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Auftrag und Verpflichtung

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Der im Vorjahr verstorbene Dichter Albert H. Rausch, der einen großen Teil seiner Werke unter dem Namen Benrath veröffentlichte, wird in seiner künstlerischen Bedeutung noch lange nicht genug gewürdigt. Von seinem Leben weiß man wenig, denn immer trat seine Person hinter dem Werk zurück. Er wurde in Friedberg in Hessen 1882 geboren, studierte an verschiedenen Universitäten Geschichte und romanische Sprachen und lebte viel im Ausland, besonders in Paris und in Italien. Die hellenische Antike und die Kultur des Mittelmeerraumes waren die entscheidenden Formkräfte seiner Persönlichkeit. Sein dichterisches Werk ist durch ungewöhnliche innere Geschlossenheit und sprachliche Vollendung ausgezeichnet. Nur die wesentlichsten Prosabücher seien genannt: die Novelle „Patrokles“, „Vorspiel und Fuge“, der Roman „Eros Anadyomenos“, die wundervollen Landschaftsbilder „Südliche Reise“ und die historischen Romane über die Kaiserinnen Galla Placidia, Konstanze und ““heophano. Die letzteren bringen in genialer Weise große Persönlichkeiten und Ereignisse der abendländischen Geschichte dem Verständnis des modernen Menschen nahe. Bekannt wurden auch zwei gesellschaftskritische Romane und zwei Bände Novellen, denen überlegene Geistigkeit und kultiviertester Stil eigen ist. Der Band „Die Stimme Delphis“, der Essays über Sappho, Platen und George enthält, bezeichnet deutlich des Dichters geistige Position. Immer sich selbst getreu und immer dem unwandelbaren Grund alles Menschlichen verbunden, hat Benrath mit freier Selbstverständlichkeit und hohem künstlerischem Verantwortungsbewußtsein den seinem Wesen gemäßen dichterischen Ausdruck geprägt. Er war ganz der tausendfältigen Schönheit der Welt aufgetan, ohne jemals in ein blasses und lebensfremd- Ästhetenrum zu verfallen. Er ging unbeirrbar seinen Weg, den ihm sein schöpferischer Auftrag wies, und machte keine Zgugeständnisse an literarische Bewegungen oder an eine billige Popularität. Sein Werk wendet sich daher niemals an ein breites Publikum, sondern immer nur an den Kreis jener Menschen, die den Sinn für die Würde der echten Kunst bewahrt haben. Die Uberzeugung von der Verpflichtung des schöpferischen Menschen, der ein Lichtbringer im Dunkel der Zeiten sein soll, ist die Grundlage seines Ethos.

Als Lyriker von hohem Rang erwies sich Benrath in mehreren Versbüchern, vor allem in dem Auswahlband mit dem bezeichnenden Titel „Dank an Apollon“ (1937). Dieser steht in innerem Zusammenhang mit der ersten öffentlichen Ausgabe des Werkes „Stoa“, das Gedichte aus den Jahren 1928 bis 1933 umfaßt. Es kann als ein lyrisches Selbstzeugnis betrachtet werden. In der Widmung stehen die Worte Heraklits: „Zehntausende gilt mir Einer, wenn dieser Eine der im Wesen Edelste ist.“ Dies bedeutet ein klares Bekenntnis zu höherem Menschentum. Mit dem Namen Stoa ist hier nicht einfach jene berühmte Schule der antiken Lebensweisheit gemeint, sondern „die Einheit von Erkenntnis, Geschehnis und Erfüllung“, eine menschliche Haltung der unbedingten Treue gegenüber dem inneren Auftrag, wie sie der Dichter selbst immer vorgelebt hat. „,Stoa' ist der Glaube an die Erfüllung des Lebens durch das Werk“ (Vorwort). Die Verse sind in drei Zyklen geordnet. Die „NÖMOI“ (Gesetz) sind mehr vom Gedanklichen her bestimmt und verkünden die Grunderkenntnisse des Dichters im Sinne einer heroischen Lebensauffassung, die Verpflichtung zur letzten Hingabe an die Berufung, ohne Hoffnung auf irgendwelchen Lohn, und das dienende Sicherfüllen ohne „Trugbild“. Die Folge „HEMERAI“ (Geschehnis) beschwört in gefühlsdichten, von lyrischem Wohlklang getragenen Versen Erlebnisse der Vergangenheit und erhebt sie ins Zeitlos-Gültige. „DELPHÖI“ (Erfüllung) ist das Bekenntnis zu Apollon, dem griechischen Gott des Maßes und der Harmonie, zur Überwindung und Verklärung des Lebens durch die Dichtkunst. Als Gegenwelt Apollons werden die geheimnisvollen, dunklen unterirdischen Mächte in der Versfolge „PYTHIA“ aufgerufen. In Anruf und Antwort Apollons wird dem Dichter der innerste Sinn seines Lebens offenbar. Meisterhaft beherrscht Benrath die verschiedenen lyrischen Ausdrucksmittel. Neben Versen von strenger Kühle stehen Gedichte von schwebender Leichtigkeit und traumhafter Stimmung. Seine Form ist niemals erstarrt, sondern immer .Juchtvolle Bändigung des Gefühls. Jede pathetische Gebärde, jede bloß rhetorische Wendung wird vermieden. Benraths Hellenentum ist nicht epigonenhafte Nachahmung, sondern tiefe Seelenverwandtschaft. Sein Glaube ist nicht der christliche, doch seine Dichtung bleibt dem Metaphysischen verbunden. Er kennt alle Dunkelheiten und tragischen Gegensätze des Lebens, aber in der schöpferischen Gestaltung hebt er sie in die apollinische Klarheit der reinen Form empor Zusammen mit „Dank an Apollon“ gehört das Werk „Stoa“ zu den bedeutsamsten Leistungen der neueren deutschen Lyrik. Es ist der reine Ausklang eines reichen Lebenswerkes und offenbart uns nicht nur außergewöhnliche dichterische Fähigkeiten, sondern auch die Lauterkeit eines achtunggebietenden Ethos. Man denkt an den Dichter selbst, wenn man seine Worte liest: „Erwählt ist nur, wer durch Verpflichtung lebt.“ Dr. Theo Trümmer

