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Blick auf die Spieler

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Frantisek Lagers „Gefangene 9 1”, übersetzt von Peter Lotar, bearbeitet von Ungenannt, inszeniert von Helmuth Schwarz, hat sich im A k a- demie theater einen Publikumserfolg errungen. Vom ersten Moment der Aufführung ist deutlich spürbar: wie froh sind einige unserer Burgschauspieler, einmal nicht auf hohem Kothurn, in der Maske des idealischen Helden und des hochtönenden Wortes der „klassischen” Tragödie auftreten zu müssen, sondern als „Weaner”, als kleine Leute aus dem „Volk”, so aber, wie sie Artmann sieht und mit schwarzer Tinte gemalt hat. Das Ereignis des Abends ist Albin Skoda als Figur dieser Halbwelt. Hier stellt sich bereits die Frage: Gibt es keine Nachfolger für Oedön von Horvath und seine „G’schichten aus dem Wienerwald”? Wiens Theater hätte hier heute Originales, Einmaliges und Einzigartiges zu bieten, eben diese Darstellung unseres Untergrundes, den auf ihre Weise, verzerrt und vielfach schief, doch schon ein Graham Greene und Carol Reed kurz nach 1945 erspürt haben. Geben wir es doch offen zu: das Klassische liegt uns heute nicht, es fehlt uns die Spiritualität zu seiner Wiedergeburt, unsere Chancen liegen beim klassischen Volksstück des 19. Jahrhunderts und bei dem, was hier in Ansätzen, in Uebertragung aus dem pragerischen tschechischen Untergrund, geboten wird. Neben dem Erzganoven des Albin Skoda sind Michael Janisch, Josef Meinrad und Lilly Stepanek sehenswert, die Titelfigur wird durch Eva Zilcher einprägsam dargestellt. Auf eine Analyse des Inhalts wollen wir uns nicht einlassen: dieser strotzt von psychologischen Widersprüchen und Unwahrheiten. Im Original endet das Stück zudem anders, der Wiener „metaphysische” Schluß, der einen an sich großen Gedanken an ein Werk ankoppelt, das in einer anderen Sphäre beheimatet ist, stammt wohl von Unbekannt. Man sehe also nur auf die Schauspieler und wird dann die zwei Stunden des Abends auf seine Rechnung kommen.

Der Roman „Theater” von Somerset Maugham, nach dem die Komödie „Bezaubernde Julia” von Marc-Gilbert Sauvafon geschrieben wurde, ist eine Apotheose des Schauspielers als eines Menschen, der vom Theater besessen, ihm alles, das. ganze Leben, zu opfern bereit ist. Man. kann diese Existenzform kritisieren, ihre Brüchigkeit, Infantilität und letzte Unzulänglichkeit feststellen, leugnen kann man sie nicht: in Vollblutschauspielern lebt sie sich dar, jenseits von Gut und Böse der Kritik. Die Bombenrolle der perfekten Schauspielerin spielt in der Aufführung des Volkstheaters Blanche A u b r y, assistiert von ihrem Bühnengatten Leopold B i b e r t i, der auch Regie führt. Allen Nebenrollen fällt die undankbare Aufgabe zu, Statist zu sein. Womit, wie auch mehrmals im Text dieser Komödie, eine nicht ungefährliche Neigung und Berufsgewohnheit „großer” Schauspieler angezeigt wird, nämlich ihr bis zum letzten entschlossener Wille, „kleine” und kleinere Mitspieler zu vernichten, von der Bühne wegzuspielen. Wodurch sie ihren großen Kollegen auf der großen Bühne des Lebens anziehende Vorbilder liefern.

Hinter dem Sammeltitel „Leidenschaften” verbergen sich drei vor mehr als vierzig Jahren geschriebene Einakter von Eugene O’N e i 11. Die Erfahrung mit O’Neill bringt es freilich mit sich, daß da keinesfalls etwas verborgen bleibt, sondern sich, im Gegenteil, höchst vernehmlich, laut und drastisch zu erkennen gibt: Die Szenen „In der Zone” (Haß, Angst und Hysterie auf einem Munitionstransporter), „Der Strick” (alle erdenkliche Entmenschung in einer Brutstätte der Gier und Idiotie) und „Tran” (Ehrgeiz und Roheit) hinterlassen im Theater der Courage den vehementen Eindruck einer dichterischen Explosion von packender (und meisterhafter) Knappheit. Die für starke Kellerereignisse prädestinierte „Courage” bietet eine scharf zugreifende, in grellen Effekten blitzende Inszenierung des für jedwede Art realistischer Szenerie prädestinierten Regisseur Edwin Z b o n e k, dem wiederum drei für das harte Jungmännerfach prädestinierte Schauspieler zur Verfügung stehen: Wolfgang Gasser Kurt M e j s t r i k, Kurt S o b o t k a. In kleineren, recht schwierigen Rollen bewähren sich nicht minder erfolgreich Franz Zellhausen und Edith Wöber. Zwei weitere Frauenrollen werden von Elisabeth Orth und Marianne Kober bestritten.

„Der Himmel der Besiegten” heißt ein aus kabarettistischem Gewitzel und der „Zeitkritik” enragierter Studentenulks zusammengesetztes Stück von Karl W i 111 i n g e r (von dem wir uns angesichts seiner glänzenden Komödie „Kennen Sie die Milchstraß ?” mehr erwartet haben). Guido W i e- land, Franz Messner und Elisabeth Stem- berger versöhnen mit der derben, in jeder Hinsicht danebengeratenen Inszenierung Werner Krauts.

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