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Betörende Düfte für Kleine

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Die Markt-Strategen wissen und versichern es: Unsere Redürfnisse sind noch lange nicht „ausgereizt”. Es gilt noch unendlich viel zu erfinden, zu erzeugen und zu vermarkten. Die „Marktlücken”, die es zu füllen gilt, sind wie gefährliche Krater oder Rombentrichter auf den Wegen unseres Wohlstands, die uns daran hindern, noch schneller und komfortabler in die Zukunft zu reisen. Solche Unebenheiten müssen ausgefüllt werden.

Daß die Frau erst zur weiblichen Schönheit wird, wenn sie derselben mit geeigneten Färb- und Duftutensilien gewissermaßen den letzten Schliff gibt, das wußte schon Kleopa-tra. Ihr Erfolg schuf den Markt. In einer heutigen Parfümerie wäre sie über Fortschritt und Auswahl entzückt.

Zwar trat ihr, wenn er nicht gerade vom Kriegsschauplatz kam, der Marcus Antonius durchaus auch mit allerlei wohlriechenden Essenzen gesalbt entgegen, aber sein Erfolg wirkte doch etwas verzögert auf den Markt. Erst in den letzten Jahren gingen die Kosmetik-Innovatoren konsequent daran, die Marktlücke männlicher Schönheitspflege zu füllen. Das Geschäft, so hört man, soll sich ganz enorm angelassen haben. Mittlerweile vergeht ja auch kein Feier- oder Geburtstag, an dem die früher obligate Verlegenheits-Krawatte nicht von betörenden Rasier- und Duftwässern abgelöst wird. Es ist immer nur schwierig, zu entscheiden, ob der Mann wie eine exotische Blume aus dem Dschungel aufblühen oder als kraftstrotzender Muskel- und Sexprotz ins Haus fallen soll.

Den männlichen Luxuskörper mit ordinärer Seife zu waschen deutet bestenfalls auf grün-alternativen Fanatismus. Der gepflegte Mann verfügt über Schaumbäder und Dusch-gels und entsteigt dem Reinigungs-Ritual wie eine Kreuzung aus Adonis und Dressman. Er besprüht sein Haar, er salbt sein edles Antlitz. Kein irdischer Rest von Menschentum darf an ihm haften, wenn er sich in Gesellschaft und Business stürzt.

Was tun, stöhnt die Schönheits-Industrie, wenn auch dieser Markt gesättigt ist? Klafft da nicht noch eine Lücke? Tatsächlich, sie klafft. In der Krabbelstube, im Kindergarten und in der Schule besteht ein ungeheures

Nachhol-Potential an Parfüm und Kosmetika. Die primitiven Verbrauche von Cremes für den Raby-Popo und von Nagellack für frühreife Teenager sind marginal im Verhältnis zu den Marktchancen der wirklichen Kinder-Kosmetik. Schließlich haben die lieben Kleinen erst kürzlich gelernt, daß Rarbie und Schlumpf samt Accesoires nur echt sind wenn sie markentreu sind. Und Prestige im Kindergarten und in der Schule verspricht nur teure Markenware. Man kann sich ja sonst nicht mehr sehen lassen, nicht wahr?

Auf solcher erfolgreicher Vorarbeit aufbauend erscheint nun das neue Angebot. Baby wird zart beduftet - und so es ein Mädchen ist, zieht Mutti Augenbrauen und Mündchen-Kontur mit passenden Stiften nach. Früh übt und gewöhnt sich. Für Buben-Baby muß die Duftnote etwas herber sein, damit der Mini-Tarzan sein Selbstbewußtsein richtig entwickelt.

Im Kindergarten geht's dann richtig los. Die kleine Dame benötigt Nagellack und Lippenstifte in etlichen Farben, denn die Nuance muß zum modischen Outfit passen. Seife ist längst pfui, denn die schädigt den pH-Wert der köstlichen Haut. Also

Schaum und Gel. Das Make up noch dezent. Eine gefällige Auswahl von Düften. Parfümerie und Kosmetiksalon verfügen für die steigenden Bedürfnisse der Kinder bereits über eigene Abteilungen.

Nicht für den Kindergarten, für die Schule lernen wir! Da beginnt der Ernst des Lebens und der Schönheitspflege. Nicht etwa hastig wie die berufstätige Mutter, die vor dem Weggehen rasch ein wenig Farbe ins Gesicht und Parfüm in die Armbeuge tupft, sondern ausgedehnt und gründlich muß die Stunde vor dem Spiegel nun sein.

Die Konkurrenz ist hart. Es gilt, gegen Mitschülerinnen und sogar die Lehrerin zu bestehen. Gerne gibt die Kosmetik-Industrie hilfreiche Tips. Und spätestens wenn auf der Wange des Knaben ein erster Flaum erscheint, ist auch hier ein Duft von Weite und Meer fällig.

Die Lücke schließt sich. Wohlvorbereitet gleitet der junge Mensch ins Konsumleben. Da mag die Regierung nur ihre Sparpakete schnüren. Wozu gehen Vati und Mutti denn arbeiten? Dieser todschicke hellgrüne Nagellack, wäre doch gelacht, wenn wir uns den nicht leisten können. Den haben alle in der Klasse.

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