Ein Buch über mich selbst. Von Theodore Dreiser. Paul-Zsolnay-Verlag, Wien. 529 Seiten.

Es ist nicht wenig, was der Autor über sitfh selbst zu sagen wußte, und dabei behandelt der vorliegende dicke Band ja nur den ersten und damals noch so ganz unberühmten Teil seiner Laufbahn: die Jahre um die Jahrhundertwende, da er, ein schlichter Reporter unter zehntausend anderen, hartnäckig und unter immer neuen Rückschlägen darum kämpfte, in der amerikanischen Zeitungswelt festen Fuß zu fassen, bis er schließlich, besiegt, aber nicht entmutigt, sich dem Zweig der Schriftstellerel zuwandte, der ihn später zu so großem und erfolgreichem Ansehen führen sollte. Theodor Dreiser ging durch eine langwierige und harte Schule, und der bitte, oft zynische Zug, dem wir in seinen Romanen und Erzählungen begegnen, mag Wohl auf seine Erfahrungen in jener Zeit zurückzuführen sein, da er die dunkelsten Schatten des Lebens mit schmerzhafter Gründlichkeit kennen und beobachten lernte. Von dem mitfühlenden Verständnis für die Nöte seiner Mitmenschen, welches sich sonst in seinen Werken ausprägt, ist in dieser Autobiographie wenig zu verspüren; hier schreibt er nicht allein „über sich selbst“, er schreibt auch wie ein Mann, den die Interessen, die Freuden und Leideh anderer, selbst auch ihm nahestehender Menschen, im Innersten kaum berühren. So gibt dieses mit großem Können geschriebene Buch zwar ein scharf profiliertes Bild seiner Erlebnisse in der vielleicht unerfreulichsten Epoche der Geschichte des amerikanischen Kapitalismus; aber irgendwie bleibt das Bild doch kalt und leblos, weil es dem Autor nicht gelungen ist, sein persönliches Schicksal dem Leser gefühlsmäßig nahezubringen.

Kurt Strachwitz

Da leg ich meinen Hobel hin ... Der Roman Raimunds. Von Eduard P. Danszky. Paul-Zsolnay-Verlag, Wien. 289 Seiten.

Dieser Künstlerroman verdiente es, daß er anläßlich des 160. Geburtstages Raimunds neu aufgelegt wurde. Eine sachkundige und ehrfürchtige Hand hat hier im Rahmen des uns Zugänglichen ein geschichtlich getreues Nachbild des großen Wiener Volkssdiauspielers und Volksdramatikers geschaffen, das mit Liebe und Takt sowohl der Licht- als auch der Schattenhälfte im Werk und Leben des genialen Hypochonders gerecht wird; es ist zugleich ein anregendes Kulturbild des Biedermeier überhaupt. Eine Leistung, die sich Müller-Guttenbrunns Lenau-Trilogie, Schrey-vogls „Grillparzer“ und Zerzers „Stifter in Kirchschlag“ würdig an die Seite stellt.

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