"Watschenmann" von Karin Peschka: Zertrümmerte Zivilisation

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Im Schuppen eines Schusters hausen drei Nachkriegsgestalten: Lydia, die auf ihren Verlobten, den Schuster wartet, der vielleicht in einem russischen Lager sein Dasein fristet, vielleicht aber auch schon längst gestorben ist; Dragan, der Serbe, der hofft, dass Lydia endlich zu trauern beginnt und dann ein anderes Leben möglich wird, und der von den beiden aufgenommene junge Heinrich, der als "Watschenmann" andere provoziert, ihn zu schlagen. Dazu hat er sich auch einige Regeln zurechtgelegt.

Die 1967 geborene oberösterreichische Autorin Karin Peschka verlegt die Handlung ihres ersten Romans ins Wien des Jahres 1954, konkret in die Monate Januar bis Oktober, und kalendermäßig chronologisch geht sie erzählend auch vor. Zwar werden bald die Soldaten abziehen - einen von ihnen zeichnet Peschka mit dem aus Chicago stammenden Elmer als reine Lichtgestalt, auf dessen reales Vorbild, das sie freilich erst 2005 kennengelernt hat, verweist sie im Nachwort -, doch ansonsten ist diese kleine Welt, die hier beschrieben ist, ziemlich schwarz und in Trümmern: innen wie außen. Entsprechend kommt auch die Sprache daher, und erstaunlich ist, wie Karin Peschka diesen Ton durchhält, in der szenischen Beschreibung ebenso wie in der direkten Rede ihrer sprechenden Figuren.

In dieser zertrümmerten Zivilisation, dieser verstümmelten Seelenlandschaft geht es recht trostlos zu: da kriechen ehemalige SS-ler aus ihren Verstecken, ziehen von Soldaten vergewaltigte Frauen vorbei.

Im Mittelpunkt steht Heinrich, den die Autorin als einerseits völlig traumatisierten, andererseits aber hellwachen jungen Mann zeigt. Er wurde von seinem eigenen Vater einst abgeschoben ins Heim, um ihm dort "das Weiche auszumerzen, das Unmännliche, das Stumme, das Lauernde, das Schauende". Die Großmutter allerdings wusste, dass Heinrich kein Träumer ist, sondern einer, der genau hinschaut. Und so geht der Roman auch dieser Frage nach: "Wer kann schon sagen, was Wahn ist und was Realität?"

Heinrich jedenfalls sieht in den Monaten dieses Jahres 1954, was andere nicht sehen: dass nämlich der Krieg noch nicht vorbei ist.

Watschenmann

Roman von Karin Peschka

Otto Müller 2014 298 S., geb., € 19,00

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