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Besserung im Befinden Dr. Funders

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Im Befinden des schwererkrankten Chefredakteurs Dr. Fund er melden sich Zeichen einer langsam fortschreitenden Besserung. Die Behandlung des Patienten führt ein hervorragender Herzspezialist, Universitätsdozent Dr. Aristid Kiß, Leiter der Herzstation der Poliklinik. Die Sorgen des Patienten beschäftigen sich viel mit dem am 16. Februar in Rom zusammentretenden Internationalen Kongreß der katholischen Presse, für den Dr. Funder als bisherigem Leiter des Bureau Internationale des Journa-listes Catholiques und als Initiator der geplanten weltumspannenden Föderation der katholischen Journalisten wichtige Aufgaben zufielen. Entsprechende Anordnungen trachten nunmehr, die entstandene Lücke auszufüllen. des anderen Freiheit und Recht in sich selbst verankert. Darin liegt zuerst und vor allem die soziale Gerechtigkeit. Gesetze und Vorschriften sind notwendig, aber sekundär. Sie müssen sich in dem Maße in Zwang verwandeln, in dem jenes Grundlegende schwindet, und sie werden zur bloßen Gewalt, wenn es gänzlich entschwunden ist.

Es liegt wohl an solchem Entschwinden des Grundlegenden und Grundsätzlichen in unserem politischen Denken und in unserer sozialen Haltung, daß unsere Zeit nur Lösungen der Gewalt kennt, daß der Friede nur mühsam verhinderter Krieg ist, daß das Verhältnis der Staaten und Mächtegruppen zu einander als „kalter Krieg“ jeder Sicherheit entbehrt und dia vielberufene „Demokratie“ weitestgehend zum kalten Bruderkrieg entartet, daß wir durch Pläne und Organisationstechniken, durch die Zäune von Gesetzen, Paragraphen, Vorschriften und Ämtern allein das erreichen zu können meinen, was zuvor in lebendigen Menschen geistige Wirklichkeit sein muß, ohne zu sehen, wie leicht sich die Zäune der Gesetze in den Stacheldraht der Konzentrationslager verwandeln können, wenn man nicht mehr weiß um die Rechte des Menschen.

Eine der furchtbarsten Gewalttaten des Unrechtes, die unsere Zeit vollbracht hat, um die Prinzipien einer Doktrin an die Stelle natürlichen Menschenrechtes zu setzen, war die Vertreibung jener Millionen von Familien von Haus und Heim, von Hof und Arbeitsstätte, die jetzt in Österreich und im Westen Deutschlands um ihr Menschenrecht ringen und bangen, um das Recht, durch freie Arbeit ihr Leben aufzubauen und zu erhalten, um das Recht, als freie Menschen sich der Gemeinschaft einzuordnen, in die ein grausiges Schicksal sie gebracht hat. Das sind die wahrhaft „proletarischen“ Existenzen unserer Zeit. Hier geht es um Menschen, nicht um Glieder eines Kollektivs, hier geht es um die Aufgabe, sich nicht mehr mit theoretischer Defensive gegen ein Unrecht zu begnügen, sondern endlich die Offensive der Gerechtigkeit zu ergreifen, das Unrecht durch das zu überwinden, was allein Unrecht zu überwinden vermag: durch Anerkennung und Verwirklichung des Rechtes.

Die Aufgabe, die hier gestellt ist, ist gewaltig, viel zu gewaltig, als daß gerade jene Völker und Staaten, die die Last eines verlorenen Krieges und seiner Folgen und die Last einer zerschlagenen Wirtschaft zu tragen haben, sie aus eigener Kraft bewältigen könnten. Hier bedarf es der Solidarität de'r Völker christlicher Kultur, der Solidarität nicht nur der Prinzipien — wohl auch dieser —, sondern vor allem der Solidarität der Tat, der werktätigen Hilfe, der Wirtschaft, der Arbeit, des Kredits, um die Möglichkeiten zu verwirklichen, durch die sich die Vertriebenen wiederum aktiv eingliedern können in die Gemeinschaft der Wirtschaft, der Kultur und des Rechtes, aktiv, das heißt nicht als Befürsorgte, sondern als freie arbeitende Menschen, die auf Grund ihrer Leistungen ihr Leben aufbauen und entfalten können.

