnahmen - also beispielsweise weniger Schauspieler im Ensemble. Unsere Schauspieler müßten dann jährlich mehr Rollen übernehmen. An vielen deutschen Theatern gibt es diese Situation schon. dieFurche: Gibt es eine Spannung zwischen der Theaterleiterin und der Regisseurin Werner? werner: Nein. Ich bin eine gute Ein-springerin bei Regiearbeiten, aber ich habe derzeit selbst keine Regieambitionen, sonst wäre ich ja längst im Ausland. Ich könnte auch nicht zwei Monate weg sein von meinem Haus, ich müßte ja eigentlich auch da übernachten ...

DIEFURCHE: Ist das nicht sehr stressig? werner: Umgekehrt, es war stressig, als ich einen Zeitplan machte und ihn einhalten wollte. Dann habe ich mir gesagt, o.k. ich gehe hier ins Kloster -da ist jetzt mein Leben.

DIEFURCHE: Gibt es die Feministin Werner?

WERNER: Im Namen des Feminismus ist schon viel Unsinn gesagt, getan und geschrieben worden ... Ich bin eine geradezu militante Verfechterin des Mann-Frau-Systems, einer Welt der Partnerschaft zwischen Mann und Frau. Ich weiß aber, daß Pendelbewegungen notwendig sind, um einen Ausgleich zu schaffen. An die Zukunft dieser Welt glaube ich nur, wenn es gelingt, zu einer partnerschaftlichen Gesellschaft zu kommen, alle Ideologien und Religionen, die das ablehnen, sind für mich verbrecherisch. Für Frauen und Frauenanliegen habe ich mich als Nichtbetroffene immer engagiert, ich weiß, daß es unendlich viel Frauenleid gibt auf dieser Welt: die ermordeten weiblichen Rabies in China oder Indien, die geschundenen Frauen im Islam, die traurige Rolle der Frauen in der katholischen Kirche - was man nicht vergleichen kann. Diese Welt kann nicht gesunden, wenn es Versammlungen gibt, in denen nur Männer vertreten sind -außer es geht um Prostata-Leiden. Es gibt keinen schöneren Satz als den aus der Zauberflöte: „Mann und Frau und Frau und Mann, reichen an die Gottheit an.”

DIEFURCHE: Haben Sie als Frau in ihrer Laufbahn keine Benachteiligungen erlebt'

WERNER: Nein. Ich war bei meinen Eltern als Mädchen erhofft - das spielt sicher eine Rolle. Jetzt bin ich insoferne benachteiligt, als ich in einer Führungsposition nicht mit verschiedenen Männern ausgehen kann, ohne daß darüber geredet wird. Über einen Mann in derselben Situation redet man nicht.

DIEFURCHE: Meine Frage zielte mehr auf den beruflichen Bereich ... werner: Ich habe sehr glückliche Lebensvoraussetzungen gehabt, aber immer noch setzen sich nur wenige Frauen in Spitzenpositionen durch. Vielleicht ist auch das ein Unterschied: Frauen müssen die Worte mehr auf die Waagschale legen, ich versuche mich bei Männern auch friedfertiger zu geben, damit sie nicht sofort Angst haben. Das Haus ist sehr unhierarchisch geführt, ich zeige auch in meinem Rerufsalltag meine Gefühle und bin Frau geblieben. Ein Theaterdirektor ist vor allem dazu da, daß die anderen über ihn schimpfen können, Humor und Selbstironie gehören sicher dazu in diesem Reruf.

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