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H. C. Artmann ist fünf Jahre tot - und in zwei neuenBüchern höchst lebendig.

Bei seinen Auftritten fand H. C. Artmann als umjubelte Inkarnation des Poetischen viele Zuhörer, aber gekauft und gelesen wurden seine Bücher nur von wenigen. Um seinen 5. Todestag am 4. Dezember war es merkwürdig still - als wäre der märchenumwobene Sprachakrobat schon lange fort. Doch zwei kleine, fein gemachte Bücher sind in diesem Jahr erschienen, in denen seine Biografie und sein unverkennbarer Ton noch einmal aufleuchten.

Übersetzungen für Porcia ...

1961 hat Herbert Wochinz die Komödienspiele auf Schloss Porcia in Spittal an der Drau gegründet und gleich im ersten Jahr Artmanns Stück "Kein Pfeffer für Czermak" aufgeführt. Vor allem aber hat Artmann 30 Jahre lang für Wochinz Dramatiker der Weltliteratur übersetzt, darunter Goldoni, Moliere, Marivaux, Feydeau, Calderon oder Lope de Vega. In den 38 Briefen Artmanns an Wochinz geht es oft um Geld, und so werden seine Lebensumstände in Schweden, Berlin und Österreich sichtbar: seine Flucht vor Polizeiorganen und Gerichten (Klage wegen Alimentationsvergehen), seine vielen Übersiedlungen, das Gefühl der Fremdheit in Schweden, seine Reisen, die ständige Geldnot ...

Aber es wird auch Artmanns Poetik der Übersetzung sichtbar, wenn er nach der Arbeit an Tirso de Molina schreibt: "Weißt du, eine normale übersetzung hätte mich getötet. Ich musste erst von dir wissen, ob ich ihn auch auf meine weise schreiben darf, sozusagen neu dichten darf. Nun, das habe ich getan. Die intrige, das gerüst und der handlungsablauf ist streng nach dem alten Tirso, deutsch ist er aber jetzt von mir."

... und eine Kinderoper

Neben den frühen Briefen ist auch Artmanns letztes Werk in Buchform erschienen: "der herr norrrdwind", sein "kleines operl" für Kinder, das am 12. Juni 2005 mit der Musik von H. K. Gruber am Opernhaus Zürich uraufgeführt wurde. Darin ist noch einmal der ganze Artmann enthalten, vor allem die leichte Musikalität seiner Reime und sein Märchenton, der unterschiedlichste Anspielungen und Textbausteine mühelos einschmilzt in den eigenen Versfluss. Kern der Handlung: Der Bauersmann Geppone, dessen Ernte vom Herrn Norrrdwind zerstört wurde, sucht diesen auf und klagt ihm sein Leid. Norrrdwind und seine Frau Holla erbarmen sich Geppones und seiner Familie und schenken ihm ein Silberkästchen, mit dem er im Notfall Essen herbeizaubern kann. Doch schon nach dem ersten geglückten Versuch ertönt das verballhornte Latein des Klosterpriors ("lirum larum dominarum"), der das Kästchen konfisziert. "hüt du dich vor den pfaffen / und andrer solcher affen", sagt Geppone zu seiner Frau und macht sich wieder auf zu Herrn Norrrdwind. Diesmal bekommt er ein goldenes Kästchen, aber wieder reißt es der Prior an sich - er hat den Bischof eingeladen, um "ein gewaltges freßkonzil" zu veranstalten. Doch da kommen vier Rugbyspieler unter dem Tisch hervor und verhauen die Klostergesellschaft. Geppone bekommt seine beiden Kästchen wieder und bringt eines Herrn Norrrdwind zurück, damit er anderen Hungernden helfen kann. Trivialmythen und augenzwinkernde Sozialkritik, Mittelalter und Moderne, Märchen-Versatzstücke und eine Zeile aus der Tiroler Landeshymne - bei Artmann verbindet sich alles zu einer bis in die Regieanweisungen hinein vergnüglichen Lektüre, die Lust macht, seine Prosa und die 2003 erschienene wunderbare Ausgabe der Gesammelten Gedichte wieder aus dem Regal zu holen.

ICH BRAUCH EINEN WINTERMANTEL ETZ.

Von H. C. Artmann

Briefe an Herbert Wochinz. Hg. u. mit einem Nachwort von Alois Brandtstetter

Jung und Jung Verlag, Salzburg und

Wien 2005. 94 Seiten, geb., e 17,-

DER HERR NORRRDWIND

Ein Opernlibretto von H. C. Artmann

Mit Zeichnungen von Herbert Brandl

Residenz Verlag, St. Pölten u. a. 2005 96 Seiten, geb., e 14,90

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