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Aufstand in Petersburg

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Damals waren Boxkämpfe in Petersburg noch verboten. Von allen Plakatsäulen leuchtete es: „Internationales Ringkampfchampionat im Zirkus Casa-nelli um den Preis von 5000 Francs. Teilnehmer: Paul Plön, Frankreich; Maxim le Macairois, Frankreich; Zyklop-Sakowski, Rußland; Raddubny, Rußland; Thomson, England; Hansen, Dänemark; van Meulen, Holland; ,Die schwarze Maske' usw. usw.“

Jeden Abend war der Zirkus gesteckt voll. Die weißen Kugeln der Kohlenstift-lampen schnarrten, es roch anheimelnd nach Pferdestall, und kein Mensch beachtete die ersten Nummern, die gekränkt durchs Seidenpapier sprangen oder langweilige Hunde balancieren ließen. Selbst der Eliteakt „Hum und Ham“, wo der Clown auf den Teil-Apfel zielt, der durch gierige Anbisse immer kleiner wird — selbst der zog nicht wie sonst. Denn unter den ohrenbetäubenden Klängen des Gladiatorenmarsches schritt jetzt das „Internationale Ringkampf Championat“ in die Arena und gruppierte sich malerisch beim plüschbezogenen Eingang.

Schiedsrichter war natürlich „Onkel Wanja“ in nachlässiger Studentenuniform — ohne ihn ging es nicht. Er stellte die einzelnen Fleischkolosse vor, die mit kurzem Kopfnicken einen Schritt vorwärts und wieder zurück machten. „Onkel Wanja“ war so populär, daß sogar eine billigere Zigarettenmarke nach ihm hieß und gern geraucht wurde. Durch die Studentenuniform erhielt das Ganze die Weihe der „Intelligenz“, ja geradezu etwas Freiheitliches ...

Und nun fing es an.

Zwei Kolosse gaben sich im Vorbeigehen schnell die Hand, maditen dann kehrt und gingen im grellen Scheinwerferlicht aufeinander los. Erst ein paar schnelle Griffe wie zum Spaß, aber dann hörte man durch die Stille das Keuchen und wie die Hände auf die Haut klatschten ... Bei „Doppelnelson“, „Brücke“ oder gar „Windmühle“ gab es Achtungsapplaus. Enttäuscht war man, wenn einer ins „Parterre“ ging, das heißt, sich auf alle viere niederließ, dann schrien sie „Gute Nacht!“ oder „Nu steh schon auf!“ ... wurden aber elektrisiert, so wie die Situation für einen kritisch ward: Onkel Wanja sprang dann, das Trillerpfeifchen im Munde, heran und duckte sich in demonstrativer Aufregung!

Alle zehn Minuten pfiff er ab, machte eine beschwörende Bewegung mit den Armen und rief: „Eine Minute Unterbrechung!“ Das war sogar zum Sprichwort geworden. Wenn irgendwo alles sich zankte, rief plötzlich jemand: „Eine Minute Unterbrechung!“ — und alles schwieg kichernd.

Zweifellos dominierten die Franzosen — der baumlange Paul Plön und der geschmeidige Maxime le Macairois, ein Abgott speziell der Damen —, das sagten sogar die Zeitungen. Sie schrieben über jeden Abend fast so eingehend wie über das kaiserliche Ballett und behaupteten, daß eine „Renaissance des Körpers“ vollzogen sei. Künstler saßen in den ersten Reihen und machten Muskelskizzen. Die Brillanten der vornehmen Damen blitzten bis nach dem Heuboden. Sogar die Schuljungen begannen Zeitung zu lesen, weil jeder seinen Favoriten hatte. i

Anfangs hoffte alles auf die „Schwarze Maske“. Aber dann wurde sie ein paarmal wuchtig geschmissen und war dahin. Thomson, England, besaß bereits eine Glatze und stand mit umgeworfener Kamelhaartoga unbeweglich beim Plüscheingang. Zyklop-Sakowski (sprich „Zik-klopp“) sah wie ein flüchtig rasierter Bär aus und war Spezialist der berühmten Daumenschrauen, das heißt er faßte einfach die Hände des Gegners und ließ sie nicht los, wobei er immer zur Seite guckte. Er repräsentierte das humoristische Element. Das patriotische dagegen Mikitin, Petersburg, mit seinem weißblauroten Trikot. Und dann gab es da einen ganz unbekannten Ringer namens Raddubny. Der Name klingt auch im Deutschen klotzig. Mit Recht — er war ein Eichklotz.

