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Blicke über die Grenzen: Frankreich und Italien

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Frankreich gestern — heute — immer. Von Paul Distelbarth. Druckerei und Verlagsanstalt Heilbronn. G. m b. H. 224 Seiten. Preis 18 DM.

Einer der größten Feinde des Friedens zwischen den Völkern ist die Unkenntnis, der allerschlimmste das Vorurteil. Zu ihrer Beseitigung hat, was Frankreich betrifft, kaum ein anderer mehr beigetragen als der Schwabe Paul Distelbarth. Seinem 1936 erschienenen Buch „Lebendiges Frankreich" rühmt der heutige deutsche Bundespräsident Theodor Heuß „klare Nüchternheit und Sicherheit der Darstellung" nach. Aber Distelbarth ist vor allem ein Liebender, ein verständnisvoller Bew’underer dieses Landes und dieses Volkes, und von diesem Gefühl teilt sich auch dem Leser seiner Bücher etwas mit. Das neue Buch des Autors enthält 200 Bilder (darunter 80 eigene), ist aber kein Bildband. Denn die Photographien, besonders die vielen Luftaufnahmen, wurden nicht nach ihrer Schönheit, sondern nach ihrem dokumentarischen Wert, gewissermaßen nach ihrer Brauchbarkeit zum Zweck der Textillustration ausgesucht. Der Text ist also die Hauptsache. Distelbarth ist Historiker, Geopolitiker, Soziologe und Volkskundler, aber er ist kein Literat. Er urteilt temperamentvoll, selten ohhe pädagogische Absicht — und trotzdem elementar richtig. Seine volkserzieherischen Bemühungen gelten jedoch nicht etwa den Franzosen, sondern — indem er seinen Landsleuten Frankreich als Spiegel vorhält — den Deutschen. Daher ist die Feststellung, daß Distelbarth manches zu positiv, zu optimistisch sieht, ohne Bedeutung. Das ist letzten Endes eine Frage der persönlichen Optik. (So etwa, wenn er den französischen Nationalismus ein weni¿ verharmlosend aus der Französischen Revolution erklärt, wo „national" =. zu der Nation gehörend, nur die Antithese war zu „royal“; diese Bedeutung habe es auch heute noch, sowohl in „Gendarmerie nationale", „Académie nationale" usw.) Schwer faßbar, daß ein einzelner Kopf so viele kulturhistorische und alltägliche Details behalten konnte. An diesem Arsenal sollte niemand vorübergehen, der sich für Frankreich interessiert, besonders jene nicht, die einmal in dem Land waren oder es zu besuchen gedenken.

Wunder der Provence. Von Dr. Willy Meyer. Kümmerly & Frey. Geographischer Verlag, Bern. 175 Seiten. Preis 15.20 sfr.

In diesem „Wanderbuch für Kunstfreunde" erfreut und beeindruckt — wie in der Landschaft, die es schildert — die Einheit von Natur und Bauten, jenes scharfgeprägte Gesicht, das Natur, Kultur und Geschichte gleichermaßen geformt haben. — Wie wichtig ein weiteres Element dieser Landschaft ist, wird offenbar, wenn man die acht Farbtafeln mit den anderthalb Dutzend Schwarzweißphotos vergleicht. Es sind tatsächlich die Farben, die wir von van Goghs Bildern kennen Der Autor des Buches berichtet nach auverlässigen historischen Quellen und beschreibt aus eigener Anschauung. Sehr suggestiv ist die Schilderung der öden Camargue mit dem Wallfahrtsort „Les Saintes-Maries", dramatisch bewegt die Geschichte von Arles, das er das „Gallisch Rom“ nennt. Ein schön ausgestattetes, solides Reisebuch für den nicht allzu flüchtigen Liebhaber dieser einzigartigen Landschaft.

Römisches Erinnerungsbuch. Von Werner Bergengruen. 5. Auflage. Verlag Herder, Freiburg. 133 Seiten Text und 257 Abbildungen, Preis 152 S.

