Illu_s12-13 - © Illustration: Rainer Messerklinger

"Farben der Gegenwart" von Stanislav Struhar: Gebrannte Kinder suchen das Glück

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Stanislav Struhar entwickelt in seinen Erzählungen das Gegenprogramm zu einer Wirklichkeit der Unzulänglichkeiten.

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Stanislav Struhar entwickelt in seinen Erzählungen das Gegenprogramm zu einer Wirklichkeit der Unzulänglichkeiten.

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Schon in jungen Jahren kam Stanislav Struhar mit dem Regime in der früheren Tschechoslowakei in Konflikt. Er unternahm sogar mehrere Suizidversuche, wurde in die Psychiatrie gesteckt, mit ihm war kein Staat im Sinne des real existierenden Sozialismus zu machen. 1988 floh er gemeinsam mit seiner Frau nach Österreich, heute ist er österreichischer Staatsbürger. So einer wie er bedarf dringend des Schreibens, um sich Orientierung zu verschaff en. Erschien seine Literatur vorerst in Übersetzungen, legte er 2005 seinen Roman „Eine Suche nach Glück“ schon auf Deutsch vor. Seit dem Jahr 2013 erscheinen seine Bücher im Jahresrhythmus im Klagenfurter Wieser Verlag.

Intensiv arbeitete er an der „Farben“-Trilogie, deren Schlussband „Farben der Gegenwart“ vor Kurzem erschienen ist. Es ließe sich erwarten, dass einer mit einer erschreckenden Biografie zum Finsterling geworden ist, um uns beim schlechten Gewissen zu packen und von der Schlechtigkeit der Welt zu überzeugen. Nicht so Stanislav Struhar. Seine Bücher bevorzugen nicht die Farbe Schwarz oder bestenfalls das triste Grau, sondern erzählen von der Buntheit der Wirklichkeit. Dazu bedarf es keiner großen Gesten, schon gar keiner spektakulären Geschichten. Grell blitzen die Farben nie. Figuren, die den Weg in die Literatur von Struhar gefunden haben, zeichnen sich durch Zurückgenommenheit aus. Der „Walter-Kappacher-Sound“ der Beiseite-Stehenden durchzieht diese Prosa. Struhar-Figuren passen sich nicht an, begehren aber auch nicht auf. Sie sind stumme Rebellen gegen eine banale Wirklichkeit, sie stehen mit ihrem eigenen Leben ein für ein intensives Leben abseits der Sensationen. Der Ablenkung bedürfen sie nicht, weil sie sich mit all ihrer Kraft auf das wenige ihnen wirklich Wichtige konzentrieren. Das ist in jedem Fall eine überschaubare Menge von Menschen, mit denen sich der Einzelne bedingungslos auseinandersetzt. Zur Intensivierung des Lebens gehört auch die vertiefte Beschäftigung mit Kunst.

Bastian hat sich der Fotografie verschrieben und ist einigermaßen erfolgreich damit. Gerade hat er es zu einer Ausstellung in Brüssel gebracht, hat schon Ideen für sein nächstes Projekt. Nicht, dass sich Anerkennung in ökonomischem Erfolg ausdrücken würde, das ist für Bastian auch nicht von Belang. Er lebt für etwas, für das er sich nicht krümmen und beugen muss und ganz bei sich bleiben darf. Er ist eingebettet in einen Kokon von Liebe. Er liebt sein Galeristen-Paar in Wien, wird umhegt von seinen Eltern, denen er sich stark verbunden fühlt, trifft sich regelmäßig mit einem schwulen Fotografen. Die Liebe ist das heimliche Generalthema der Struhar-Trilogie, das in zahlreichen Variationen durchgespielt wird. Eine Leichtigkeit stellt sich ein, weil Charaktere, die sich mit ihrer Verweigerung des Gängigen, Beliebten, Seichten aus dem Spiel des Hofierens des Zeitgefälligen nehmen, nicht gleichzeitig Ausgeschlossene bleiben. Sie finden Verbündete und bilden gemeinsam eine Bastion der Unerschrockenen gegen die Unbill der Philister.

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