Er kam irgendwo aus Wolhynien und hätte eigentlich den Viehhandel seines Vaters übernehmen sollen. Schon als Bursche genügten ihm keine Keilereien — er war ja doch der Stärkste —, und so übte er sich mit einem jungen Bullen, für den er (und der für ihn) irgendeine geheime Sympathie besaß. Dumpf stand der Bulle vor ihm und schaute ihn unverwandt an.“Mit einem Griff packte der Bursche den Stier bei den Hörnern. Und nun begann der tägliche Kampf. Der Bulle stampfte vorwärts und schüttelte mächtig den Kopf. Aber der Riese drehte schließlich immer die Hörner mit dem Kopf um wie ein schwergehendes Steuerrad. Keuchend wälzte sich der Bullenkörper mit. den dummen, blauen Augen auf den Rücken ... Das war ihr Spiel.

Aus Mädchen machte sich der Riese wenig; er hatte seine Delila noch nicht gefunden. Dumpf betete er alle Kraft an, von wo ihm die seine kam, und hegte gegen Buchstaben, Tinte, Pincenez ein Mißtrauen. Im fettigen Notizbuch, wo er die Rinder nach Gewicht, Sorte und Preislage notierte, konnte er sich nicht enthalten, bei besonders 'mächtigen Exemplaren „stark“ oder „sehr stark“ hinzuzusetzen. Indes ließ er sich im Viehhandel gut an, denn er glaubte prinzipiell immer nur die Hälfte von dem, was man ihm sagte. So nahm er zu an Weisheit und Kraft, bis ein ganz starkes Ereignis ihn umwarf, wie er den Bullen — eine Maul-und Klauenseuche. Der Riese war überzeugt, daß sie durch Pincenez und Tinte entstanden sei.

Der Vater hatte all sein Geld verloren und mußte in die Stadt ziehen. In der Stadt war ein Zirkus. So machte es sich.

Und nun saß er hier in Petersburg mit den melancholischen Fleischkolossen in der Gemeinschaftsherberge beim Zirkus am Kanal und trat jeden Abend ins Scheinwerferlicht, um jeden Abend Onkel

Wanja schallend aus der Arena erklären zu hören, was eigentlich „französischer Ringkampf“ sei...

Was „französischer Ringkampf“ eigentlich sei, war ihm selber nicht ganz klar. Und so paßte er dumpf auf wie beim Kuhhandel, um hinter den Sinn der Sache zu kommen.

Der Sinn der Sache war der: dieser Paul Plön war wirklich ein guter Ringer und hatte damit Ruhm und Geld erworben. Wenn man das hat, hat man was zu verlieren und will was davon haben. So entrierte Paul Plön eine Art Ringkampfunternehmen mit der geheimsten aller Geheimklauseln, daßer den ersten Preis von 5000 Francs garantiert bekommen müßte. Bekanntlich wirft eine Lüge sofort Junge wie Kaninchen — denn man muß die „Wirklichkeit“ nachmachen, und die ist verdammt vielgestaltig: das erfordert Gedächtnis und eine exakte Phantasie. Sechs Wochen hatte das Championat zu dauern — halten Sie mal sechs Wochen eine Lüge durch! Denn natürlich wollte jetzt jeder der besseren Fleischkolosse seine Numero Sicher in der Rangreihenfolge einnehmen.

