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Graz, im Juli 1947 Allem voraus: der schöne Erfolg der Grazer Festwochen 1947 hat die großen Mühen gerechtfertigt. Besondere Glanzpunkte: einmal die große Totenmesse von Hektor Berlioz, die wegen ihrer -überdimensionalen Besetzung so selten zu hören ist und im wundervollen Rahmen des Domes auf die 5000 Zuhörer eine überwältigende Wirkung ausübte.

Eine andere Welt ist die Oper „Pete r. G r i m e s“ von Benjamin Britten. Das harte Leben britischer Fischer, in einem Orte, wo Sturm, Regen und Nebel die Herzen der Menschen verhärten und Liebe nur schüchtern gedeiht, wird in veristischer Deutlichkeit, sozusagen an der Oberfläche, in Text und Musik geschildert. In Rem-brandtsche Farben getaucht, rollt die Handlung folgerichtig ab, viel Möglichkeiten der Untermalung und Belebung dem Komponisten bietend. Britten, noch jung an Jahren, nützt in diesem Erstlingsbühnenwerk nicht alle Chancen aus und führt doch eine unleugbar eigene Sprache, welche neu anmutet und jedenfalls den Keim zu neuen ^egen in sich trägt. Das Fortspinnen eines Einfalls kennt Britten nicht; er wiederholt diesen, so lange er ihn braudit, um der Stimmung zu genügen (Chor der Netzeflicker) und gelangt dabei zu überraschenden Wirkungen. Der zünftige Opernbesucher wird vergeblich nadi einer haftenbleibenden Melodie suchen, doch wird er den Unterton einer zwar herben, dissonanzenreichen, aber doch tonal gefestigten Sprache nicht überhören dürfen.

Otto Klemperer bescherte uns neben Mozarts Serenata notturna und Bruckners „Romantischer“ die interessante, klangschöne „Sommernachtstraumsuite“ von Henry Purcell.

War es bei „Peter Grimes“ Max Koje-tinsky, der die Hauptlast an Arbeit zu tragen hatte (er war seiner schwierigen Aufgabe voll gewachsen), so dankte man eine hervorragende Aufführung der „Schöpfung“ wiederum Dr. Lippe. So klangschön hatte der Domchor noch nie gesungen! In einem eigenen Liederabend sang Elisabeth Schwarzkopf Lieder altenglischer Meister, Klassiker und Zeitgenossen. Der berühmte englische Pianist Kendali Taylor spielte Beethovens G-dur-Klavierkonzert in Beethovenschem Geiste und brachte in seinem Abend altenglische Komponisten (Byrd, Dowland) sowie vor allem eine Sonate von John Ircland zur vollendeten Wiedergabe.

Ein Höhepunkt war auch die „S a 1 o m e“ in einer fein ausgefeilten Neueinstudierung durch Dr. Karl Böhm, der wahre Klangorgien aus dem Orchester hohe und von ersten Solisten unterstützt wurde. Kaum zu glauben, daß seit der Grazer Erstaufführung über 40 Jahre verstrichen sind: — das Werk wirkt in seiner auch später durch Strauß nicht mehr übertroffenen Ton-■sprache so aufregend neu wie damals — und welche Wege ist seitdem die Musik nicht' gegangen! An zeitgenössischem Musiksdiaffen gab es noch die Phantasie über „Die Frau ohne Schatten“ von Richard Strauß zu hören, deren Uraufführung vorher in Wien stattgefunden hat, sowie ein Alterswerk von Elgar, das Streichquartett e-moll op. 83, letzteres durch das Philharmoniaquartett. Das Musikvereinsquartett spielte in der gotischen Lech-kirche, umrahmt von schöner alter Chormusik (Pro-arte-Chor Knittelfeld), das Quartett in modo antico von Joseph Marx. Eine Matinee junger Komponisten (Goldschmidt, Klien, Koringer, Märzendorfer, Weishappel) zeigte viel ernstes Streben nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten.

An Stelle des verheißenen „Hamlet“ spielte das Wiener Burgtheater im alten Schauspielhaus Goethes „Stella“. Die Freunde guter Schauspielkunst kamen auch mit dem von heimischen Kräften uraufgeführten Wiener Sittenbild „Der alte Mann mit der jungen Frau“ von Nestroy (Neubearbeitung Dr. Möller) voll auf ihre Rechnung. Die Grazer Festwochen klangen mit dem vierten, von Clemens Krauß geleiteten Orchesterkonzert aus, das uns allen durch die glanzvolle Wiedergabe der farbenreidien „Bilder aus einer Ausstellung“ von Moussorgsky-Ravel und des ewig jungen „Till Eulenspiegel“ von Ridiard Strauß zum Erlebnis wurde.

Die bedeutendsten Veranstaltungen wurden Jurch Rundfunkübertragungen einem großen Hörerkreis vermittelt. Mit einem eigenen Zykius „österreichisches Musikschaffen“ brachte der Sender Alpenland in fünfzehn Sendungen die entschieden notwendige Ergänzung zum Programm der Grazer Festwochen. '

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