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Brennendes Haus und zweimal Strauß

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Damit ist nicht die Wiener Volksoper, sondern das dort aufgeführte gleichnamige Singspiel von Joseph Haydn gemeint. Es kommt zwar darin ein Feuer vor, aber die Oper hat keines. Haydns Musik ist von nobler Schlichtheit, reizender Einfälle voll, aber es fehlt ihr die Zügigkeit, die das Theater braucht, besonders wenn sie ein Textbuch von solcher Einfältigkeit tragen soll. Das hätte vielleicht Mozart gekonnt, aber der hatte die besten Textbücher seiner Zeit. Die Ausführenden bemühten sich redlich, die ziemlich gestreckte Handlung genießbar zu machen, was ihnen löblich, aber natürlich nicht voll gelang. Das Brio, das schließlich den Abend rettete, ging von Oskar Czerwenka aus, der als Hanswurst in vielerlei Verkleidung durch seine Drastik und. seinen Humor endlich Spannung und lebendiges Theater schuf. Herbert Prikopa

spielte den dummen Steckel auf eine stille, sympathische Weise; der Leander des Adolf Dallapozza und der Odoardo des Karl Dönch trugen ihre „stehenden“ Rollen nach Vorschrift und mit verzweifeltem Bemühen, daraus Menschen zu gestalten. Karl Terkal als tenoraler Geist hatte das nicht nötig. Um kleinere Rollen bemühten sich mit Glück Friedrich Ni-detzky (Wirt) und Rudolf Drexler (Pfarrer). Die Dame des Abends, Renate Holm, war eine reizende, in den Adelsstand heiratssüchtige Co-lombine, die am Ende doch mit ihrem Wurstel am besten fährt. Gesungen wurde durchwegs gut, dazu gaben die Arien und kleinen Ensembles die beste Gelegenheit. Vom Ballett, das eine ganze Szene (Bild) allein beherrschte und andere auffüllte, boten Melitta Ogrise und Walter Kolmann sehr gute Leistungen. Unter Leitung von Franz

Bauer-Theussl spielte das Orchester mit Präzision, wenn auch zuweilen mit wenig Brio. Für Bühnenbildner und Kostüme zeichnet Ottowerner Mayer (sie gehörten zum Besten), Regie und Inszene schwankten zwischen Marionettentheater und Turbulenz.

★

In doppelter Premierenbesetzung brachte die Volksoper den „Zigeunerbaron“ von Johann Strauß als komische Oper in drei Akten und als Festwochengabe. Textliche Einrichtung von Adolf Rott und Kurt Nachmann, musikalische Einrichtung und Leitung von Robert Stolz. Die Bühnenbilder schuf Dominik Hartmann, die Inszene führte Adolf Rott, für die Kostüme zeichnete Elli Rolf, für die Choreographie Dia Luca. Sie alle schufen Festwochengemäßes, es war Strauß in Großformat. Durch die Leitung von Robert Stolz spannte sich ein unsichtbarer, doch fühlbarer Bogen vom Großmeister der Wiener Operette bis zu ihrem letzten Mann in der silbernen Ära. — Zufolge der Fülle und Gleichzeitigkeit der Veranstaltungen konnte ich nur die Premiere II sehen. Da spielte Rudolf Christ den Sandor Barinkag mit Charme und Stimme und vorzüglicher Haltung, Herbert Prikopa den Zsupan flott und echt komisch, wenn auch mehr wienerisch als ungarisch; Terry Gruber den Ottokar ein wenig blutarm. Richtig ungarisch war der Graf des Ottokar Schäfer, glaubhaft in seiner Nervosität Wolfgang Zimmer als Kommissär. Helga Dernesch als Zigeunermädchen Saffi ist in Spiel und Stimme ebenso blitzsauber wie als Erscheinung. Sonja Draxler als Zigeunerin macht ihre Operetten-Aoucena vortrefflich und Monique Lobasd ist eine eigenwillige, kapriziöse Arsena. Große Aufgaben hat das Ballett und löst sie mit typisch wienerischer Leichtigkeit. Der Tanz der Zeitungsverkäufer oder die „Rosen aus dem Süden“ gehören zu den besten Eindrücken des Abends. Bühnenbild, Inszene und Kostüme schöpften aus dem vollen, und als gar die Musik des Gardebataillons Wien aufmarschierte, da war des Jubels kein Ende. Es war ein Schau-

stück mit Musik (das Orchester musizierte beschwingt und beflügelt, sein Leiter war eben Robert Stolz), aber ein Schaustück, das den Inhalt nicht verlor und in die (wienerische) Tiefe ging. Die Festwochengäste werden den „Zigeunerbaron“ wohl als die fröhlichste Festlichkeit im Gedächtnis behalten.

Die Operette „Wiener Blut“ ist der Festwochenbeitrag des Raimundtheaters. Der Text stammt von Viktor Leon und Leo Stein, die Musik wurde nach- persönlichen Angaben von Johann Strauß, der die Aufführung nicht mehr erlebte, von Adolf Mülker jun. für die Bühne bearbeitet. Die Uraufführung fand am 26. Oktober 1899 in Wien statt. Eine Operette von Strauß also mit allen Ansprüchen einer solchen an Sänger und Musiker, an das ganze Theater. Eine Operette, in der die Musik und das musikalische Fluidum dominieren und triumphieren. Diese Ansprüche, soweit eine Lösung überhaupt möglich war, gelöst zu haben, ist vor allem das Verdienst des musikalischen Leiters Rudolf Bibl, der mit ebensoviel Charme wie Energie der Musik die erste Rolle sicherte. Aber die Aufführung mit hauseigenen Kräften geschafft zu haben, ist ein kaum minderes Verdienst, denn wie hier gespielt und gesungen wurde, konnte sich immerhin sehen und hören lassen. Paul Hör-biger als Karusselbesitzer Kagler war der einzige Star des Abends und nicht einmal in der Hauptrolle, allerdings im Zentrum des Wienerischen. Die Damen sind von verschiedenem Temperament, aber von gleichem Liebreiz. Dem Solotanzpaar Truder Köhler und Franz Mulec gebührt wie immer besonderes Lob. Das Bühnenbild von Ferry Windberger hat wirklichen Biedermeierzauber, wenigstens in den beiden ersten Akten. Gerdagos Kostüme sind von gediegenem Geschmack, die Choreographie Rein Estes konnte sich diesmal ausleben ohne sich zu erschöpfen. Walter Kochners Inszene gibt den beiden ersten Bildern Leben und Impuls, im dritten versagt sie so ziemlich. Das Publikum war begeistert, es gab unzählige Hervorrufe.

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