Aber man mußte ja doch „aufsehenerregende Zwischenfälle“, „unerwartete Niederlagen“ und „verblüffende Sensationen“ haben, um das Publikum in Heldenverehrung und Spannung und bei Kasse zu halten. Daß einer den anderen nach ein paar Minuten glatt hinschmiß (der natürliche Weg) — so was durfte es einfach nicht geben! Dann wäre ja in anderthalb Wochen Schluß gewesen, während der Kontrakt auf sechs Wochen lief. Nein, die Kameraden von der Ge-meinschaftsherberge mußten erst zwei-, dreimal grimmig auf „Unentschieden“ kämpfen, und das letztemal mit der grausam-kalten Bestimmung: „Ohne zeitliche Begrenzung.“ So was zog! Aber so was mußte vorher verdammt präzise ausgeknobelt werden, und das ist nicht jedermanns Sache ... Jedenfalls überstieg es die Kombinationsgabe der melancholischen Fleischkolosse. Sie nahmen meist kurz vor dem Kampf ergeben die Instruktion über dessen Ausgang hin.

Nun hatte das geheime Knobelkomitee den Raddubny, weil er wirklich stark und ein Russe war, als Nummer vier der Rangliste eingesetzt. Hinter Paul Plön natürlich, hinter dem Damenabgott Maxim le Macairois (der auch Geld im Unternehmen hatte) und hinter Mikitin, Petersburg, einer Lokalgröße. Ein guter Platz, der vierte; Raddubny konnte froh sein.

Und hier geschah es zum erstenmal in seinem Leben, daß Raddubny sozusagen nachdachte. Es war eine schwere Arbeit, schwerer als den Ochsen umwerfen. Die Schweißtropfen standen ihm auf der Stirn. Besondere Angst hatte er vor dem Publikum — vor der schwarzen Masse hoch bis ans Zirkusdach, die man aus dem grellen Schein werferlicht nur dunkel wahrnehmen konnte, und die sich in Pfeifen, Klatschen, Gebrüll und Zeitungskritiken bemerkbar machte. Aber auch die melancholischen Fleischkolosse konnten gefährlich werden. Der Zyklop-Sakowski hatte neulich in Volltrunkenheit den Hansen, Dänemark, aus dem Fenster geworfen wie einen Zigarettenstummel. Raddubny behielt seinen Gedanken für sich, fest in den Schädel geschmiedet.

Das Championat strebte seinem Ende zu. Die Begeisterung des Publikums hatte jenen bekannten Siedegrad erreicht, den die Eingeweihten nicht ohne Lächeln zu konstatieren vermögen.

Heute hatte Raddubny sein „längsterwartetes“ Rekontre mit Mikitin, Peters.-burg, dem weißblauroten Trikot. Die Instruktion: „Kämpfe eine halbe Stunde wütend, dann laß dich durch einen schöhen Griff schlagen!“ nahm er wortlos entgegen. Hierauf lieferte er eine halbe Stunde wütenden Kampf und legte Miki-tin, Petersburg, im Übermaß der Wut glatt auf beide Schultern, so daß Onkel Wanja der Triller vor Schreck im Munde stecken blieb.

Dem Komitee sagte er schuldbewußt, daß er sich in der Hitze versehen habe. Mikitin, der sich ihm mit einem Stuhlbein näherte, zeigte er bloß stumm die Faust. Am Morgen hatte er eine begeisterte Presse. Der Name Raddubny bekam Relief.

Am nächsten Tage mußte er sich von dem Damenabgott Maxim schlagen lassen. Vor Beginn nahm ihn das Knobelkomilee gründlich vor. Es erklärte für wünschenswert, daß Maxim le Macairois „nach einem Kampf von 45 Minuten als der Gewandtere durch überlegene Technik siegen sollte“. Wenn nidit, so habe er, Raddubny, wenig Aussicht, jemals wieder an einem Championat teilzunehmen ... Raddubny versetzte, er sei ja nicht taub, und man werde mit ihm zufrieden sein.

Und tatsächlich ließ er alles mit sich machen, was die überlegene französische Technik nur wollte — bloß auf die beiden Schultern, auf die war er komischerweise nicht zu legen. Immer schien es schon: jetzt! jetzt! — das Publikum brüllte beschwörend: „Raddubny!“ — Onkel Wanja setzte schon die Trillerpfeife an — aber dann ging die Schulter langsam wieder hoch, wie ein Walfisch durchs Schlammeis... Nach zwei Stunden Schwerarbeit mußte der Kampf als „unentschieden“ abgebrochen werden.

