Pflanzen - © Collage: Rainer Messerklinger

Bettina Gärtner: „Das Unheimliche hat viele Gesichter"

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Bettina Gärtners Roman "Herrmann"

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Bettina Gärtners Roman "Herrmann"

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Zwei ehemalige Schulkameraden: Herrmann und Orban. Sie treffen einander nach 30 Jahren erstmals wieder. Heimlich im Wald. So beginnt der zweite Roman der in Wien lebenden Autorin Bettina Gärtner, deren Debüt „Unter Schafen“ 2015 erschienen ist. Ihrem Erstling hat die Kritik vereinzelt sogar das Prädikat kafkaesk zuerkannt. Eigentlich könnte man Rätselhaftigkeit auch als einen der erzählerischen Kunstgriffe im Handlungsverlauf ihres Romans „Herrmann“ sehen. Herrmann, der Protagonist, ist Mitte 40. Ein Eigenbrötler. Er wohnt zwar nicht mehr im Elternhaus, aber so gut wie, denn er hat ein Gebäude im familiären Hofkomplex bezogen.

Vor Kurzem ist sein Vater tödlich verunglückt. Nun soll er neben seinem Job dessen Hundezucht weiterführen, obgleich er keine rechte Freude daran hat. In seiner Firma strebt er jedoch nur eine moderate Karriere an. Seine Unkündbarkeit gibt ihm zwar Sicherheit, aber wirklich wohl fühlt er sich auch hier nicht. Eines Tages taucht Orban auf, quasi als Bote aus der Fremde, wodurch sukzessive eine Welle der Beunruhigung auf Herrmann zuzurollen beginnt. Altlasten, Geheimnisse kommen hoch. Das, was ohnedies nicht im Gleichgewicht, fragil ist, wird erschüttert. Einst hat Orban den Ort aufgrund einer Friedhofsgeschichte verlassen. Dieses Stigma hat sich in den Köpfen der Dorfl eute eingebrannt. An der Verbreitung des Vorfalls war, was aber niemand weiß, Herrmann damals nicht unerheblich beteiligt. Gärtner zeichnet den Ort als mächtiges Gefüge.

Hier gibt es keine Anonymität, alles ist klein und gut überschaubar. Der Einzelne versucht, allgemeinen Erwartungen gemäß zu agieren. Bizarre Verstrickungen durchziehen alle Ebenen. Einen Kontrapunkt dazu bildet die von außen diffuse Arbeitswelt der New Economy, in der sich Herrmann befindet und die nach ihren eigenen Gesetzen der Geschwindigkeit und Ordnung funktioniert. In 56 Kapiteln rollt Gärtner entlang der biografischen Eckdaten der Hauptfigur Ereignisse aus, die eine präzise Zeichnung der Sozialstruktur und der Dorfwelt darstellen. Ein Gewebe aus sorgfältig miteinander verzahnten Rückblenden und Erinnerungen verbindet sich zu einem Puzzle, das Stück für Stück immer mehr an Konturen gewinnt. Gärtner hält den Plot gelegentlich in Schwebe und lässt dabei Sprödes mit Füchsischem verschmelzen: „Das Unheimliche hat viele Gesichter!“

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