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Digital In Arbeit

Bäuerliches Brauchtum —

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Wenn wir uns fragen, was das Wertvollste und Nötigste zugleich bei einem Menschen und darüber hinaus bei einer Berufsgruppe ist, so muß man feststellen, daß dies eine mehr oder weniger glückliche Einstellung zu all dem ist, was uns umgibt, bewegt und beschäftigt.

Wir Bauern wissen den Besitz zu schätzen, da ja seine richtige Handhabe wichtige Lebensgüter schafft und dadurch das Leben real untermauert wird. Jedoch bleibt es uns nicht verschlossen zu sehen, daß das Glück kein Vorrecht der Besitzenden darstellt. Glücklichsein setzt Zufriedenheit voraus, die eben an keine bestimmten materiellen Güter gebunden ist. Sie ist voraus begründet in der richtigen Einstellung zur täglichen Berufsarbeit: ob man zu ihr freudig steht — sie als gottgefällige Lebensaufgabe auffaßt oder sie nur als Plage erduldet!

Weiter gehört zur freudig getanen Arbeit ein dieser entsprechend gestalteter Feierabend und Sonntag. Der Kanzleibeamte wird nach seinem sitzenden Dienst am Schreibtisch in die Natur hinausstreben and sonntags die körperliche Anstrengung o mancher Sportarten suchen. Ein Holzfäller der Alpen wälder würde das gleiche auf ihn bezogen als Unsinn empfinden, er wird sich lieber zum Zitherspiel und Gesang oder anderem zusammensetzen und sich dabei wohl fühlen. So braucht eben jede Berufsgruppe ihre besonderen Feierabende, Sonntage und Feste. Freilich halten sich nicht alle an diese so einleuchtenden Grundsätze; wir sehen Städter auch an herrlichen Sonntagen in verrauchten Kaffehäusern sitzen sowie junge Bauern abhetzende Sportarten betreiben.

In längeren glücklichen Friedensperioden hat sich im Bauernstand ein harmonisch schöner Zusammenklang zwischen nützlich notwendiger Arbeit und freudig erhebender Gefühlsäußerung, die auch auf körperlichen Ausgleich Bedacht nahm, entwickelt.

Die Bauernarbeit und das bäuerliche Brauchtum war ein Ganzes, ein sich Ergänzendes wie es idealer wohl nicht zu finden sein wird, letzteres war am Lebensbaum die herzerfreuende Blüte, die dem Menschen befriedigende Bindung am Landleben mit seiner Arbeit in Gottes freier Natur gab. Es entwickelten sich sinnige Handlungen rund um die Arbeit, die wir im Jahresfest-kreis zusammenschließen, wie auch solche um den Ablauf des Lebens von der Geburt bis zum Tode.

Jedoch dann kam ein neues Evangelium, das das Verschwinden von allem Brauchtum predigte. Ursachen dafür waren mehrere. Die eine war Unvernunft Die andere die veränderten Arbeitsmethoden und die Entwicklung in manch anderen Lebensbezirken.

Bäuerliche Bräuche sind freudige Handlungen rund um eine Arbeit, so sind zum Beispiel die Bräuche im Verlaufe und zum Abschluß des Drischeldreschens an die Art des Dreschflegeldrusches gebunden, sie verloren sich daher beim Einsatz der Dreschmaschine. Dies ist ein Fall und sc gibt es eine Menge Bräuche, die zwar zur heutigen Arbeitsart nicht passen und darum auch nicht allgemein gehalten werden können. Ebenso verschwinden begreiflicherweise auch solche, die unserer jetzigen Überlegung und unseren geistigen Erkenntnissen nicht mehr entsprechen, zum Beispiel die verschiedensten Winteraustreibungsbräuche oder das Troadauf wecken durch Perchten und anderes. Mancherorts hält man aber trotzdem in lobenswerter Weise auch jene noch im Leben. Hinter diesem Tun steckt besonders Traditionsverbundenheit und Hochschätzung von allen althergebrachten Werten. Nichtsdestoweniger bestehen aber natürliche Gründe für deren Verschwinden Eine andere Bewandtnis hat es ledoch damit, wenn das Leben am Lande aus Zeitmangel formenärmer wird. Es klingt fast unglaublich, daß gerade in unserer Zeit, in der wir so viele zeit- und arbeitsparende Maschinen verwenden, es uns an Zeit zur Pflege für althergebrachte wertvolle Lebensäußerung gebricht. Es ist aber tatsächlich so.

An den Bauern werden wirtschaftliche Anforderungen gestellt, die im Vergleich zu früheren Zeiten schier untragbar scheinen, dabei fehlt es an arbeitskräftigen Menschen aller Art. Es muß die bäuerliche Bevölkerung ihre Feierabende und Bauernfeiertage dazu verwenden, um die Arbeit der Fehlenden zu leisten, damit eben der Boden bebaut, gepflegt und geerntet wird — dies betrachtet ja schließlich und endlich der Bauer als erstes Gebot So sterben Bräuche ab. wenn sie auch sonst Lebensberechtigung hätten und würde ihr ethischer Wert noch so erhaben sein.

Dazu kommt noch die veränderte Geisteshaltung nach diesem entsetzlichen Kriege. Was ist heute dazu angetan, um bewegen, aberraschen oder nur aufhorchen lassen zu können? Nach all dem Furchtbaren, Grauenhaften, früher nie Geahnten und unter Menschen nie für möglich Gehaltenen, herrscht eine Gleidigültigkeit, die fast nur von einer zügellosen Sucht nach seichter, wahlloser Abwechslung unterbrochen wird.

Dies ist ein böser Zustand, der aber. Gott sei dank, nichts Bleibendes sein braucht. Vor allem dann nicht, wenn alle, die das Wertvolle im Bauernstand erkannt haben, nicht mutlos werden. Bedenken wir doch, daß ja die jungen Menschen wieder in der gesundenden Atmosphäre des bäuerlichen Lebens stehen. Das wird seine heilende Wirkung haben.

Die Aufgabe jetzt ist nicht durch unüberlegte Kritik Widerstände zu schaffen, sondern sie besteht im Aufzeigen der Richtigkeit und Schönheit wahrer Bauernkultur, und diese wird sich durchsetzen — so wahr immer in der Welt das Licht über die Dunkelheit triumphiertet

Auch den Seelsorgern ist hier eine besondere Aufgabe gestellt: das rasche Erholen unseres Volkes nach dem Dreißigjährigen Kriege, sagt man, ist dem damaligen klugen, von einem heiligen Eifer erfüllten Dorfpfarrern zu danken. Die Gegenwart steht in ihrer Problemstellung wahrhaftig der damaligen Zeit nicht nach.

Nicht jedem ist's gegeben zu erkennen, wie stark Brauch und Sitte, also Kulturgüter, auf das wirtschaftliche Leben wirken. Man ist bereit zuzugeben, daß diese Dinge einen gewissen Schönheitswert haben und gerade nicht zu verändern sind, aber man fügt hinzu daß man derweilen nicht von Schönheit lebt, sondern von der nüchternen Alltagsarbeit in Feld und Stall. Es denkt nicht jeder daran, daß der Mensch Zeiten braucht, die ihn über den Alltag erheben, die Höhepunkte seines Lebens sind, auf denen es bewegte Freude, aber auch Ruhe und Besinnlichkeit gibt, die hinüber zur täglichen Arbeit fließt, damit diese gerne getragen und fruchtbar sei.

Die Bauernarbeit ist vielfach hart, ist härter als manch anderes Schaffen. Deshalb braucht der Bauer eine größere Bindung zu ihr, vielleicht ein tieferes Berufsethos als der Städter. Eine Lohnsäckchenbindung genügt hier nicht. Es hatten deshalb auch alle, die wirklich Bauern waren, die ihr Weizenfeld, ihr Vieh, ihre Obstbäume, aber auch ihre Kinder und Frau und schließlich sich selber richtig betreuten, eine höhere Lebensauffassung als die, die nur mit dem einseitig kalkulierenden Rechenstift lebten. Jene ziehen ruhig gesättigt, nicht hastig, zerstritten und hungrig durchs Leben und es werden Freudentage im Himmel sein, wenn solche wahrlich Vollendete dort eingehen.

Ein heute mit allen zwei Füßen im Leben stehender Österreicher schrieb vor kurzem seinem Freund, daß die wirklichen Realisten diejenigen sind, die das erkennen, von dem auch hier die Rede ist. Ja, trachten wir zu diesen gezählt zu werden.

Wir erfassen damit das Wesentliche, um das es heute geht. Auch im Zeitalter der Technik wahren Bauerngeist zu erhalten!

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