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Fritz Lehners erster Band seiner Trilogie über die Gestapo-Zentrale "Hotel Metropol".

Es ist in jedem Fall ein monumentales Unterfangen: 449 eng bedruckte Seiten umfasst der erste Band von Fritz Lehners Trilogie, die im August 1944 einsetzt, über das "Hotel Metropol", die Gestapo-Zentrale am Wiener Morzinplatz. Monumental ist auch der Anspruch, als Nachgeborener die innere Perspektive eines Opfers und eines Täters parallel zu führen. Beide Akteure sind auf ihre Art außergewöhnlich: Wolf Manhardt, der verhinderte Akademiker aus verarmtem Kleinbürgertum, ist überzeugter Nationalsozialist und liebt seine "Arbeit" als Verhörspezialist und Folterknecht.

Doch er unterscheidet sich deutlich von der blindwütig drauflos prügelnden Brutalität seiner Spiegelfigur Bruno. Wolfs Sadismus ist subtiler bzw. so verquer wie der ganze Charakter dieses verkorksten Einzelgängers. Er quält durchdacht und mit psychologischen Mitteln. Bei seinem aktuellen Opfer Lilly Winter arbeitet er an der Verfeinerung seiner Methoden, schließlich liebt er sie "aufrichtig". Während Wolf beginnt, auf den Protokollformularen Tagebuch zu schreiben, kann Lilly nicht schreiben. Sie liegt in ihrem Kellerloch, zerschunden, frierend, hungrig und schreibt ihr "Herzensbuch" im Kopf, um nicht verrückt zu werden vor Schmerz und Angst.

Opfer und Täter

Das Leben von Opfer und Täter wird so bestialisch beschrieben, wie man es aus Zeugenberichten der ns-Häftlinge und Folteropfer kennt. Lehner hat dazu ausgiebig recherchiert und an die 7.000 Karteikarten angelegt; kein Detail der unvorstellbaren Grausamkeiten, die er schildert, dürfte erfunden sein. Wer ein wenig die einschlägige Literatur kennt, wird das nicht bezweifeln.

Und doch schleicht sich bei Lehners fiktionaler Ausschmückung des Folteralltags der Voyeurismus-Verdacht ein und macht die Lektüre zu einem Spießrutenlauf. Solche Einwände mögen das Werk als literarische Fiktion verfehlen, doch wer - willkürlich herausgegriffen - etwa Milo Dors autobiografischen Roman "Tote auf Urlaub" gelesen hat, ist für Lehners "Metropol"-Trilogie vielleicht verloren.

Ein wenig erinnert "Hotel Metropol" an Lehners Schubert-Film "Mit meinen heißen Tränen", der das Biedermeier-Klischeebild mit den katastrophalen hygienischen Verhältnissen der Zeit konfrontierte. Doch wie Lehner in einem Interview beschrieb, war der ganze Film farblich streng durchkomponiert, auch Dreck und Kot mussten sich der Farbskala aus warmen Tönen fügen, und so war das Ergebnis keineswegs ekelerregend, sondern gediegen.

Dreck und Kot

Auch in "Metropol" unterliegt irgendwie alles einem Generalkonzept der Stimmigkeit. Wolf ist der körperlich und psychisch zu kurz Gekommene, der sein Ego allein aus seiner Position als allseits gefürchteter "Metropolist" aufbaut und seine verquere Sexualität mit Alkohol, Sadismen und Mordvisionen auslebt.

Bruno, der mit Fußtritten ausagiert, was ihm im Kopf fehlt, liebt seinen Hund und füttert ihn fallweise mit Gliedmaßen der Gefolterten. Lilly ist die lebenslustige Geliebte eines Widerstandskämpfers, die leichtsinnig, wie sie liebt, auch Flugblätter verteilt und ihr bezauberndes Haar und ihre Attraktivität auch nach drei Monaten ohne Wasser und Toilette nicht einbüßt. Sogar der Chef persönlich will sie für sich. Natürlich kommt auch die andere Seite vor, aber Schmerz, Dreck, Verzweiflung und auch die unwürdigen Abgründe wirken trotz aller brutalen Direktheit irgendwie homöopathisch dosiert.

Dabei gelingt es Lehner durchaus, die psychologische Problematik des isolierten Folteropfers darzustellen, den emotionalen Zwiespalt und die fatale "Anhänglichkeit" an den Folterknecht. Lilly ist eine heroische Figur, die ihren Liebhaber deckt, der schon lange tot ist, und einen versteckten Fallschirm, der ihr Brautkleid sein soll. Es ist ein Kampf um Würde, aber es ist, als ob eine Bodenverankerung in der verzweifelten Realität von Folteropfern fehlt. Unermüdlich baut Lilly an ihrer Welt im Kopf, während die Verbissenheit der Folterknechte ständig wächst. An den Endsieg glaubt schließlich keiner mehr; wer es aber ausspricht, landet im Keller des Metropol, denn der Bedarf an Folteropfern wächst mit der Angst der Schergen vor dem Danach.

Hotel Metropol

Ankunft

Von Fritz Lehner

Seifert Verlag, Wien 2005

449 Seiten, geb., e 25,60

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