„Barbara stirbt nicht“: Wenn Grießbrei zur Herausforderung wird
Auch in ihrem neuen Buch, einem komisch-ernsten Eheroman, bleibt Alina Bronsky ihrem Stil treu – schräg und sympathisch menschenfreundlich.
Auch in ihrem neuen Buch, einem komisch-ernsten Eheroman, bleibt Alina Bronsky ihrem Stil treu – schräg und sympathisch menschenfreundlich.
Zweiundfünfzig Jahre Ehe, das steckt man nicht so ohne weiteres weg. Zweiundfünfzig Jahre Ehe, das führt zu Abhängigkeiten, Absonderlichkeiten, die Außenstehende nicht begreifen, und Ritualen, die den Alltag dominieren und Macht über die Menschen gewinnen. Walter und Barbara Schmidt sind ein solches in der Nähe von Frankfurt lebendes Paar, das auf über ein halbes Jahrhundert ehelicher Gemeinschaft zurückblickt. Nun, da sie beide in ihren Siebzigern sind, deutet nichts darauf hin, dass sich an ihrem Leben noch einmal etwas grundlegend ändern wird.
Walter ist ein Männerexemplar alter, nein, sehr alter Schule. An den Segnungen des Patriarchats zweifelt er keine Sekunde, und so sind die Rollen im Schmidt’schen Häuschen klar verteilt. Barbara erledigt klaglos alles, was im Haushalt anfällt, und muss sich ihre kleinen Freiheiten hart erkämpfen. Walter rührt keinen Finger, tut sich schwer, ein Spiegelei zu braten, vertritt ein streng konservatives Weltbild, in dem Ausländer eher stören, und stößt mit seiner Schroffheit seine Mitmenschen vor den Kopf. Alles scheint, zumindest in Walters Augen, bestens geordnet; allenfalls Schäferhund Helmut sorgt für Verdruss, denn eine Erziehung, der es an nötiger Härte fehlte, hat dazu geführt, dass sein Verhalten Walters Schäferhunderwartungen nicht erfüllt.
Rätselhafte Alltagsmühen
Alina Bronsky hat sich nach ihrem vielbeachteten Debüt „Scherbenpark“ einen Namen damit gemacht, kleine Romane mit oft kuriosem Setting – „Baba Dunjas letzte Liebe“ oder „Der Zopf meiner Großmutter“ – vorzulegen, die mit eigensinnigem Witz, knapp gehaltenen Sätzen und schnörkellosen Dialogen auftrumpfen. Auch „Barbara stirbt nicht“ entwickelt sich rasch in diese Richtung, denn schon nach wenigen Seiten ist klar, dass die Langeweile, die bei Schmidts an der Tagesordnung ist, nicht das letzte Wort des Textes (und dieser Ehe) ist.
Denn eines Morgens ist nichts mehr so, wie es jahrzehntelang war: Barbara fühlt sich unwohl und verharrt im Ehebett, anstatt ihrem Gemahl den Kaffee zuzubereiten. Walters Mitleid hält sich in Grenzen, er ist empört über diese Arbeitsverweigerung – und vor allem ratlos. Wie um alles in der Welt soll er sich ein Frühstück zubereiten, wie die ihm rätselhaften Alltagsmühen bewältigen? Dass seine Frau ernsthaft erkrankt sein könnte, will er nicht wahrhaben. Er gehört zu den Menschen, die daran glauben, „dass die Dinge verschwinden konnten, wenn man nur lange genug wegsah“ – was, wie man weiß, nicht immer klappt.
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