Wenn in der vergangenen Woche der .Weltkirchenrat“ sich in Salzburg versammelte, um das Problem der Heimatlosen zu beraten, so scheint uns das in zweifacher Hinsicht bemerkenswert. Zuerst, weil es sich immer mehr erweist, daß das Christentum der letzte Hort wahrer Freiheit und Menschenwürde ist. Sodann aber wohl auch deshalb, weil es begreiflich ist, daß gerade Österreich sich in besonderem Maße als Anwalt jener Vertriebenen fühlen sollte, soweit noch geschichtlich geprägtes Leben in ihm ist, das heißt aber ein echter Drang nach eigenständigem Dasein und nicht bloß die Apathie eines Versuchsfeldes sozialer Ideologien und kulturpolitischer Doktrinen. War doch Österreich in seiner geschichtlichen Gestalt und zumal in seiner kulturellen Mission die Heimat so vieler, die heute in dem machtlosen Rest einstiger echter Größe ihre Zuflucht und die Menschlichkeit suchen, die ihm immerdar eigen war. Gewiß, solange unserem Vaterlande die Freiheit nicht vergönnt wird und es der machtlose Schauplatz der Kämpfe gewaltiger Mächte ist, muß die Sorge um den Tag den Blick in die Zukunft trüben, von der wir nicht wissen, ob wir sie selbst werden bestimmen und gestalten dürfen. Keine Rücksicht aber darf die Rücksicht auf die Grundsätze natürlicher Gerechtigkeit überwiegen, und ' trotz allem müssen Maßnahmen ergriffen werden, die unsere Zukunft gestalten sollen. Wir müssen trotz allem wieder lernen, auch in Österreich in Generationen zu denken und nicht bloß in Bilanzperioden.

Schon die erste Aufgabe, die wirtschaftspolitische,' der Einbau der Vertriebenen in die volkswirtschaftliche Gemeinschaft, ist eine Aufgabe, die nur auf lange Sicht angegangen werden kann. Es gibt noch manche Möglichkeiten der inneren Intensivierung der österreichischen Volkswirtschaft, der Weckung und Entfaltung produktiver Kräfte durch den freien Einsatz der Heimatvertriebenen aus dem früheren österreichischen Raum. Eine jüngst in der Presse veröffentlichte Denkschrift des katholischen Sozialwerkes für Österreich hat auf manche konkreten Vorschläge hingewiesen und mit Recht betont, daß die Heimatlosen, denen zur Erhaltung ihres Lebens nichts als ihre Arbeitskraft gegeben ist, die Möglichkeit zur Arbeit auch auf einem „schwarzen Arbeitsmarkt“ suchen müßten, wenn nicht für ihr unabdingbares Recht auf Arbeit durch weitblickende Wirtschaftspolitik gesorgt wird. Was aber ein solcher „schwarzer Aibeits-markt“ menschlich und sozial bedeutet, das kann man in den Darstellungen der Frühzeit der „industriellen Revolution“ nachlesen. Daß hier aber auch das Feld internationaler Solidarität wäre, ergibt sich aus der Struktur des Problems von selbst.

Darum ist es auch Österreichs Aufgabe, an dem Erwachen des christlichen Weltgewissens zu arbeiten. Es mag wohl 1 sein, daß die Frage der Heimatvertriebenen eine letzte Bewährungsprobe der Gestaltungskraft christlichen Geistes im Abendlande ist, daß es sich tatsächlich — wie kürzlich gesagt wurde — um einen „letzten Anruf Gottes“ an die Menschen unserer Bereiche handelt, der uns veranlassen soll, den Menschen inmitten des Rausches der

Kollektive zu entdecken und zu achten, den Menschen, den wir in Armut und Elend erkennen sollten, nachdem er uns in Zeiten des Wohlstands und der Macht aus dem Blick entschwunden war. Sonst mag es wohl leicht dahin kommen, daß wir ihn erst dann erkennen, wenn ihn der Wahn der Zerstörung und der Gewalt erfaßt hat.

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