Diesmal stürzte Raddubny erregt zu den Knoblern, rief, es sei nicht seine Schuld — er habe es auf die Beschwörung des Publikums einfach nicht über sich bringen können — aber morgen, beim Entscheidungskampf mit Plön, werde er selbstverständlich seine Pflicht tun! ... Gleich darauf wies er mit weicher Stimme auf die Kasseneinnahmen hin — die Spannung sei ja auf das höchste gestiegen. Kasse wirkt immer. Das Komitee nickte mürrisch.

Als aber der nächste Tag kam — der Enlscheidungstag des Championats; „Raddubny gegen Paul Plön — ohne zeitliche Begrenzung“ —, stapfte der lange Paul zu Raddubny ins Zimmer. Er sagte — weniger mit Worten als mit überzeugender Mimik —: „Mein Lieber, du bist mit uns in der Schiebung drin. — Ich bin stark, du weißt es, und der bessere Techniker, ich werde sowieso siegen — aber sollte etwas passieren--dann, Freundchen, schlägt dir das gesamte Championat die Knochen ganz klein entzwei — von den 5000 Francs siehst du selbstverständlich keinen Sou — du kriegst nie mehr im Leben ein Engagement, dafür werde ich sorgen — und einklagen kannst du das Geld auch nicht, weil sonst deine Mitschiebung herauskommt — ist das klar?“ Darauf fiel Raddubny, Rußland, vor dem langen Paul auf die Knie wie einstmals ein junger Bulle und sagte so demütig seine Niederlage zu, daß Plön ihn gerührt in seine Arme schloß, ihm eine glänzende Karriere versprach und etwas von „1'äme slave ...“ murmelte.

Unter den betäubenden Klängen des Gladiatorenmarsches marschierte das „Internationale Ringkampfchampionat“ in die Arena. Paul Plön, Frankreich, und Raddubny, Rußland, traten vor, begrüßt von frenetischem Applaus.

Und nun fing die Sache an.

Onkel Wanja hat mir später erzählt, daß er noch nie im Leben soviel Angst geschwitzt habe: „Junge, Junge“, sagte er und goß sich Porter nach, „dieser Raddubny hat den Ollen gemartert wie noch nie ein Zentner Fleisch den anderen gemartert hat. Es war beinah jammervoll zuzusehen...“ Und wirklich wahr, zwei Stunden lang — weniger durfte es anstandshalber nicht dauern — bearbeitete Raddubny, Rußland, seinen Chef mit Wonne, die an Iwan den Grausamen gemahnte. Er ließ den ächzenden Giganten durch die Luft sausen in der Windmühle, er brach ihm die Brücke durch, er quetschte ihm seine Knochen — er kämpfte sich mit heiliger Kraft endlich, endlich einmal frei von all der Lüge, die er im Lauf des Internationalen Ringkampfchampionats hatte mitlügen müssen! Aber auch der Franzose war zähe — es ging um Geld, um Ruhm, um alles. Immer wieder blickte er dem Bullen wutrollend in die Augen, flüsterte „genug, genug, laß dich doch werfen!“ und kämpfte zähneknirschend weiter. Beide waren außer sich ... Das keuchte und klatschte nur so durch die Stille. Selbst die Clowns wurden ernst.

In zwei Stunden sieben Minuten wurde Paul Plön, Frankreich, einwandfrei auf beide Schultern gelegt. Fast wie ein müdes kleines Kind.

Na, dann brach ein Beifall los! Keiner hörte zu, wie Onkel Wanja mit stotternder Stimme das Resultat verkündigte. Das Haus dröhnte wie ein Wespennest, das man unten ungezündet hat.

Raddubny stand grell beleuchtet in der Mitte und verbeugte und verbeugte sich. (Damals rang man noch nicht die Hände zum Dank über dem Kopfe.)