„Wir kommen nach Rom mit großen, ja mit ungeheuerlichen Erwartungen und finden uns, wa auf der Welt selten geschieht, nicht betrogen." Auch wer sich der Führung Werner Bergengruens anvertraut, wird nicht enttäuscht. Hier ist — wie selten im Reiseschrifttum — durch die Personalunion von Kenner und Liebhaber, von Historiker, Kunstfreund und Dichter ein Werk entstanden, das wir nicht als Bergengruens Opus I, sondern als ein Meisterwerk schlechthin bezeichnen möchten. Auch wer Rom noch nicht besuchen konnte, spürt etwas von der „verwandelnden Kraft" dieser Stadt, von dem Zauber und dem erhebenden Gefühl, das aus dem Nebeneinander von Vergänglichkeit und Dauer, von Heiterkeit und Schwermut, von Großstädtischem und tiefem Frieden resultiert. Wer aber diese Stadt gesehen hat, wird für immer einen Maßstab für das Ehrwürdig-Große, ein Gefühl für das Bleibende empfangen. Der realistische und humoristische Beobachter Bergengruen bereichert das Bild um reizvolle Züge, die die Lektüre dieses Buches zum Vergnügen machen. Als Probe — die Beschreibung der großen Gräberstraße: „Vielleicht öffnet die Via Appia ihre Geheimnisse am willigsten bei Sonnenuntergang oder Mondschein. Aber auch im hellsten Sonnenlicht, im lieblichsten Frühling, im flammendsten Sommer bewahrt sie ihren Ernst, ihre Schwermut und die Verheißung ihres unendlichen Friedens. Hier hat sich ein römischer Stoizismus mit der innigen Gläubigkeit des Urchristentums verschwistert, und dem Genius mit der umgekehrten Fackel sind gleichermaßen die Lorbeeren des Ruhmes, die Oel- blätter des Friedens und die Palmzweige der Auferstehungsgewißheit um die Stirn gewunden." Aber Bergengruen vergißt auch nicht, daran zu erinnern, daß unser Fuß an einigen Stellen auf der Via Appia noch antikes Lavapflaster tritt und daß die pilzförmige Gestalt mancher Ruinen, die sie säumen, daher kommt, weil in der Nähe wohnende arme Leute für ihre Bedürfnisse Ziegel herausgebrochen haben

Zu rascherer Orientierung als die genannten Bücher dienen die hübsch und freundlich aufgemachten, mit Photos. Karten und Stadtplänen ▼ersehenen Reiseführer durch Italien im Kiepenheuer-Ä:-Witsch-Verlag, Band I „Von den Alpe.n bis Florenz" (Köln-Berlin, 168 Seiten), nd F od or s moderner Reiseführer (Comel-Verlag, Köln, 324 Seiten). Beide enthalten auch kulturhistorische Einleitungen und praktische Ratschläge für den Touristen.

Für dessen sprachliche Vorbereitung sorgt nach wie vor die Langenscheidtsche Verlagsbuchhandlung in Berlin-Schöneberg. Die handlichen Konversationsbücher, nach Sachgebieten geordnet, sind wirklich zuverlässig und halten, was einer der Umschlagstitel verspricht:„Comment dit-on ça en Français?"

L(Von Eduard Coursier, neubearbeitet von

A. Schön-Uaurcnt, 277 Seiten, Preis D”M 4.80.) Aus der Reihe „L a n g e n s c h e i d t s fremdsprachliche Lektüre" zur Auffrischung und Erweiterung der Kenntnisse liegt uns als Probe das Bändchen „N o v e 11 e 11 a 1 i a n e" vor (Bd. 21, 156 Seiten, broschiert). Es enthält nicht etwa Meister- und Musterwerke des Stils, sondern Prosastücke zum Teil wenig bekannter Autoren im „Alltagsitalienisch", am Rande jeder Seite versehen mit der phonetischen Umschreibung der schwierigen Vokabeln und deren Ueber- setzung. Die englischen, spanischen und französischen Bändchen können ebenfalls als Reiselektüre empfohlen werden.

Prof. Dr. H. A. Fiechtnei

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