Illustration - © Illustrationen: Rainer Messerklinger

Nermin Ismail und Ágnes Heller: Ethik des Guten

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Hinausgelesen: Nermin Ismails Essay „Hoffnung" und das Gespäch von Francesco Comina und Genny Losurdo mit Ágnes Heller, „Der Dämon der Liebe“.

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Hinausgelesen: Nermin Ismails Essay „Hoffnung" und das Gespäch von Francesco Comina und Genny Losurdo mit Ágnes Heller, „Der Dämon der Liebe“.

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„Denn ganz egal, wie unsere Biografien aussehen, welche Sprachen wir sprechen und welchen Bildungsstatus wir haben: Wir sind Menschen“, schreibt die Journalistin Nermin Ismail in ihrem Essay „Hoffnung“ (Kremayr & Scheriau 2021). „Eine Tatsache, an die in Zeiten von doppelten Maßstäben, Populismus, Ausgrenzung und Extremismus immer wieder erinnert werden muss. Eine Tatsache, die uns zusammenbringt und verbindet. Wir sind Menschen, die in Sicherheit und Frieden leben wollen, lieben und geliebt werden, Anerkennung finden und frei und selbstbestimmt leben wollen.“ Die Verwirklichung dieser Hoffnung freilich ist ein Privileg.

Ismail versucht herauszufinden, „was die Hoffnung mit uns macht und wie der Zustand der Hoffnungslosigkeit aussieht“, und geht der Frage nach: „Wie können wir unsere Hoffnungen als Gesellschaft gegenseitig stärken – und welche Verantwortung tragen wir füreinander?“ Auf der Suche nach Antworten sprach sie mit Expertinnen und Experten, von der Sprachwissenschaftlerin bis zum Philosophen, vor allem aber mit betroffenen Menschen. Denn ihre Rolle als Journalistin sieht sie vor allem darin, ein Sprachrohr zu sein für „Menschen, die kaum Gehör finden“, „auf Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen und diejenigen zu konfrontieren, die die Macht haben und etwas bewirken können. Ebenso sehe ich es als meine Pflicht, Hoffnungen von Menschen in den Mittelpunkt zu rücken ins Bewusstsein anderer Menschen, die womöglich privilegierter sind und nicht wissen, was andere durchmachen. Vor allem aber auch immer wieder auf das Gute [...], das Positive hinzuweisen und damit klarzumachen: Es ist nichts verloren, solange wir einander zuhören, uns für die Geschichten anderer interessieren und immer wieder erkennen, dass wir nicht frei sind und niemals frei sein werden, wenn wir uns nicht für andere einsetzen, für deren Freiheit, deren Selbstbestimmung und deren Kampf.“

In dieser hoffnungsvollen Einstellung ist sie der 2019 verstorbenen ungarischen Philosophin Ágnes Heller nahe, die in einem Gespräch mit Francesco Comina und Genny Losurdo, das nun auf Deutsch erschienen ist („Der Dämon der Liebe“, Edition Konturen 2021), diesem Optimismus Ausdruck gegeben hat: „es ist nicht wahr, dass wir heute nur noch gewalt­tätige und böse Triebe erleben. Seit Langem bin ich eine Interpretin der Ethik des Guten, die viel präsenter und stiller ist als die laute Ethik der Hassprediger. Es gibt gute Menschen und wir alle kennen einige von ihnen. Sie sind sanftmütige, bescheidene Menschen, die anderen helfen und sie beschützen. Sie würden lieber Unrecht haben, als es gegen andere auszuüben. Sie machen keine Werbung, sie wollen keine Artikel in den Zeitungen, sie handeln im Angesicht der Ungerechtigkeit, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Sie tun dies, weil sie davon überzeugt sind, dass es das Wesen des reifen, bewussten Menschen ist, Gutes zu tun, weil er ein tiefes Mitgefühl für seinen leidenden Bruder, seine leidende Schwester empfindet, als ob er diesen Schmerz an seiner eigenen Haut spüren würde.“

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