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Berufen oder auserwählt?

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Die Erkenntnis von der Berufung der vielen, die etwas gelernt, und der Auserwählt- heit der wenigen die etwas zu sagen haben, offenbart sich in der Kammermusik überzeugender als im symphonischen Konzert an Autoren, Ausführenden und Zuhörern. Auch das Händeklatschen des Publikums ist nämlich nach Beruf und Auswahl instrumentiert, bedeutet Ende oder Fortwirkung einer Komposition, bloße Quittung des Empfängers oder Jasagen des Herzens.

Es klang kühl und ein wenig nach Selbstermunterung im zweiten außerordentlichen Kam.nerkonzert der I. G. N. M., velbst bei dem Hauptwerk des Programms, S t r a - winskys Katzenliedern für eine Singstimme und drei Klarinetten, der eindrucksvollsten Katzenmusik, die je geschrieben wurde, so vollendet man sie auch sang und blies und zum besseren Verständnis vorsätzlich wiederholte (Solistin: Frau Burg- sthaler-Schuster). Vor dreißig Jahren hätte eine Aufführung dieses 1916 entstandenen Werkes zweifellos lebhafte Debatten entfesselt. Heute ist seine revolutionäre Wirkung verpufft und die dissonante geblieben. Dankbar denken wir an Strawinskys spätere, uns ganz anders ansprechende Komposition. Wärmeren Beifall errang Joseph Lechtha- lers Suite für zwei Gitarren, ein Werkdien aparten Einfails, durchsichtiger Kontrapunktik und stellenweise fast volk'- liedhafter Wirkung, von Karl Scheit und Else Gerstl mit ebenso schlichtem Ausdruck als großer agogischer Kunst vorgetragen.

Zwischen Schuberts Quartett Es-dur op. 123 und Mozarts Quintett K. V. 516 hatte Arnold Schönbergs Sextett „V e r- klärte Nacht" die Auserwähltheit ihres Schöpfers zu beweisen und bestand in vollen Ehren dank der unheimlichen technischen Leistung des Schneiderhan-Quartetts, die allerdings indiskutable Voraussetzung für die Ausdruckswelt dieses Werkes bedeutet, das nur leider durch seine Länge einer gewissen Gefahr der Ermüdung verfällt. Der Beifall war ebenso herzlich als bei Schubert und Mozart, deren zeitlose Herrlichkeit, in Ton und Unterton des Meisterquartetts begnadet nachgestaltet, uns gleichermaßen Besitz und Sehnsucht ist.

Das noch auf dem beschwerlidien Wege zur Meisterschaft befindlidie Swoboda-Quar- tett brachte neben einem Streichquartett von Karl Weigl (G-dur, op. 31), einem großlinigen Werk mit ausdrucksvollem Mittelsatz, nicht ohne epigonalen Zug, das Erste Streichquartett von Hans Jelinek, neutönerisch, recht abstrakt in den ersten beiden Sätzen, dann klarer werdend, mit aparter rhythmischer und figurativer Bewegung, den Autor ebenso „auf dem Wege“ zeigend als die Interpreten. In völlig gleichen Notenwerken, vom Klavier akkordisch begleitet, läßt Josef Matthias Hauer, die Monotonie nicht vermeidend, seine Hölderlin-Lieder- deklamieren, erreicht unbestreitbar eine stilvolle Wirkung und hölderlinsche Sphäre. Die unerhörte Eigenmusik der Verse wird nirgends durch brochen, ihre Rhythmik bleibt dominant, der Komponist des Dichters demütiger Diener. Die Sängerin Polly Batic beeinträchtigte durch undeutliche Textaussprache leider — auch bei Ernst Kreneks Fiedelliedern — die schöne Wirkung ihrer dunkelgetönten warmen Altstimme.

Durch Umrahmung mit Rheinbergers Nonett und Wolf-Ferraris Kammersymphonie verhalf die Bläserkammermusik-Vereinigung der Wiener Symphoniker Hindemiths Kleiner Kammermusik op. 24, trotz ihrer Leichtgewichtigkeit zu einem leichten Sieg über die traditionsbeschwerten Epigonenwerke. Immerhin bricht bei Wolf-Ferrari zuweilen die vitale italienische Musizierfreude durch und bringt ihn näher an Hindemith heran als den Münchner Geheimrat. Der Beifall galt hier in erster Linie der blitzsauberen Wiedergabe.

Weniger glücklich versuchte diesmal der Akademiekammerchor ein Programm stilistischer Gegensätze zu gestalten. Von Palestrinas „Stabat mater“ zu Schumanns „Zigeunerleben" und von da zu Kodälys „Szekler Klage" einen anderen als halsbrecherischen Weg zu finden, dürfte kaum gelingen. So glich das Programm nebeneinanderhängenden Bildern von Raffael, Schwind, Picasso. Der kleine brave Chor war der Acht- stimmigkeit Palestrinas und Mozarts stimmlich, der Romantik Schumanns und Sdiuberts stilistisch nicht ganz gewachsen. Am besten gelangen die von Felix P e t y r e k gesetzten Slawischen Volkslieder.

Aus der großen Zahl junger Instrumentalsolisten seien zwei Namen genannt, deren Berufung außer Zweifel steht. EdithBert- schinger bewies in Brahms’ Violinsonate op. 108 und Bruchs Konzert op. 26 Größe und vorläufige Grenze ihrer Kunst. Eine feine subtile Begabung, trägt ihr vollblühender Ton bereits eine ausgeprägt persönliche Note, die sich auch in rhythmischen Bebungen auszudrücken weiß und Herzenswärme an sidi hat, zur endgültigen Gestaltung der großen Finalsätze indes nodi nidit reicht. Die Leistung blieb somit zunächst ein Versprechen, aber eines, das man gerne glaubt, soweit die Vorliebe für kleine, wirkungsvolle Virtuosenstücke, mit denen sie den zweiten Teil des Abends füllte, der Entwicklung ins Große nicht im Wege steht.

Größere Kraft und Stilsicherheit in der Nachgestaltung (obgleich ihr zu Ravels Sonatine die französische Oberflächensensibilität abgeht) bekundete Katharina Heinz in ihrer Wiedergabe moderner Klaviermusik (Hauskonzert Döblinger). Mit Felix S c h 1 e i f f e 1 d e r s Sonate b - m o 11 hob sie das Werk eines begabten jungen Komponisten aus der Taufe, der, heute eine Rarität, eine richtige große Sonate schreiben kann, die zwar brahmst und regert, aber doch Ansätze zu Eigenem in sich trägt. Otto Siegls Kleine Sonate in a - m o 11 hingegen schlägt Brücken von

Ravel zu Hindemith, ohne sie hinter sich abzubredien. Klarer, zuweilen fast männlicher Anschlag, saubere durchgebildete Technik und hohe Musikalität sicherten der jungen Pianistin auch in Werken von Prokofieff und Franz Schmidt einen vollen Erfolg.

Beifall ist der notwendige Kontrapunkt der Leistung. Aus seiner Vielfalt die Stimme des Herzens herauszuhören und ihr nachzugehen, ist jene Kunst, die am schwersten erlernt wird und das längste Studium erfordert.

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