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Bregenzer Festspiele 1951

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Die 6. Bregenzer Festspiele liegen hinter uns. Sie standen im Zeichen eines Vierklanges: des Spiels auf dem See, für das heuer die Wahl auf den „Zigeunerbaron“ gefallen war, der Konzerte der Wiener Symphoniker, der Abende des Wiener Staatsopernballetts und des Wiener Burgtheaters, das mit Molieres „Eingebildetem KranKen“ gekommen war.

Beim „Zigeunerbaron“ war alle6 darauf angekommen, daß es gelang, das Spiel derart an das Wasser zu bringen, daß die Seeauffüh-rund nicht zufällig, sondern organisch gewachsen erschien. Man erinnerte daran, daß der „Zigeunerbaron“ zwischen Donau und Theiß am Wasser spiele und in der Urfassung mit dem Schifferchor begann. Dem Bühnenbildner Walter Hoeßlin ist die Verpflanzung 6üdungarischer Flußstimmung an das Schwä-

bische Meer geglückt. Darüber hinaus hat das Spiel auf dem See nunmehr seine Form gefunden. 1948 war es uns bei der „Nacht in Venedig“ klar gewesen, daß wir auf einem nicht mehr zu erhöhenden Gipfel standen. „Tausendundeine Nacht* im Folgejahr litt unter der Gefahr, die Akustik der Operette völlig an die Optik zu verlieren! schon sprach man von der Möglichkeit eines Abgleitens in die Revue. 1950 begann mit „Gasparone“ die Rückkehr zum musikalischen Spiel, das heuer durch die höheren Qualitäten des „Zigeunerbarons“ wieder eine gewisse Vollkommenheit erreicht hat. Karl Friedrich und Kurt Preger, Ruthilde Bö6ch und Esther Rethy in den tragenden Rollen taten das ihre, um das Ohr nicht gegenüber dem Auge in das Hintertreffen geraten zu lassen.

Die Wiener Symphoniker hatten bei ihrem ersten Konzert in Giovanni di Bella einen Gastdirigenten, in dem man eine große Hoffnung internationaler Mu6ik erblicken darf. Die Wiener Symphoniker spielten ausnahmslos Italiener, von den Klassikern Antonio Vi valdi und Arcangelo Corello über Giuseppe Verdi, dem der ganze erste Teil gewidmet war, zu den Modernen Ottorino Respighi und Alfredo Casella. Es gelang nicht nur, bekannte Weisen dem Ohr zu vermitteln, sondern auch Ungewohntes verständlich zu machen. Die beiden anderen Konzerte dirigierte Rudolf Moralt. Wie in den Vorjahren konnten auch heuer die Symphoniekonzerte als der künstlerische Mittelpunkt der Bregenzer Festspiele angesehen werden.

Endlich sind keine Bregenzer Festspiele mehr denkbar ohne Wiener Staatsopernballett, das ohne die Tradition der Bundeshauptstadt nicht verständlich ist. Das Ballett hat hierzulande den Reiz des Neuen, da ihm die Möglichkeit der Rundfunkübertragung fehlt. Darum macht die Kunst, Töne in Bewegung zu verwandeln, jedesmal so besonders tiefen Eindruck.

Uber diesen Spitzenleistungen seien die Serenade des Großen Vorarlberger Funkorchesters, der Abend heimischer Komponisten, der Kammermusikabend und endlich die von Dr. Wilhelm Schosland dirigierte Messe in Es-dur nicht zu übersehen.

Und nun zur großen Pi£ce de resistance, dem Molike des Wiener Burgtheaters. Keine Komödie im spritzigen Stile der Galller, sondern klassische Satire der menschlichen Schwäche: französische Barockmenschen, die man zu allen Zeiten und in allen Zonen trifft, ins Rampenlicht gestellt mit der Kunst des ridentem dicere verum. Molire hat ihn gekannt, den ewigen Pharisäer, den Feind nicht nur in unserer Mitte, sondern in unserer Brust. Und er wußte vor dreihundert Jahren schon, daß der einzige Mensch unter den Larven die unverbildete Natürlichkeit der Magd Toinette zum Ausdruck bringt, eine Gestalt, die Alma Seidler wirkungsvoll von den verkrampften Figuren abheben läßt, die Her-

mann und Han6 Thimig, Maria Eis, Hilde Mikulicz, Gandolf Buschbeck und Philipp Zeska verkörpern. In ihrer schauspielerischen Kraft werden Franzosen von 1650 zu Lands-leuten unserer Zeit und heben sich über diese hinaus zu nem allgemein Gültigen, da6 klassische Kunst ausmacht. Alter französischer Sitte gemäß wurde das Spiel durch zwei Ballette belebt, für deren Choreographie Rosalia Chladek zeichnete. Man übertreibt nicht, daß von diesem Burgtheater am Bodensee noch nach Jahren, wenn nicht nach Jahrzehnten mit jener Dankbarkeit gesprochen wird, die das weniger übersättigte Publikum charakterisiert.

So dürfen sich die Festspiele 1951 ihren Vorgängern anreihen. Bregenz hat jenen Stil gefunden, der ihm den zukommenden Platz im österreichischen Kunstleben sichert. Man darf dankbar anerkennen, daß kein Versuch einer ungesunden Übersteigerung und eines Nachjagens nach unerreichbaren Zielen am österreichischen Bodenseeufer unternommen wurde.

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