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Bildnis der Familie Mann

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Eine Familienchronik deT Dichterbrüder und ihrer Geschwister, der Schwestern Carla und Julia sowie des Verfassers. Zwischen den Geburtsdaten der beiden Brüder Heinrich (geboren 1871) und Thomas (geboren 1875) und dienen des Autors (geboren 1890) liegen 19 beziehungsweise 15 Jahre. Das ist für den Blickpunkt des Chronisten von entscheidender Bedeutung. Denn es ist der Jüngste der Familie, der das familiengeschichtliche Geschehen aus dem Abstand der Jugend auf seine Weise reproduziert, womit eine für einen Familiengeschichte Schreibenden vorteilhafte Distanz gegeben ist, die der Übersicht seines Berichtes zustatten kommt, wenngleich die Nähe des Erlebten darunter leidet. Sind es die Jahre, die einen zeitlichen Abstand zwischen Autor und seinen Brüdern aufrichten, so ist es darüber hinaus dem Buch zum Schicksal geworden, daß sein Verfasser, von Beruf Diplomlandwirt, aus anderem Holz geschnitzt ist als seine Brüder. Ist er doch vor allem eine praktische Natur, begabt mit allen Fähigkeiten des im Leben Siegenden, des harten Arbeiters, des siedelnden Elements der . Lübecker Senatorenfamilie Mann. Man möchte nun im Gesamtbilde der Manns dieses neue Porträt nicht missen. Ergänzt es doch das bisher Bekannte um eine neue Möglichkeit Mannschen Wesens, das ganz folgerichtig erst am Ende eines an Arbeit reichen Lebens • ein Buch aus liebender Rückschau auf das zerstörte Glück einer vormals blühenden Familie schuf. Das Buch ist geraten, wie solche Bücher zu geraten pflegen: es ist ein Buch der persönlichen Erinnerung seines Schöpfers, ohne der gestaltenden Kraft, ja sicher auch ohne den Willen, dieses einfache Leben zu höherer gültiger Bedeutung hinaul- zuschrauben. Der schlichte Erzählten macht uns mit einem Mann bekannt, dessen Erlebnisse im Schatten des brüderlichen Ruhmes verlief, dessen Folie den keineswegs besonders abenteuerlichen oder vom bürgerlichen Weg abweichenden Begebenheiten zustatten kommt. Das Buch enthält weder geistige Auseinandersetzungen oder Stellungnahme zum künstlerischen Werk der Bücher, noch vermag es grundlegend Neues übeT die Brüder als Personen mitzuteilen, Natürlich ist das Vorgelegte dem Freund der Mannschen Dichtung hochwillkommen. Der Takt, mit dem hier jeder nach Sensation aussehenden Versuchung widerstanden ist, ist der menschlich sehr sympathische Eindruck des Buches. Ein gerader Mann und ein gerades Wort sprechen eine gerade Sprache, die stets dort am wärm- sten blüht, wo es gilt, der gemeinsamen Familie zu huldigen. Das Buch ist ja nicht ohne Vorbedacht der Mutter der fünf zugeeignet. Dieses im besten Sinn bürgerliche Element, das gemeinsame Band der Sippe, hat nicht nur in den „Buddenbrooks“ zur itterariöchen Form verführt, auch diese Werk zollt jenem Bürgertum seine stille Verehrung. So ist denn auch dieses Buch ein echter Mann, allerdings ohne literarischen Anspruch. Auch dies ist gut so und bezeugt den hohen Geschmack des Verfassers. Das willkommene Bildmaterial sowie die Stammtafel des Mannschen Hauses verdient das ganze Interesse des Literaturfreundes.

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Die verkaufte Heimat. Roman in zwei Teilen. Von Erwin H. Rainalter. A.-J.-Walter- Verlag, Wien - München - Stuttgart, 1951. 319 Seiten.

Nur einige Novellen sind diesem ersten Roman Rainalters, der bereits 1928 erschienen ist, vorausgegangen. Der Autor ist seither zweifellos gewachsen und in der Gestaltung der Probleme reifer geworden. Wenn dieses Buch dennoch heute immer noch zu interessieren vermag, so ißt es auf das Kernproblem zurückzuführen, das ihm zugrunde liegt. Die Landflucht — schon 1928 eine brennende Frage, um deren Lösung man sich verzweifelt bemühte — ißt auch heute noch aktuell. Auch in unseren Tagen kann es sich immer wieder ereignen, daß besonders die jüngere Generation unter den Einödbauern der Versuchung nach dem leichteren Leben im Unterland nicht widerstehen kann. Zu spät erweist es 6ich dann, daß der Entwurzelte nicht so schnell, wie er dachte, in den Besitz eines zweiten Hofes und damit einer zweiten Heimat kommen kann. Zum Fabrikarbeiter aber taugt der Bauer mit seiner ganz anderen Mentalität gleichfalls nicht. So vermehrt er denn die Zahl der gescheiterten Existenzen. Und nur sehr selten tritt jener Idealfall ein, den Rainalter einige seiner Bauern erleben läßt, der Fall nämlich, daß sich jemand findet, der ihnen den Weg zurück in die alte Heimat ermöglicht. — Mit jener Erzählergabe, die an den Werken Rainalters immer wieder gefangennimmt, mit einer lebendigen und fesselnden Darsellungskraft wird dieses Problem in einer ansprechenden Romanhandlung, die allerdings einer gewissen Schwarzweißzeichnung nicht entbehrt, dem Leser nahegebracht.

Georg Stiblers Dichtungen. Herausgegeben im Auftrag des Denkmalausschusses von Doktor Josef H a i m e r 1. Oberösterreichischer Landesverlag, Ried im Innkreis, 1951. 490 Seiten, mit Originalzeichnungen des Dichters.

Georg Stibler (1861 bis 1930), recte Georg Wagnleithner, Dechant von Grieskirchen, aus Aspath im Innkreis gebürtig, zählte zu den bedeutendsten oberösterreichischen Mundartdichtern, und steht nicht nur landschaftlich, sondern auch rangmäßig Stelzhamer nahe. Sein wichtigstes episches Werk, das „Linsad- lied“, eine Schilderung des bäuerlichen Jahres- und Lebenslaufs im Bild der Flachs- bereilung, war 1921, eine Auswahl seiner zumeist lyrischen Dichtungen 1926 erschienen. Mit dem vorliegenden, sehr sorgfältig redigierten und würdig ausgestatteten Großband wird uns nun Stiblers Werk, wenn auch nicht zur Gänze, so doch ln hinreichendem Ausmaß, zugänglich gemacht, und uns zugleich sein Leben daxgestellt, teilweise durch den Herausgeber, teilweise durch den Dichter selbst. Die Ausgabe offenbart eine weitgespannte Klaviatur .Sie enthält Lyrik, Epik, Idyllik, Didaktik, Erinnerungs- und aphoristische Prosa; zum Lied gesellt sich der Spruch und das Schnadahüpfl; Weltliches zu Geistlichem, Ernst zum Humor, zur Mundart die Hochsprache. Insbesondere das Landleben, das Naturleben seiner Kobernaußerwald- heimat mit ihren Originalen aus der Menschen-, Tier- und Pflanzenwelt, aber auch die Gasteiner Landschaft, in welcher der Dichter seine Urlaube verbrachte, ersteht vor uns mft den Mitteln seiner ausdrucksreichen Sprache, und — zusätzlich — seines gewandten Zeichenstifts. Allein was Georg Stibler in einem einzigen seiner großen, tragenden Gedichte, wie zum Beispiel in „‘s Vöglgsang“ als Sprachkünstler und heimlicher Musiker, der er ist, was er sinngebend und bild- und lautmalend leistet, sichert ihm einen ehrenvollen Platz in der Heimatliteratur unseres Landes und erst recht innerhalb der österreichischen Priesterdichtung einen der vordersten. Die Lesebuchausschüsse und Volksbibliothekare seien auf dieses Buch nachdrücklichst hingewiesen.

Die Nacht vor der Scheidung. Roman. Von Alexander Marai. Paul-Neff-Verlag, Wien- Berlin-Stuttgart. 231 Seiten.

Der Roman ist in seiner Technik und auch in seinem Thema dem früher erschienenen Werk des Autors „Die Kerzen brennen ab“ ähnlich. Wieder geht es um eine Frau zwischen zwei Männern, und wieder werden in einem nächtlichen Gespräch Ereignisse der Vergangenheit in ihren seltsamen Zusammen, hängen aufgedeckt. Ein Richter, der die Ehe eines Jugendfreundes scheiden soll, erfährt in der Nacht vor der Scheidung, daß er selbst, ohne es zu wissen, das tragische Scheitern dieser Ehe verursacht hat, da des anderen Frau seit einer kurzen Begegnung erotisch an ihn gebunden war. Er, der klare Pflicht- mensch und Mann der Ordnung, hat sich selbst in wachem Bewußtsein nie zugestanden, was diese Frau ihm in Wirklichkeit bedeutete. Die Tagseite des Lebens und seine Nachtseite der rätselhaften, im Unterbewußtsein wirkenden Kräfte werden miteinander kontrastiert. Das tiefenpsychologisch interessante Thema wird trotz mancher ferner Beobachtungen nicht immer ganz überzeugend gestaltet. Einzelne Episoden sind zu breit äusgeführt. Die Übersetzung weist leider stilistische Mängel auf.

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