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Buntes Donauinsel- Treiben

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Abwechslungsreich ist das Bild, das sich den Besuchern auf der 22 Kilometer langen Donauinsel, der Freizeitoase der Wiener bietet.

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Abwechslungsreich ist das Bild, das sich den Besuchern auf der 22 Kilometer langen Donauinsel, der Freizeitoase der Wiener bietet.

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Der Anfang ist Beton und liegt in Niederösterreich. Ähnlich dem Bug eines riesigen Donauschiffes ragt der Kopf des 22 Kilometer langen, künstlichen Freizeitparadieses der Wiener ins Wasser. Hier, wo mächtige Schleusenmauern eine Vermischung von Donau- und Badewasser verhindern, wo die Klosterneuburger Stiftstürme herübergrüßen und Autobahnlärm in die Ohren dröhnt, hält sich niemand lange auf. Nur der dunkelhäutige Eismann aus Pakistan sitzt lächelnd in seinem Stand und wartet auf durstige Kundschaft.

Der Norden gehört der Fauna und Flora der Insel. Im Endelteich erforschen Zoologen die Populationsdynamik von Amphibien. Es quakt, unkt und plätschert. Die Menschen halten sich zurück, verstecken sich sogar. Herren- und Damenräder eng aneinandergekettet vor undurchsichtigem Gestrüpp mit kleinem Einschlupfloch lassen1 Vieles erahnen. Der Norden ist der Platz für Einsame, Zweisame und Radsame. Die mäßige Wasserqualität schreckt Badefreaks, die langen Anmärsche Kinder und Hunde ab.

Eine größere Menschenansammlung hat sich nur in einer baumfreien Mulde bei Kilometer 18 zusammengefunden. Überwiegend ältere, wohlbeleibte Menschen frönen hier ungestört der ganzheitlichen Bräunung. Zur Warnung von ahnungslosen Passanten sind die drei Buchstaben FKK grellrot auf den Asphalt gemalt. Aber weiter flußabwärts.

Rauchschwaden unter der Nordbrücke kündigen die grillenden Massen an. Just neben dem dreisprachigen Grillverbotsschild riecht es verlockend nach Schweinshaxen, Hammelbraten, Gewürzen, Bier. Auf Decken, am Boden, sitzen ganze Familienclans samt Hund und Katze im Kreis und zelebrieren ihr Mahl. Es wird gescherzt, gespielt, getanzt, gebalgt, gelesen, geträumt. Kroaten, Serben, Inder, Chinesen, Türken und vieles mehr nebeneinander im Grillwald.

SONNIGE GRILLPARTIES

Die Umweltschutz-Wacht versucht Ordnung ins Völkergemisch zu bringen: „Na, durt derfens ned hin mitn Griller“ wird eine indische Familie zurechtgewiesen. „Es gibt achtzehn offizielle Grillstellen auf der Insel“ erläutert der uniformierte Herr nun in Hochdeutsch, „aber die Leut grillen wild und des geht ned.“ Es wird aber nicht bestraft, nur belehrt.

In der Mitte beginnt das eigentliche Inselleben. Hier, wo die Massen mit ihrem Stadtleben im Gepäck über sechs Brücken zuströmen können, prägen die Massen auch das Bild. Die Mitte ist der Platz der Ausgelassenheit, der Heiterkeit, der Buntheit. Sportbegeisterte spielen Fuß-, Basket- oder Beachvolleyball, segeln, surfen, schwimmen, tauchen, biken, skaten ...

Hier im Fun- und Freizeitzentrum ist alles zu haben, alles organisiert, alles da. In der „Sunken City“ gibt ’s Reggeamusik aus dem Lautsprecher, Kerzenlichtparty am Abend, Tequila, schlanke, junge, braungebrannte Körper und freie Sicht auf die UNO-City. Weiter flußabwärts.

Der Süden ist anders. Nach der Praterbrücke wird es kahl und nüchtern. Niedrige Birkenbäume, wenig Schatten, wenig los, vorerst. Doch dann die Lobau. Freikörperkultur kilometerweit jenseits und diesseits der Neuen Donau. Und dazwischen die 101. Wiener internationale Ruderregatta. „Noch fünf äh Minutän bis zum Start“ wird mit feinem ungarischem Einschlag angekündigt. Sportler aus fünf Nationen eilen in ihre Boote. Im Ziel ertönt die. Ton bandfanfare* für die österreichischen Sieger im Doppelzweier. Beifall. Der Süden ist der Ort der Sportlichkeit, der Nacktheit und der Widersprüchlichkeit.

Nur ein schmales Segment am Wasser ist für Erholungs- oder Bräunungssuchende gedacht. Das stadt- wärts gelegene Areal gehört zur gigantischen Baustelle des Kraftwerks Freudenau. Dutzende Kräne, Bag ger, Baumaschinen und unansehli- che Schotterberge erinnern an die graue Arbeitswelt. Die mehr verirrten als interessierten Radler schwitzen auf den staubigen Wegen vorbei. Es riecht nach Donau und nach Gras.

Das Inselende ist wiedef Beton; Einige alte, verrostete Frachtschiffe liegen vor Anker und strafen das guillotineartige Schild „Hafen Wien-Lobau“ fast Lügen. An Bord eines rumänischen Schleppkahns gießt ein alter, grimmiger Seemann seine üppig wuchernden Grünpflan- zen. Im nahegelegenen Flughafen Schwechat sticht ein Jumbo in den Himmel.

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