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Eine Sterbensgeschichte als Liebesgeschichte

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Franz Maus, 72 und rettungslos an Magenkrebs erkrankt, wird von der Nichte Anni in das solid geführte Haus Lebensabend verfrachtet. Er war einst Journalist in einem Provinzblatt und hat seine Schreibmaschine mitgenommen, außerdem hinkt er, mit 13 Jahren hat er eine Kinderlähmung überstanden, war nie verheiratet, das ganze Leben ein Alptraum - aber er träumt weiter und antwortet auf eine Zeitungsanzeige: „Hallo Jungs! Suche Brieffreundschaft in Deutschland. Marie Winter.” Darunter eine Adresse in Athen. Inhalt für den traurigen Lebensrest.

Franz gibt sich als 19jähriger Zivi (Zivildiener) aus, der als Pfleger im Altersheim arbeitet. Marie antwortet forsch, 16jährige Schülerin, deren Vater beruflich in Griechenland festsitzt. Es ergibt sich eine postalische Liebesgeschichte, im Herbst, man gibt ihm noch neun Monate. Sein Zustand verschlechtert sich, Franz braucht einen Gehwagen, später einen Rollstuhl. Doch die Korrespondenz mit Marie wird immer intensiver, sie lieben einander, und in den Ferien will sie ihn besuchen. „Bis dann” heißt der Roman, denn so enden ihre Briefe, und „bis dann” reicht die Geschichte.

Der Sterbende, ein geübter Stilist, verschreibt sich (und der Adressatin) eine vitale Illusion, schafft eine Sehnsucht, die bei der realen Begegnung nichts finden kann. Boswitha Quad-flieg, 1949 geboren, gewiegte Erzählerin, macht aus dieser Sterbensgeschichte eine gesellschaftskritische Lebens- und sogar Liebesgeschichte, die erfüllt war, obwohl sie keine Erfüllung finden konnte.

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