6678659-1961_33_15.jpg
Digital In Arbeit

Auf Abwegen der Festspiele

Werbung
Werbung
Werbung

In sehr verschiedener Art gehen zwe Opernprenueren sozusagen auf Abwege: der Festspiele: die eine in der Inszenie rung, die andere im Opernstil; hie Mozarts „Entführung", dort Verdis „Si mone Boccanegra“.

Mozarts „Entführung au dem S e r a i 1“ ist nun einmal ein Sing spiel und will es auch sein. Es hat dei Charme des Effekts in Spielhandlung um in der Musik. Und man sollte sich dazi bekennen, in der Regie und in der musi kalischen Führung. Hans Hartlebs Insze nierung sucht aber einen vom handfester Singspiel abwegigen Stil und findet siel am Ende nicht zwischen konzertanten Herumstehen und tollkühn unmotivierter Umwegen der Personen zurecht. Dadurcl werden ganz ungewollt operettenhafte Erinnerungen geweckt, die von Eindrücker aus der Opernschule einer Akadem unterbrochen werden. Freilich: es wirt vom Dirigenten, dem jungen Istvan Ker- tesz, außerordentlich musiziert. Das Salzburger Mozarteum-Orchester spielt zari und durchsichtig, klar und feingetönt Dennoch kommt das Mozart-Erlebnis vor Istvan Kertesz aus allzu zarter Seele unc geht bis zur Verzärtelung der musikalischen Schönheit. Die Pianissimi überschreiten fast die Hörbarkeitsgrenze, auch die Tempi werden oft so langsam ausgespielt, daß das Feuer des Musikantischen erlischt. — Hans Ulrich Schmückles Bühnenbild ist für die Augen schön; die Bühne ist aber mit goldenen Türmen und ebensolchen Versatzstücken ohne Funktion geschmückt, und im Verlauf des Abends merkt man, daß diese für das Spiel eigentlich nicht gerade zweckmäßig sind.

Fritz Wunderlich singt seinen Belmonte sehr kultiviert und warm, wird aber allzu statisch im Spiel geführt. Ruth Margret Pütz als Constanze hat manche feinen Momente, besonders in den Zartheiten ihres Pianos, in den Fortestellen wirkt ihre Stimme etwas behaucht. Renate Holm als Blondchen hat den Vorteil ihrer Rolle in Bewegung und Spiel, singt aber auch durchaus mit sauberer, leichter Mozart- Stimme. Georg Litassys Stimme als Osmin hat Wohlklang, ist aber in der Tiefe nicht tragend Seine Sprache mit ungarischem Akzent trägt leider dazu bei, daß man sich nicht in den Zauber des Orients, sondern in ein Operetten-Ungarn verführt fühltu;lr jn.I Wohlfahrt,kommt in .dieser InW’fcnftSd als Pad fevIWhigu&irusGftlf. tuqgj.AJjer dįe Mu ik, . ühlbaj. in tiefster Hingabe musiziert, und die große Nachtkulisse des Residenzhofes trösten über alles Zeitliche hinweg.

Da ist Giuseppe Verdis „Simone Boccanegra“ ganz anders angepackt. Eine handfeste Regie, ein Dirigierstil der Opernroutine und das Gesangspathos der italienischen Stimmen erfüllen die Felsenreitschule bis in den letzten Winkel mit allen Operneffekten. Das vielfach begeisterte Publikum schien sich offenbar von Salzburg weg in die Arena Veronas versetzt. „Simone Boccanegra“ ist ein Werk des Übergangs Verdis von „Rigoletto“ und der „Macht des Schicksals“ zur Reife des „Don Carlos“ und des „Othello". Es ist im fortspinnenden melodischen Rezitativ und mit kaum eigentlichen Arien wohl von allen Werken Verdis Wagner am nächsten. Aber die Effekte der Melodik und der Instrumentation weisen eher zurück. Das Opernpathos überschlägt sich schließlich in Amelias „geweinten“ Läufen im letzten Akt.

Wenn auch Mitropoulos, der große Dirigent, diesem Werk sein Feuer geben wollte, es geht in Salzburg trotzdem auf Abwegen. Gewiß: auch „Simone Boccanegra“ hat das Genie der Musik Verdis. Aber diese Oper kommt nicht vom Genie Mozarts und geht nicht zu ihm hin, und sie ist auch nicht Weltliteratur der Musik.

Es ist nur gut, daß man die verzwickte Handlung sowieso nicht versteht, wenn man sie nicht vorher dreimal gelesen hat. Das Mysterium des Geistes steht nicht im Hintergrund. Darum ist auch Herbert Grafs handfest-konventionelle Inszenierung mit den großen und geschickten Massenbewegungen und dem Zauber der Einsamkeit der Personen auf der weiten Bühne durchaus angemessen. Dem Bühnenbild George Wakhevitch’ gelingt dies trotz Stiltreue doch nicht so ganz. Seine Bühne ist bis in die obersten Arkadengänge allzu auf gefüllt; leider sieht man dadurch auch manche Pappkulisse. Seine Kostüme hingegen haben eine oft prachtvoll heraldische Wirkung.

Gianandrea Gavazzeni leitet die Wiener Philharmoniker mit echter Opernroutine, blendend präzis und effektvoll. Und die italienische Gesangskunst feiert Triumphe ihrer schönsten Wirkung und Weltbedeutung. Tito Gobbi als Simone überzeugt auch durch die Innerlichkeit seiner Persönlichkeit, und Giorgio Tozzi als Fiesco ist ihm ein wahrer Gegenspieler. Rolando Panerai ergänzt das schöne Terzett der tiefen Stimmen ebenbürtig. Giuseppe Zam- pieri als Gabriele Adorno erfreut durch seinen gepflegten Tenor. Die Türkin Leyla Geficer ist drdhiätisch kraftvoll im Gesang, bleibt aber trotzdem zufolge ihrer Rolle ein' wetifjf fätblos. Die Chöre sind wirkungsvoll und auf den dramatischen Vorgang hin studiert.

Und dennoch: Wären nicht die Abwege, wie fände man dann den rechten Weg?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung