Barbara Frischmuth: „Die Ampeln sind alle auf rot gestellt“
In ihrem Essay „Natur und die Versuche, ihr mit Sprache beizukommen“ greift Barbara Frischmuth mit ihrem Plädoyer für den Blick auf das große Ganze ein hochaktuelles Thema auf.
In ihrem Essay „Natur und die Versuche, ihr mit Sprache beizukommen“ greift Barbara Frischmuth mit ihrem Plädoyer für den Blick auf das große Ganze ein hochaktuelles Thema auf.
Bereits seit vielen Jahren widmet sich die österreichische Autorin Barbara Frischmuth neben dem Schreiben ihrer zweiten großen Leidenschaft: dem Garten. Nachdem sie 1999 nach Auslandsaufenthalten und Lebensmittelpunkten in Graz und Wien wieder ganz nach Altaussee, dem Ort ihrer Kindheit, zurückgekehrt ist, hat sie sich verstärkt mit dem Pflanzen- und Tierkosmos in ihrem unmittelbaren Umfeld auseinandergesetzt.
Aber auch schon lange vorher hat Frischmuth mit der Thematisierung von Sagen und Mythen die Beziehung zwischen Mensch und Natur in ihrem Werk zu einer essentiellen Leuchtspur werden lassen. Denn das Große – der „Zyklus des Lebendigen“, wie sie später einmal schreibt, – wird im Spiegel des „Werdens und Vergehens“ im Kleinen häufig zum Resonanzraum ihres Erzählens.
Schon seit einiger Zeit richtet Frischmuth ihren Blick gerne auf ihr Leben mit dem Garten. Entstanden sind in diesem Kontext ein literarisches Gartentagebuch mit dem Titel „Fingerkraut und Feenhandschuh“, Gartengeschichten wie „Löwenmaul und Irisschwert“ oder „Marder, Rose, Fink und Laus“ – ein Text über ihre sogenannte „Garten-WG“ – oder „Der unwiderstehliche Garten, eine Beziehungsgeschichte“. In all diesen Werken vermittelt sie beeindruckend, dass bereits im Beobachten der Vorgänge in einem kleinen Garten lohnende Erkenntnisse gewonnen werden können. Der Mensch kann zwar gestaltend in die Natur eingreifen, aber wie in allen Beziehungen langfristig auch nichts erzwingen.
Ihre neue Publikation knüpft direkt an diese kontinuierliche Beschäftigung mit der Natur an. Es handelt sich dabei um die Frühlings- und Herbstvorlesungen der Akademie Graz aus der Reihe „Unruhe bewahren“. Frischmuths zweiteiliger Essay „Natur und die Versuche, ihr mit Sprache beizukommen“ schlägt genau in diese thematische Kerbe. Denn es geht um ein Innehalten und Nachdenken über vergessenes Wissen im Sinne eines ganzheitlichen Denkens, um Nachhaltigkeit, begrenzte Ressourcen und um – angesichts Pandemie und Klimawandel – bedrohliche Zukunftsszenarien. Frischmuth lotet in diesem Text feinsinnig die unterschiedlichsten Bedeutungsfelder des Begriffs Natur und Nuancen von Symbiosen aus.
Eine Versöhnung von Kultur und Natur schaffe man heute wohl nicht mehr, denn „Technik, Industrialisierung und Atomkraft“ bemächtigen sich geradezu rücksichtslos der Erde, ohne dass die Verantwortlichen verstehen, „dass die Natur nicht nur Ressource, sondern auch ein Akteur ist, der agiert und reagiert“. Letztendlich werde sich die Erde weiterdrehen, zitiert Frischmuth die Mikrobiologin Lynn Margulis, aber der Mensch würde, wenn es zu keiner harmonischen Annäherung „zwischen Natur und Kultur“ komme, das Aussterben des Lebens riskieren.
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