Aber nun geschah etwas Merkwürdiges. Er ging nicht weg. Er blieb in der Mitte stehen. Madite abwehrende Handbewegungen. Endlich wies er auf seinen Mund — daß er sprechen wolle. Wie auf einen Schlag wurde alles still... Raddubny schaute unsicher um sich: dort standen die Fleischkolosse mit dem Ollen — drohend wie eine Knochenzerbrediungs-maschine. Und da, ringsum, war das tobende Tier, das Publikum, vor dem er solche Angst hatte. Er stand plötzlich ganz allein in der Welt. Dann rief er:

„Meine Herrschaften! Teures Publikum! (Applaus!) Ich, ein schlichter russischer Mensch, danke Ihnen für den Beifall! (Beifall.) Ich fühle mich eins mit Ihnen! (Donnernder Applaus.) Und darum muß ich Ihnen jetzt sagen, daß ich Sie um Hilfe bitte (atemlose Stille) — jawohl, ich bitte Sie — helfen Sie mir dazu, daß idi zu meinem Gelde komme — zu dem Preis von 5000 Francs, den ich, wie Sie eben gesehen, mir ehrlich verdient habe, im Sdiweiße meines Angesichts! Denn ich habe begründete Vermutung, daß mir sonst die 5000 Francs nicht ausgezahlt werden, ah, keine Idee! Ich bitte Sie — verlangen Sie, daß das Geld mir jetzt gleich — hier vor Ihren Augen in der Arena — ausgezahlt wird. Sie helfen mir dabei in einer anständigen, guten Sadie!“

„Was nun losbrach, spottet jeder Beschreibung. Der Zirkusbaumeister zitterte für sein Haus. Das vielköpfige Ungeheuer tobte und schwur, nicht eher fortzugehen, bis die 5000 Francs voreinen Augen ausgezahlt seien.

Raddubny stand, ruhender Pol, noch immer dumpf in der Mitte. Er fühlte sich plötzlich maßlos sicher — fast hätte er gerne weitergeredet... Seine neugeborene Popularität, das war ja das gewesen, was er beim Nachdenken in die Rechnung gesetzt, und was das Knobelkomitee nicht bedacht hatte. Da war sie.

Aber Direktor Casanelli wußte, was er seinem Etablissement schuldig war. Vier purpurgoldene Lakeien schleppten einen schwarzen Schreibtisdi heran und setzten ihn ins grelle Scheinwerferlicht. Onkel Wanja erklärte mit der Hand aufs Herz, daß die Direktion die 5000 Francs sogleich auszahlen werde. Fünf Delegierte des Publikums (drei mit Pincenez) traten als schwarze Gruppe zu Raddubny, um die Geldsdieine zu prüfen. Dann kam der Direktor, setzte sich an den Tisch, schloß ihn auf und zählte Raddubny die 5000 Francs demonstrativ auf die Handfläche.

Aber plötzlich lief ein Mann mit wirren Haaren in die Arena, aufs höchste erregt — Maxim le Macairois, in Zivilkleidung. Er warf sein Jackett ab. Er schrie, daß er von Raddubny nicht besiegt sei! (Aber daß er von Paul Plön besiegt worden, verschwieg er.) Er verlangte, daß die Entscheidung gleich, sofort ausgetragen werde! Er ging drohend auf den Russen zu... Doch da brüllte ihm das Publikum rhythmisch entgegen: „Von — Plön — besiegt! Von — Plön — besiegt! Marsch fort — marsch — marsch!“

Und er zog sich zu den Fleischkolossen zurück und krempelte die Ärmel auf. Der Raddubny, ce monstre barbare, sollte nur kommen ...

Statt dessen kam die letzte Sensation. Einmal mußte das Monstre barbare ja doch weg aus seiner Mitte, in den Ankleideraum, zu den Ringkämpfern. Schon wandte er sich hin, schon bereiteten sie sich vor, ihn zu verhauen, wie nodi nie ein Mensch in Rußland verhauen worden ist — als Raddubny plötzlich von einem der Pincenezträger einen Paletot ausborgte und sich über die Schultern warf. Dann mischte er sich, zusammen mit der beglückten Leibgarde, ruhig unter das Publikum und „strömte“ mit diesem durch den Haupteingang ins Freie.

Drinnen sah sich das „Internationale Ringkampfchampionat“ verdutzt an...

Er aber war tags darauf der berühmteste Ringkämpfer Rußlands.

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